Berichte über Schweizer Großbank: Kriminelle als Kund:innen
Eine anonyme Quelle hat Medien Interna der Großbank Credit Suisse zugespielt. Die Bank wies die daraus erhobenen Anschuldigungen zurück.
Die Unterlagen umfassten der an den Recherchen beteiligten französischen Zeitung Le Monde zufolge Informationen zu mehr als 18.000 Bankkonten, die bis in die 1940er zurückreichen. Die Summen auf den Konten belaufen sich auf umgerechnet mehr als 100 Milliarden Dollar (88 Milliarden Euro). Sie gehören demnach 37.000 Kunden der zweitgrößten Bank der Schweiz, die meisten davon aus Entwicklungsländern.
Darunter befinden sich etwa ein auf den Philippinen verurteilter Menschenhändler, ein ägyptischer Mörder, korruptionsverdächtige Kardinäle sowie ein 2008 wegen Bestechung verurteilter früherer Siemens-Manager, dessen zwischenzeitliches Millionen-Vermögen mit seinem Gehalt nicht zu erklären sei. Auch ein jemenitischer Spionagechef, der in Folter verwickelt war, die Söhne eines aserbaidschanischen Machthabers, ein serbischer Drogenbaron und Bürokraten, die beschuldigt wurden, den Ölreichtum Venezuelas zu plündern, gehörten den Berichten zufolge Konten bei der Bank.
Banken sind gesetzlich zur Überprüfung ihrer Kunden verpflichtet. Große Vermögen ungeklärter Herkunft und Verdachtsfälle auf Straftaten müssen sie melden. Die vorliegenden Daten legen laut SZ mutmaßliche Versäumnisse der Bank nahe.
Die Credit Suisse wies die Vorwürfe „entschieden“ zurück. Die Berichte beruhten auf Daten, die „unvollständig, ungenau oder aus dem Zusammenhang gerissen sind, was zu einer tendenziösen Darstellung des Geschäftsverhaltens“ der Bank führe, hieß es in einer Stellungnahme des Kreditinstituts. Zudem seien 90 Prozent der betroffenen Konten bereits geschlossen worden, „davon mehr als 60 Prozent vor 2015“. Die Bank kündigte eine Untersuchung bezüglich des Datenlecks an.
In der Schweiz gilt eines der strengsten Bankgeheimnisse der Welt. Die Weitergabe von Kontoinformationen steht unter Strafe und auch Journalisten droht Strafverfolgung. Deshalb habe sich kein Medium aus der Schweiz an den Recherchen beteiligt, schrieb die SZ. Die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan, habe deshalb eine Untersuchung eingeleitet.
Die SZ hat die Daten gemeinsam mit dem NDR und dem WDR und internationalen Medien wie Le Monde und der New York Times ausgewertet. Woher die Daten stammen, ist den Medien nach eigenen Angaben nicht bekannt. Die Quelle habe als Motivation Kritik am Schweizer Bankgeheimnis genannt: „Der Vorwand, die finanzielle Privatsphäre zu schützen, ist lediglich ein Feigenblatt, um die schändliche Rolle der Schweizer Banken als Kollaborateure von Steuerhinterziehern zu verschleiern“, erklärte sie demnach.
Die Credit Suisse war in der jüngeren Vergangenheit bereits von mehreren Skandalen betroffen. So wurde sie im März 2021 vom Zusammenbruch des britisch-australischen Finanzdienstleisters Greensill Capital getroffen, in den sie über vier Fonds rund zehn Milliarden Dollar investiert hatte. Die Pleite des US-Fonds Archegos kostete sie mehr als fünf Milliarden Dollar.
Und in der Schweiz gehört ein ehemaliger Mitarbeiter der Credit Suisse zu den Angeklagten in einem großen Korruptionsprozess, bei dem es um angebliche Geldwäsche und organisierte Kriminalität in Bulgarien geht. Die Bank hat erklärt, sie werde sich „vor Gericht energisch verteidigen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett