Belästigung bei der Arbeitsagentur: Vom Sachbearbeiter missbraucht
Ein Mitarbeiter der Arbeitsagentur fordert zwei Ex-Prostituierte auf Arbeitssuche zum Sex. Im Oktober muss er sich vor dem Amtsgericht verantworten.
STUTTGART dpa | Sexuelle Anmache im Dienstzimmer einer Arbeitsagentur: Wer in Stuttgart als Prostituierte einen Ausstieg aus dem Milieu wagen wollte, kam am 62-jährigen Mitarbeiter der örtlichen Jobvermittlung nicht vorbei und war ihm dann sexuell ausgeliefert. Jedenfalls erging es zwei 44 Jahre und 55 Jahre alten Frauen so, die mit ihm Möglichkeiten eines Jobwechsels austarieren wollten.
Der Mann begrapschte sie, wollte Oralverkehr, masturbierte vor ihnen und belästigte sie telefonisch auch nach Feierabend. Im Oktober muss er sich wegen sexueller Nötigung und Bestechlichkeit vor dem Amtsgericht verantworten. Ihm drohen zwischen einem Jahr und zehn Jahre Haft.
„Es ist ein Einzelfall“, sagt die Sprecherin der Stuttgarter Arbeitsagentur und gibt wie auch die Bundesagentur in Nürnberg keinen weiteren Kommentar zu den zwei Vorfällen von Oktober 2012 und Oktober 2013 ab.
„Nein“, widerspricht Birte Rohles, bei der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes in Berlin zuständig für häusliche und sexualisierte Gewalt. „Das ist kein Einzelfall. Laut einer Studie der europäischen Grundrechteagentur ist jede zweite Frau in ihrem Leben schon mindestens einmal sexuell belästigt worden.“
Belästigungen gehen meist von Vorgesetzten aus
Prostituierte seien besonders gefährdet, sexuell angemacht zu werden, weil sie eher als Freiwild und leichte Beute gelten, sagt Rohles. „Dass das wie im Stuttgarter Fall in einer Behörde passiert, ist eine spezielle Form von Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses und spiegelt die Machtverhältnisse wider.“ Denn: Sexuelle Belästigung passiere in der Regel von „oben nach unten“.
Im Stuttgarter Sozialministerium fragt man sich, wie es sein könne, dass ein solcher Fall über eine so lange Zeit völlig unbemerkt bleiben konnte. „Das muss aufgeklärt werden“, sagt ein Sprecher. Rohles spricht hierbei von „Tabuisierung“. „Die Behörde hätte gleich nach dem ersten Vorfall handeln müssen, auch um weitere Fälle zu verhindern.“ Aber Arbeitgeber machten gerne mal beide Augen zu, glaubten den Betroffenen vielfach auch nicht und fürchteten um ihren Ruf. Der Mitarbeiter habe klar seine Kompetenzen überschritten.
Der Landesfrauenrat sagt, in diesem Fall sei der Bock zum Gärtner gemacht worden. Für Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier zeigt das Geschehen, dass die Entwürdigung der betroffenen Frauen, ob Zwangsprostituierte oder scheinbar freiwillig im Gewerbe, nicht am Straßenstrich oder im Bordell endet. „Für viele Männer bleiben diese Frauen als Sexobjekte verfügbar, immer und überall. Damit muss endlich Schluss sein.“
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa war der seit 1990 in der Agentur beschäftigte Mann verantwortlich für ein Sozialprojekt. Dabei sollten früheren Prostituierten und solchen, die aus dem Rotlichtmilieu aussteigen wollten, „normale“ Jobs vermittelt werden. Doch stattdessen ließ er sich über die Oberweite aus und steckte einer Frau seine Hand in ihre Hose.
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