Behinderung der Presse in NRW: Polizeiwillkür muss Folgen haben
Die Polizei hat bisweilen ein fragwürdiges Verständnis der Pressefreiheit. Das zeigt der Umgang beim Kohlekraftwerk Datteln IV.
E s ist ein bedenklicher Angriff auf die Pressefreiheit, der derzeit in Nordrhein-Westfalen zu beobachten ist: Weil sie im Februar von einer illegalen Protestaktion auf dem Gelände des neuen Kohlekraftwerks Datteln IV berichtet hatten, hat die Polizei Recklinghausen mehreren JournalistInnen Aufenthaltsverbote für die Straßen rund um das Gelände erteilt. Eine Berichterstattung über die Proteste gegen dessen Inbetriebnahme am Samstag wäre damit nicht möglich gewesen.
In ihrer Verbotsverfügung macht die Polizei keinerlei Unterschied zwischen den AktivistInnen, die das Kraftwerk besetzt haben, und den ReporterInnen, die natürlich nichts beschädigt oder blockiert, sondern lediglich die Proteste dokumentiert haben. Und es interessiert sie auch nicht, dass über den Vorwurf des Hausfriedensbruchs bisher kein Gericht entschieden hat.
Zudem zeigt die Polizei ein erstaunliches Verständnis von Journalismus: Im Schreiben heißt es allen Ernstes, es gebe für die betroffenen ReporterInnen keinen Grund, sich für ihre Berichterstattung dem Kraftwerk zu nähern. Informationen könnten schließlich auch bei der Pressestelle der Polizei eingeholt werden.
Dass man sich auf deren Auskünfte allein besser nicht verlassen sollte, demonstriert die Recklinghäuser Polizei dann freundlicherweise gleich selbst: Nachdem ein Gericht die Verbotsverfügung in einem Fall vorläufig außer Kraft gesetzt hat, behauptete sie, für journalistische Tätigkeiten hätte das Verbot ohnehin nicht gegolten – was eindeutig im Widerspruch zum Wortlaut der Verfügung stand.
Und dass Polizeibeamte dann ausgerechnet jenem Fotografen, der erfolgreich vor Gericht gezogen war, einen Platzverweis erteilten, war ein weiterer Beleg dafür, wie gering mache Polizisten die Pressefreiheit und die Entscheidungen der Justiz schätzen. Von Zuständen wie in den USA, wo die Polizei akkreditierte Journalisten gerade massenhaft attackiert, sind wir zwar glücklicherweise noch weit entfernt. Aber damit das so bleibt, muss jede polizeiliche Willkür gegenüber der Presse Konsequenzen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja