Positiv bleiben trotz Krisen: Berufsoptimistin ist ein harter Job

In krisenreichen Zeiten fällt es schwer, hoffnungsvoll zu sein. Dabei ist alles eine Frage der Perspektive, findet unsere Autorin.

Auf den vier Fingerkuppen einer Hand kleben Smileys

Optimistisch zu bleiben ist in krisenreichen Zeiten nicht einfach Foto: Michael Bihlmayer/imago

Wenn ich die Nachrichten oder meine Social-Media-Feeds ansehe, fühlt es sich oft an, als sei der Weltuntergang ganz nah. Klimawandel, Krieg, Rechtsruck. Die Zukunft ist bedrohlich. 2019 hatte ich schon mal so ein Gefühl des kurz bevorstehenden Untergangs. Und weil es niemanden gab, der mir einen positiven Ausblick verschafft hätte, kümmerte ich mich selbst darum. Ich kombinierte all die guten Ideen, die ich in Studium, Arbeit und Literatur erfahren hatte, und schrieb eine Utopie. Meine Utopie: Pantopia.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In ihr entsteht die starke künstliche Intelligenz „Einbug“. Einbug begreift schnell, dass er, um zu überleben, nicht nur die Menschen besser kennenlernen, sondern auch die Welt verändern muss. Deshalb gründet er zusammen mit seinen Pro­gram­mie­re­r*in­nen die Weltrepublik Pantopia, in der alle Menschen gleich, frei und nachhaltig leben können.

Ab und zu bekomme ich E-Mails von Menschen, die das Buch gelesen haben. Sie erzählen mir von der Hoffnung, die ihnen der Roman geschenkt hat. Das sind ganz besondere Briefe für mich, denn sie zeigen mir, dass sich die Gefühle, die ich beim Schreiben hatte, übertragen.

Algorithmen ziehen uns in eine Negativ-Blase

Der Wunsch nach einer gerechteren Welt, das Bedürfnis, selbst zur Veränderung beizutragen und die Vorfreude auf das Leben in einer Gesellschaft, die all das geschafft hat. Durch das Buch bin ich zur Utopie-Verantwortlichen geworden. Ich bin nun quasi Berufsoptimistin und werde immer wieder beauftragt, auf Podien positive Zukunftsentwürfe zu entwickeln.

Das Problem ist nur: Seit ich Pantopia geschrieben habe, sind drei Jahre vergangen und meine eigene Aufbruchstimmung hat sich verflüchtigt. Schlimmer noch: Das Buch, das ich aktuell schreibe, hat eine düstere, aggressive Stimmung, und um diese Stimmung herbeizuführen, muss ich mich mit Inhalten befassen, die mich selbst emotional mitnehmen. In einer solchen Situation den Schalter umzulegen und wieder positive Zukünfte zu ersinnen, fällt mir schwer.

Ich weiß, dass es vielen ähnlich geht: Wir versinken immer tiefer in schlechten Nachrichten, weil die Algorithmen dafür sorgen, dass wir mehr von dem sehen, was uns aufregt, nicht mehr von dem, was gut für uns wäre.

Dabei müssen wir uns klar sein, dass nahezu alles, was von Nachrichtenredaktionen als berichtenswert ausgesucht wird, Ausnahmen sind! Über die meisten gewaltlosen und erfolgreichen Versammlungen, Beziehungen, Polizeikontrollen und Kompromisse lesen wir nichts. Das, was gut funktioniert, nehmen wir als selbstverständlich hin, anstatt es zu feiern.

Gute Nachrichten findet man überall

Ich denke an die Beispiele, die ich in den letzten Wochen und Monaten kennenlernen durfte: Das sind Start-ups, die müllfreie Einwegverpackungen anbieten; Wissenschaftler*innen, die plastikzersetzende Enzyme entwickeln; Ehrenamtliche, die Software für Schü­le­r*in­nen verbessern; Rentner*innen, die für sichere Radwege im Stadtverkehr kämpfen, oder ehemalige Karrieristen, die auf Altenpfleger umschulen.

Wenn ich auf diese Ebene blicke, dann sieht es ziemlich gut aus. Dann kommen doch 30-mal mehr Menschen zur Demo gegen Rechtspopulismus als zur Kundgebung der Hetzer. Menschen, die etwas verändern wollen, wird oft erwidert: „Aber das ist doch utopisch!“ Ich würde mich freuen, wenn dieser Ausspruch in Zukunft nicht mehr abwertend, sondern anerkennend gemeint ist. Denn die Utopie entsteht erst im Kopf. Und dann verändert sie uns.

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