Bericht der Bundesregierung: Die Armutsfrage

Wie hat sich die Armut in Deutschland entwickelt? Der Bericht liefert dazu unterschiedliche Zahlen – Corona dürfte den Ausblick weiter trüben.

Eine einzelne Frau mit einem REgenschirm geht durch eine menschenleere Einkaufsstraße

Wie sich Corona auf die Armutsquote auswirkt, ist noch nicht klar: leere Einkaufsstraße in Essen Foto: Jochen Tack/imago

BERLIN taz | Nachdem die Armut in Deutschland lange Zeit zunahm, hat sie sich mittlerweile bei etwa 16 Prozent der Bevölkerung eingependelt. Im neuen Armuts- und Reichtumsbericht, den die Bundesregierung am Mittwoch beschließen will, stehen allerdings unterschiedliche Zahlen zur Entwicklung seit 2014. Einigen Statistiken zufolge sinkt die Armutsrisikoquote – mit dem Mikrozensus deutet jedoch ein Datensatz darauf hin, dass sie in Deutschland wieder zunimmt.

Was die Folgen der Coronakrise betrifft, herrscht ein Schwebezustand. Die Regierung befürchtet, die Ungleichheit zwischen Arm und Reich könnte wachsen. Dass die Schulen lange geschlossen waren und der Unterricht eingeschränkt ist, wirft Lernende mit Benachteiligungen weiter zurück. Wegen der Geschäftsschließungen verlieren ohnehin schlecht verdienende Beschäftigte einen Teil ihres Einkommens. Doch wie sich Corona auf die Armutsquote auswirkt, ist nicht klar – für 2020 fehlen bisher die Daten.

Der bundesdeutsche Mikrozensus weist nach einem Rückgang 2018 für 2019 wieder einen leichten Anstieg bei der Armutsrisikoquote aus. Der Regierungsbericht vermerkt jedoch positiv, dass der Wert in zwei anderen Statistiken zurückgeht: In der europäischen Untersuchung EU-Silc ist die Armutsrisikoquote 2018 unter 15 Prozent gesunken, im Sozio-oekonomischen Panel auf 16 Prozent. Die Armutsrisikoquote beschreibt den Anteil der Bevölkerung, der nur 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens oder weniger zur Verfügung hat.

Die Linke fordert „sanktionsfreie Mindestsicherung“

Dass die Armut seit dem Jahr 2000 zunahm, lag unter anderem an den Hartz-Gesetzen. Die Trendwende basiert nicht zuletzt auf der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. So profitieren seit 2015 selbst die am schlechtesten verdienenden 10 Prozent der Bevölkerung von höheren Löhnen und Haushaltseinkommen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plädierte dafür, den Mindestlohn von augenblicklich 9,50 Euro brutto pro Stunde auf 12 Euro anzuheben. Derzeit finde sozialer „Aufstieg von der Mitte nach oben“ statt, „aber nicht von unten in die Mitte“.

Einen „Coronazuschlag auf die Grundsicherung“ forderte Katja Kipping, die sozialpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag – außerdem eine „sanktionsfreie Mindestsicherung: Kein Erwachsener soll im Monat unter 1.200 Euro fallen.“

„Armut und Ungleichheit bleiben auf einem nicht akzeptablen Niveau“, sagte Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der Grünen. „Die Armut verfestigt sich, wer unten ist, bleibt unten.“ Er plädierte für die „Überwindung von Hartz IV durch eine Garantiesicherung, die das soziokulturelle Existenzminimum in jeder Lebenslage sicherstellt“.

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