Berliner Galerien: Berlins hohe Mieten machen dem Kunstmarkt zu schaffen
Wie steht es um den Kunstmarkt? Kurz vor dem Gallery Weekend gab das IFSE erste Einblicke in eine bundesweite Studie über die Situation der Galerien.

Dieses Wochenende steht es wieder an, das Gallery Weekend Berlin, das wichtigste Ereignis der Berliner Galerien. Zur 21. Ausgabe des einst von einer kleinen Gruppe Berliner Galerien initiierten Events, um kaufkräftige Sammler*innen und Kurator*innen – auch ohne Kunstmesse – in die Stadt zu locken und ihnen dort in den eigenen Räumlichkeiten Kunst zu präsentieren, wird wieder groß aufgefahren.
Allein auf dem offiziellen Programm stehen 52 teilnehmenden Galerien an 59 Standorten, mit 80 Künstler:innen. Dazu kommen zahllose kleinere und größere Galerien, die ebenfalls Ausstellungen und Veranstaltungen zu diesem Termin planen. Alles super auf dem Berliner Kunstmarkt also?
Die Zeichen stehen anders. Schon der alljährlich im Frühling erscheinende Art Basel and UBS Art Market Report wusste vor drei Wochen kaum Gutes zu vermelden. Der weltweite Umsatz mit Kunst schrumpfte demnach im Jahr 2024 um satte 12 Prozent auf 57,5 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor hatte der Rückgang nur rund 4 Prozent betragen. 2025 liegt das Niveau damit deutlich unter dem von vor der Corona-Pandemie. 2019 hatte der globale Umsatz noch 64,1 Milliarden umfasst.
Wie es konkret um die Galerien hierzulande steht, untersucht seit April eine bundesweite Befragung des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V. (BVDG). Ergebnisse sind für September angekündigt, aber schon jetzt, als kleiner Auftakt des Kunstwochenendes präsentierte Hergen Wöbken vom IFSE am Dienstag in einem Pressegespräch einen Zwischenstand für die bislang erhaltenen Rückmeldungen von Berliner Galerien.
150 Fragebögen seien bundeweit bislang eingegangen, 50 davon aus Berlin. Die Stichprobe mag bislang noch nicht sehr groß sein, für eine freiwillige Umfrage ist sie aber durchaus beachtlich. Und die Verteilung auf kleinere und größere Galerien stimme, so Wöbken.
Im Mittel 26 Jahre alt
Viel Aufschluss geben die Zahlen vor allem im Vergleich zur letzten umfassende Erhebung zur Lage der Galerien von IFSE und BVDG aus 2020. Deutlich ist der Unterschied etwa beim Alter der Berliner Galerien. 2025 seien diese im Mittel 26 Jahre alt, so heißt es im Bericht, geprägt von Gründungen um 2005. Im Jahr 2020 belief sich das mittlere Galerienalter indes noch auf 18 Jahren.
„Auf die dynamische Aufbauphase der 1990er Jahre folgte ein Boom der Nullerjahre und eine Phase des Wachstums und der Internationalisierung in den 2010er Jahren, die nun in eine Konsolidierungsphase der 2020er Jahre übergeht,“ so formuliert es Wöbken. Man könnte auch sagen: Es fehlt an Nachwuchs.
Offensichtlich scheint es zunehmend schwerer oder weniger attraktiv zu sein, eine Galerie zu gründen. „In den ersten Studien war Berlin noch geprägt von einer jungen Generation neuer Galerist*innen“, so schreibt Wöbken an späterer Stelle. Eine Generationenverschiebung habe bisher nicht stattgefunden.
Einer der Gründe für das Ausbleiben von Neugründungen ist sicherlich das, was die befragten Galerien als größte Schwäche des Standorts angaben: die steigenden Mietpreise. Lange her ist die Zeit, in der es an den einschlägigen Galeriestandorten noch Räume zu bezahlbaren Mietpreisen gab – oder überhaupt noch Räumlichkeiten.
Steigende Kosten setzen wiederum vor allem kleine und mittlere Galerien unter Druck. Die ersten fünf Jahre einer Galerie sind in der Regel auch wirtschaftlich die herausforderndsten. Noch härter erscheint es heute, nicht nur diese erste Zeit durchzustehen, sondern sich auch dauerhaft am Markt zu beweisen.
Sinkender Umsatz, ungleich verteilt
Was den Umsatz betrifft, so bestätigen die Zahlen aus Berlin den Trend des Reports von Art Basel und UBS. Für 2024 geht das IFSE von einem Gesamtumsatz der Berliner Galerien von unter 240 Mio. Euro aus, deutlich weniger als 2020. Entscheidend ist dabei, wie sich dieser sinkende Umsatz verteilt: „Etwa zwei Drittel der Berliner Galerien erzielen weniger als 400.000 € Umsatz, während ein Drittel über dieser Schwelle liegen“, heißt es in dem Zwischenbericht.
Die wirtschaftliche Hauptleistung werde von der kleineren Gruppe großer Galerien getragen, eine Polarisierung, die bereits in der Galerienstudie 2020 sichtbar war und auch international zu beobachten sei. „Während mittlere Galerien in Berlin zunehmend unter wirtschaftlichem Druck stehen, behaupten sich größere Galerien eher erfolgreich am Markt und gestalten ihn maßgeblich.“
Ein paar wenige Großgalerien machen also weiterhin gute Geschäfte, können die ein oder andere Durststrecke ohne größere Schwierigkeiten durchhalten, während es bei vielen anderen ums Überleben geht. Nicht nur für diese ist das bitter, sondern auch für das Gesamt-Ökosystem Kunst, wo alles aufeinander aufbaut und voneinander abhängt. Mehr marktkonforme Kunst, weniger Experimente könnte eine Folge davon sein und das ist eine schlechte Nachricht für alle, erst recht für das Kunstpublikum.
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