Kanzler will Bundeswehr aufrüsten: Der getriebene Treiber

Olaf Scholz diktiert der eigenen Fraktion eine neue Sicherheitspolitik. Die Überrumpelungsaktion zeugt nicht von Führungsstärke.

Bundeskanzler Scholz mit Maske.

Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag Foto: Bildgehege/imago

Olaf Scholz war in der Ukraine Krise lange zurückhaltend, fast unsichtbar. Die Ampel-Regierung wirkte getrieben – nicht nur von der Eskalation des Konfliktes, auch von Verbündeten und Medien. Scholz schien der Dynamik der Situation hinterher zu eilen. Das soll nun vorbei sein. Am Sonntag hat der Kanzler tabula rasa gemacht. Wohlgemerkt: Dass Deutschland nun Waffen an die Ukraine liefert und die Swift-Sanktionen des Westens unterstützt, ist richtig.

Ohne Geschlossenheit von Washington bis Warschau bleiben die Sanktionen zahnlos. Einheit ist derzeit eine politische Hartwährung.Doch der Kanzler hat die Gunst des Augenblicks genutzt, um die lästige Rolle des Getriebenen, des Abwartenden, der nur reagiert, abzustreifen und sich als Macher inszeniert. Die Idee, mit 100 Milliarden Euro jenseits des Haushalts die Bundeswehr aufzurüsten, soll ein Befreiungsschlag sein. Aber ist es das? Warum 100 Milliarden – und nicht 50 oder 150 Milliarden?

Scholz wirkt wie ein Mann, der in ein Geschäft stürmt, einen Batzen Geld auf den Tresen knallt, und sich danach mal überlegt, was er eigentlich kaufen will. Der Kanzler hat mit diesem Coup die SPD-Fraktion und die Grünen rüde überfahren und vor vollendete Tatsachen gestellt. Das bedient einen geradezu atavistischen Reflex. Wenn man sich angegriffen fühlt, (und dazu gibt es angesichts von Putins Atomdrohungen wirklichen Grund) braucht es innen den starken Mann, der sagt, wo es jetzt lang geht.

Faktisch gibt es zudem seit Sonntag keine Verteidigungspolitik der Ampel mehr, sondern, weil die Union für die Grundgesetzänderung gebraucht wird, die einer Art Allparteienregierung. Die Qualität von Demokratien ist es aber, sich genug Zeit zu lassen. Es ist kein Zeichen von Führungsstärke eine so weitreichenden Entscheidung wie eine im Grundgesetz verankerte Aufrüstung der Bundeswehr per Überraschungscoup ad hoc zu verkünden. Scholz Ankündigung ist keine souveräne, kluge Geste. Es ist die Geste eines Getriebenen.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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