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Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 GradDrastische Mittel für Klimaziel nötig

Kohleausstieg bis 2025, 100 Prozent Ökoenergie bis 2035 – das bedeutet das Klimaziel des Pariser Gipfels für Deutschland konkret.

Schnell raus hier: Bis 2025 müsste Deutschland aus der Kohle aussteigen Foto: dpa

BERLIN taz | Selbst für den Klimaexperten von Greenpeace sind die Zahlen beeindruckend: „Es ist eine harte Erkenntnis, wie hoch die Messlatte für Deutschland liegt, wenn wir das Abkommen von Paris ernst nehmen“, sagt Andree Böhling. Es ist ja auch nicht einfach, den deutschen Ausstieg aus der Kohle innerhalb von zehn Jahren zu propagieren.

Das aber ist eine der Folgerungen aus einer Kurzstudie, die das „NewClimate Institute“ im Auftrag von Greenpeace erstellt hat. Die Experten haben die zentrale Übereinkunft des UN-Klimagipfels von Paris aus dem Dezember 2015 einfach mal für bare Münze genommen und durchgerechnet.

Demnach soll der globale Temperaturanstieg bis 2100 „gut unter 2 Grad Celsius“ gehalten werden, angepeilt werden 1,5 Grad. Immerhin sind bereits etwa 1 Grad Erwärmung erreicht, und schon die 2-Grad-Grenze gilt international als ehrgeizig. 1,5 Grad sind so schwer zu erreichen, dass es bisher dazu kaum Studien gibt.

Die Untersuchung des renommierten NewClimate Institute zeigt, dass dafür in Deutschland drastische und sofortige Einschnitte bei den Treibhausgasemissionen nötig sind. Sie werden noch einmal heftiger, wenn die umstrittene CCS-Technik ausgeschlossen wird, mit der Treibhausgase gespeichert werden sollen. CCS erscheint bisher weder technisch noch wirtschaftlich machbar. Die 1,5 Grad werden demnach nur erreicht, wenn bis 2035 weltweit alle CO2-Emissionen aus Kraftwerken, Fabriken und Autos, aber auch aus Landwirtschaft und Abholzung aufhören, in den Industrieländern schon früher.

Ökostrom, ÖPNV, Fahrrad

Für Deutschland bedeutet das: 100 Prozent erneuerbare Energie bis 2035 und „Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle zur Stromerzeugung bis etwa 2025“. Der Autoverkehr müsse pro Jahrzehnt um etwa 10 Prozent abnehmen und auf öffentlichen Verkehr und Fahrräder verlagert werden.

Alle Gebäude müssten bis 2035 saniert und wärmegedämmt werden, das Tempo dieser Sanierung müsse sich verfünffachen. Energie müsse wesentlich effizienter eingesetzt, die Forschung dazu ausgebaut und viele Prozesse, die jetzt noch Kohle, Gas und Öl bräuchten, auf Ökostrom umgestellt werden. Auch die Land- und Forstwirtschaft dürfe bald keine Treibhausgase mehr ausstoßen.

So ganz wohl ist Greenpeace nicht angesichts dieser Herausforderungen.

Große Ziele, „aber nicht unmöglich“, sagte Niklas Höhne von NewClimate. Auch der Ausbau der Erneuerbaren sei deutlich schneller gegangen als geplant. So ganz wohl ist Greenpeace nicht bei diesen Herausforderungen. Die Studie sei „eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme“, sagte Böhling. „Greenpeace leitet daraus heute noch keine neuen Forderungen ab.“ Historisch werde der Pariser Vertrag aber, wenn er umgesetzt werde.

Für die klimapolitische Sprecherin der grünen Fraktion Annalena Baerbock sind „2-Grad-Szenarien Schnee von gestern“. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung müssten sich deutlich niedriger orientieren. Derzeit beginnt im Bundesumweltministerium die Arbeit am neuen Klimaschutzplan, der im Sommer im Kabinett verabschiedet werden soll. Er soll festlegen, wie der Pariser Vertrag umzusetzen ist.

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8 Kommentare

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  • Ökokapitalismus funktioniert nicht, wie wir seit 30 Jahren beobachten können.

    Denken Sie sich was Neues aus.

  • Was ist "Ökoenergie"? Ein Kachelofen hält locker 50 Jahre - auch 100, wenn´s sein muß. Wenn er ausgedient hat, sind lediglich Keramik und Eisen zu entsorgen.

     

    Wie lange hält eine Solarzelle? Wo tut man ihre Problemabfälle hin? Wieviel Energie kostet das Recycling? Wie umweltfreundlich ist der Abbau von Bauxit für die 10% Alubestandteile?

  • Ich finde es spannend, dass sich die Umweltschützer auf fossile Engergieträger eingeschossen haben.

    Der größte Übeltäter ist aber die Nutztierhaltung.

    https://www.youtube.com/watch?v=Q6ktW_0zzG8

    owspiracy: The Sustainability Secret ist ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 2014, produziert von Kip Andersen und Keegan Kuhn, die zugleich als Produzenten auftraten. Der Film behandelt den Einfluss der Viehwirtschaft auf die Umwelt. Kernaussage des Filmes ist, dass die weltweite Fleisch- und Fischindustrie einen weit größeren Einfluss auf Klima und Umwelt schädigended Treibhausgase hat, als sämtliche anderen Abgasemissionen zusammengenommen. Dennoch findet diese bemerkenswerte Tatsache kaum oder gar keine Beachtung bei führenden Umweltorganisationen. Die Standpunkte von Umweltorganisationen zu diesem Thema werden explizit beleuchtet, darunter Greenpeace, Sierra Club, Surfrider Foundation und Rainforest Action Network.

  • Weniger Waren um des Absatzmarkts willen produzieren, mehr Sammeltaxis - 7Sitzer mit Ladefläche, viele Haltestellen - und damit den Individualverkehr ersetzen.

    Keine Autos verkaufen dürfen.

    Reduktion auf Bedürfnisse.

    • @nzuli sana:

      Ist es besser, wenn tausende von Siebensitzern außerhalb der Stoßzeiten ununterbrochen leer bis fast leer durch die Gegend brausen?

  • Und die AfD leugnet den Klimawandel. Es scheint so, als ob man dort das 2-Grad-Ziel als "mindestens 2 Grad" missversteht. Das kann ja heiter werden. Mal sehen, ob wir 10 Grad hinbekommen. Vielleicht bekommen wir hier auch ein Klima wie auf der Venus.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Ich erinnere mich bei solchen Anlässen immer gerne an die Zeit vor 25 Jahren, wie Greenpeace die Kampagne "Autofreie Innenstadt" gekickt hat. Gab einen kleinen Zielkonflikt wegen der Spender, die ja nun mal alle auch Autofahrer waren. Da seitdem das ökologische Bewusstsein Jahr um Jahr gewachsen ist, klingt "Ökostrom, ÖPNV, Fahrrad" heute natürlich wie Bach in meinen Ohren. Hätte mir als Jugendlicher jemand gesagt, dass in 25 Jahren die Leute mit dem Auto zum Joggen fahren, ich hätte denjenigen für einen rückständigen Trottel gehalten. Heute bin ich der rückständige Trottel. Mit Fahrrad, ÖPNV und Ökostrom. Also in 25 Jahren dann wahrscheinlich wieder voll auf der Welle surfend.

  • Genauso war es vorhersehbar. Jetzt also mit ersten Zahlen.

    Alternativ und ergänzend wäre eine drastische Reduktion des Energieverbrauchs. Aber wer will schon den Lebensstil freiwillig ändern? Konsequenz? Es wird nicht funktionieren, nicht in dem Zeitrahmen.