Begegnung mit einem Zeitreisenden: Hallo, Mensch aus der Zukunft
Weil unsere Autorin Science Fiction schreibt, weiß sie, was zu tun ist, als der Zeitreisende ankopft. Nach den Lottozahlen fragen. Und nach dem Klima.
A ls ich letzte Woche nach einem viel zu langen Gespräch den Telekom-Hausierer an der Wohnungstür abgewimmelt hatte, klingelte es abermals. Es war ein Mann, etwa in meinem Alter mit akkurat gestutztem Vollbart und einem schüchternen Lächeln auf den Lippen.
„Hallo, sind Sie Theresa Hannig?“, fragte er.
„Ja, was möchten Sie?“
„Schön, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Felix. Ich bin ein großer Fan Ihrer Werke und … das klingt jetzt vielleicht etwas überraschend, aber ich bin aus der Zukunft gekommen, um Ihnen bei Ihrer Arbeit zu helfen.“
Ich kannte genug Science-Fiction-Geschichten, um zu wissen, dass Zeitreisenden nur unter einer Bedingung zu trauen war: „Wenn Sie mir die Lottozahlen von morgen korrekt vorhersagen, können Sie übermorgen wiederkommen.“
„Natürlich.“ Er reichte mir einen Zettel, auf dem die sechs Richtigen samt Superzahl notiert waren; außerdem ein weiteres Papier. „Das ist meine Rezension Ihres Romans, den Sie aktuell schreiben, damit Sie wissen, dass ich mit Ihrer Arbeit vertraut bin“, sagte er und lief die Treppe hinab. Ich faltete das Papier auseinander und las staunend die Rezension eines Buchs, das erst in einem Jahr veröffentlicht werden würde. Sofort kaufte ich einen Lottoschein.
Theresa Hannig, 39, ist Science-Fiction-Autorin, Politikwissenschaftlerin, Grünen-Stadträtin und ehemalige Software-Entwicklerin. In ihrer Kolumne spricht sie mit dem Zeitreisenden Felix darüber, welche Lösungen die Menschen in der Zukunft für die Probleme der heutigen Zeit gefunden haben.
Als Felix zwei Tage später wieder vor meiner Haustür erschien, hielt ich ihm die Gewinnbenachrichtigung unter die Nase. „Was soll das denn?“, fragte ich wütend. „Da hab ich einmal alle Zahlen richtig, aber außer mir gewinnen noch zweihundert andere Leute!“
„Ich konnte nicht zulassen, dass Sie vor lauter Reichtum Ihr Schreiben vernachlässigen. Darf in eintreten?“
Ich hatte mittlerweile keine Zweifel mehr, dass er die Wahrheit sagte, also ließ ich ihn hinein.
„Von wann kommen Sie?“
„Aus dem Jahr 2123.“
„Und warum kommen Sie zu mir? Jetzt?“
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
„Weil Sie dringend Hilfe brauchen.“
„Ach ja, wobei?“
„Sie sind dabei, den Glauben an die Zukunft zu verlieren. Sie möchten positive Zukunftsentwürfe erzählen, aber Sie fürchten, dass wir es nicht mehr rechtzeitig schaffen, dass die Zeit zu knapp wird. Ich bin hier, um Sie zu beruhigen. Seien Sie versichert: Wir kriegen das einigermaßen hin.“
„Könnten Sie da etwas konkreter werden?“, fragte ich und klappte meinen Laptop auf. „Natürlich, und wo wir schon dabei sind, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie den Sponsor meiner Reise erwähnen könnten: Delodor. Denn nur Delodor verhindert zuverlässig die Geruchsbildung bei gleichzeitiger Förderung der Schwitzaktivität.“
„Wie bitte?“
„Sie haben doch gefragt, wie wir das mit dem Klima hinbekommen haben. Nun, ein wichtiger Aspekt ist die Anpassung an extremere Lebensumstände. So haben wir zum Beispiel durch Gen-Editing dafür gesorgt, dass die Menschen wesentlich mehr schwitzen als früher, um in den heißen Sommermonaten länger kühl zu bleiben. Die Therapiekosten werden zum Großteil vom Unternehmen Delodor erstattet, die auch ein entsprechendes Deo anbieten, damit wir zwar schwitzen, aber nicht stinken. Clever, umweltfreundlich, zukunftsorientiert. So sieht Wirtschaftswachstum in Zeiten des Klimawandels aus.“
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