Benefiz-Album für afghanische Frauen: Mit Witz, Wut und blauen Burkas
Eine stilistisch vielfältige Kompilation von Bands und Künstler:Innen schärft den Blick für das Unrecht, das Frauen und Mädchen in Afghanistan widerfährt.
Ironie kann eine warme Waffe sein – im Fall der Burka Band eine warme weibliche Waffe. Bei ebendieser Burka Band handelt es sich um ein in Afghanistan gegründetes Musiktrio, das sich gern in blauer oder schwarzer Vollverschleierung zeigt und in seinen Songs gegen die Taliban und ultrapatriarchale islamische Strukturen singt.
„Oh it’s true/ The Burka still is blue / Because I care for you / You can only see my shoe“, heißt es etwa im fast schunkeltauglichen Song „I Care For You“. Swingende Gitarren, Beatorgel und Akkordeon ertönen, während die Burka-Band-Sängerin davon berichtet, wie es ist eingesperrt zu sein: „My prison is my room / My life is on computer / With nothing else to do“.
Dieser Song findet sich nun auch auf einer Compilation, die auf die verzweifelte Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam macht. „Hope for Her Future: A Compilation for Girls’ Education in Afghanistan“ heißt der Sampler, veröffentlicht hat ihn das Berliner Underground Institute, das die Berliner Musikerin Mary Ocher gegründet hat und betreibt.
Die Erlöse gehen an den Afghanischen Frauenverein Hamburg, der sich für Bildung, berufliche Ausbildung und medizinische Versorgung von Mädchen und Frauen in Afghanistan einsetzt.
Die Burka Band, 2002 als deutsch-afghanisches Kollaborationsprojekt von Kurt Dahlke und Saskia von Klitzing (Mitglieder von Der Plan und Fehlfarben) bei einem Afghanistanaufenthalt gegründet, ist dabei die einzige Band mit afghanischer Beteiligung.
Die Sängerin der Gruppe lebt inzwischen im Exil und bleibt wie die anderen Mitglieder anonym, weil sie ihre Familie in der Heimat nicht gefährden will; der Output der Band ist schmal. Neben ihr sind unter anderem die Avantgarde-Pioniere Felix Kubin und Gudrun Gut sowie das US-Experimentalduo XiuXiu beteiligt.
Downloade dich selbst
Stilistisch ist die Musik breit gefächert: (arabischer) Folk, Indierock, elektronische Soundscapes, experimentelle Klangkunst finden sich unter den 25 Songs. Erfreulich oft blitzen Witz und subversiver Charme auf. Der Hamburger Sonderling Felix Kubin etwa weiß in „Download Yourself“ mit hüpfenden Synthesizerklängen zu überzeugen, in seinem Songtext formuliert er den Kategorischen Imperativ für das Zeitalter des digitalen Narzissmus: „The Categorical Imperative / Of web narcissism / According to the guidelines / Of Immanuel Kant is: / Download yourself.“
Ein melancholisches Chansonstück liefert dagegen die kanadische Songwriterin Michelle Gurevich – all jene Menschen, die in Diktaturen leben und unter ihnen leiden, können aus ihrem Song vielleicht Hoffnung schöpfen: „Goodbye, my dictator, goodbye / ’Cause everybody’s sick and tired / We’ll all be dancing when you die / Goodbye, my dictator, goodbye“, singt sie, musikalisch könnten Brecht/Weill und die Dresden Dolls Inspiration für das Stück gewesen sein.
Musik zum Fahrverbot
Mit patriarchalen Strukturen beschäftigt sich nicht nur die Burka Band. Elektronikproduzentin Gudrun Gut singt über das Fahrverbot von Frauen in Saudi-Arabien (und dessen Aufhebung): „Baby I can drive my car“ gibt mit seinen fluffigen elektronischen Beats und der lässigen Haltung den Vibe des gesamten Albums gut wieder.
Verschiedene: „Hope for Her Future – A Compilation for Girls in Afghanistan (Underground Institute), https://underground-institute.bandcamp.com
Das Thema Afghanistan ist aufmerksamkeitsökonomisch leider weitgehend aus den Nachrichten verschwunden, dabei wäre es gerade in diesen Tagen dringlicher denn je, es auf der Agenda zu halten: Das Bundesaufnahmeprogramm für verfolgte Afghan*innen ist desaströs angelaufen und vorerst gestoppt. Auch Kulturschaffende werden weiter verfolgt, erst kürzlich ist der Fall des Sängers Musa Shaheen bekannt geworden – er wurde von den Taliban verhaftet und gefoltert. Seine Familie hat um die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen gebeten. Shaheens Fall ist einer von sehr, sehr vielen – auch deshalb ist es so wichtig, dass es Initiativen und Sampler wie „Hope For Her Future“ gibt.
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