Beginn des Wirecard-Prozesses: Die Politik schläft weiter
Genauso wichtig wie die juristische Aufarbeitung wäre es, die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik transparenter zu machen.
D ass zweieinhalb Jahre nach dem Auffliegen die juristische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals vor dem Landgericht München begonnen hat, ist erfreulich. Es ist an der Zeit, eines der größten Wirtschaftsverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik endlich juristisch aufzuarbeiten.
Die Hoffnung ist groß, dass das Gericht aufklären kann, wie es einem im DAX gelisteten Unternehmen gelingen konnte, im großen Stil zu betrügen und einen Milliarden-Schaden zu verursachen. Doch bei der Verhandlung geht es nur um die strafrechtlichen Folgen. Die erforderlichen politischen Konsequenzen werden weiterhin nicht gezogen. Das ist fatal.
Betrugsfälle wie die bei Wirecard können sich wiederholen. Denn weder die alte Bundesregierung mit dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz noch die neue mit dem zum Bundeskanzler aufgestiegenen Sozialdemokraten haben ausreichende Lehren aus dem Fall gezogen. Wirtschaftsprüfungsfirmen wie EY, die bei Wirecard komplett versagt hat, haben weiterhin eine ungeheure Macht, werden aber selbst nur unzureichend kontrolliert. Die Finanzindustrie prüft sich nach wie vor weitgehend selbst.
Manager von Wirecard haben über viele Jahre gelogen und betrogen, Gewinne und Geschäfte vorgetäuscht. Den Wirtschaftsprüfern ist das nicht aufgefallen, obwohl es zahlreiche Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab. Als ein renommierter Finanzjournalist die Machenschaften aufdeckte, gingen die Behörden dem Verdacht nicht nach – im Gegenteil.
Die Finanzaufsicht BaFin zeigte den Journalisten sogar noch wegen versuchter Marktmanipulation an und stellte sich schützend vor Wirecard. Zwar musste der damalige Chef Felix Hufeld gehen. Aber strukturell hat sich seitdem zu wenig geändert. Noch immer fehlt eine echte Bilanzpolizei, die sich mit forensischen Mitteln selbst einen Überblick verschaffen kann.
Während die Aufsichtsbehörden die Augen verschlossen, heuerte Wirecard Ex-Politiker wie den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und andere mit großer Nähe zur Regierung an, die ihnen einen Draht bis ins Kanzleramt verschafften. Das zeigt: Wer genug investiert, kann sich einflussreiche Fürsprecher:innen leisten, die Türen zu den Schaltstellen der Macht öffnen.
Auch daran hat sich nichts geändert. Der Einfluss von Lobbyist:innen muss aber zurückgedrängt werden. Dafür ist eins wichtig: vollständige Transparenz. Jeder Lobbyisten:innen-Kontakt, jedes Gespräch von Interessenvertreter:innen im Bundeskanzleramt, in Ministerien oder mit Abgeordneten muss sichtbar werden.
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