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Bebauung des Tempelhofer FeldesSchwarz-rote Felderwirtschaft

Verbände und Initiativen kritisieren die von CDU und SPD beschlossene Änderung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes als Einfallstor für eine Randbebauung.

Auch auf dem versiegelten Vorfeld des Flughafengebäudes wäre eigentlich noch viel Platz für neue Geflüchtetenunterkünfte Foto: Imago/Schöning

Berlin taz | Der Umwelt- und Naturschutzverband BUND Berlin hat mit scharfen Worten auf die vom Abgeordnetenhaus beschlossene Änderung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes reagiert. „Ohne Not sucht die Berliner Regierungskoalition mit der heute beschlossenen Änderung des Tempelhof-Gesetzes den Konflikt mit der Stadtgesellschaft“, sagt BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser.

Am Donnerstag hatte das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition die Gesetzesänderung durchgewunken. Damit können zum einen die für die Unterbringung von Geflüchteten bereits aufgestellten Container vor dem Ex-Flughafengebäude bis 2028 stehen bleiben. Zum anderen ist der Weg frei, die seit 2017 genutzte Fläche des Vorfeldes deutlich zu vergrößern und mit weiteren temporären Unterkünften zu bebauen.

Die Gesetzesänderung war nötig, weil das im Mai 2014 per Volksentscheid beschlossene Gesetz eine Bebauung des Tempelhofer Feldes faktisch ausschließt. Auch die Errichtung der derzeitigen Tempohomes wäre ohne eine Änderung nicht möglich gewesen. Diese befristete Regelung von 2016 ist inzwischen ausgelaufen – auch deshalb wurde dies nun gesetzlich neu fixiert, eine Erweiterung der zu bebauenden Fläche gab es dann gleich obendrauf.

Bisher leben auf dem Areal des früheren Flughafens Tempelhof rund 2.300 Geflüchtete, darunter gut 1.400 im Bereich der Hangars und 850 in einem Containerdorf auf dem Tempelhofer Feld nebenan. Die Kapazitäten in der Großunterkunft sind damit nahezu ausgereizt. „Wir brauchen weitere Plätze“, hatte Senatschef Kai Wegner (CDU) erst am Dienstag erklärt. Nach seiner Einschätzung muss Berlin in diesem Jahr mit 15.000 bis 20.000 weiteren Geflüchteten rechnen. Diese müssten auch untergebracht werden.

Konzeptionslosigkeit bei der Flächennutzung

BUND-Geschäftsführer Tilman Heuser kritisiert, dass das Gesetz zum Schutz des Tempelhofer Feldes geändert worden sei, bevor überhaupt ein Konzept für die Nutzung der zusätzlichen Flächen für die Unterbringung von Geflüchteten entwickelt worden ist. „Der Senat hat sich vom Abgeordnetenhaus den Freifahrtschein geholt, um sich nicht den Kopf zerbrechen zu müssen, wie vor allem das Flughafengebäude und das 23 Hektar große versiegelte Vorfeld genutzt werden können“, so Heuser.

Für den BUND verstärke sich der Eindruck, dass der Hauptzweck der Gesetzesänderung darin liegt, die gesetzlich bislang untersagte Randbebauung des Tempelhofer Feldes mit Wohnungen vorzubereiten. Die Initiative 100 % Tempelhofer Feld sprach mit Blick auf den Abgeordnetenhausbeschluss von einer „Kampfansage an die Stadt“. Seitdem CDU und SPD die Stadt regieren, hänge „über Berlin nur noch ein Banner: die Stadt als Beute“.

Auch die Linke warf CDU und SPD in den vergangenen Monaten wiederholt vor, mittels einer „Salamitaktik“ immer mehr Flächen für zunächst nur befristete Bebauungen freizugeben, um später durch die Hintertür die Interessen von Immobilieninvestoren zu bedienen.

Die Koalition streitet einen Zusammenhang zwischen der Erweiterung der Flächen für Geflüchteten-Container und einer dauerhaften Randbebauung ab und verweist darauf, dass die jetzt beschlossene Regelung ohnehin nur bis Ende 2028 befristet ist. Gleichwohl trommelt Schwarz-Rot seit langem für den Bau von bis zu 5.000 Wohnungen an den Rändern des Feldes.

Begründet wird das Vorhaben mit der Wohnraumknappheit in der Stadt. Kri­ti­ke­r:in­nen halten der Koalition freilich vor, dass Berlin bei der Schaffung von neuem Wohnraum weniger ein Platz-, sondern vielmehr ein Umsetzungsproblem hat. (mit dpa)

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5 Kommentare

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  • "Kri­ti­ke­r:in­nen halten der Koalition freilich vor, dass Berlin bei der Schaffung von neuem Wohnraum weniger ein Platz-, sondern vielmehr ein Umsetzungsproblem hat".- das sehe ich aber ehrlich genauso. Allein in meiner Gegend gibt es mehrere Industriebrachen die teilweise bereits Jahrzehnte nicht genutzt werden. Ich bin selber kein Fan vom Enteignen aber in solchen Fällen finde ich es angebracht und für das Allgemeinwohl vertretbar. Ist ja nicht so als wenn der Besitzer leer ausgeht- Abfindung fertig. In der Ruschestraße/ Ecke Frankfurter Alle steht seit zig Jahren ein riesen Bürogebäude leer. Dieses wurde in der Flüchtlingskrise 2015 einige Monate für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt und soweit ich gehört hatte sogar extra Duschen auf jede Etage eingebaut, auf dem Hinterhof befindet sich sogar noch ein Gebäude das als Kantine genutzt wurde, als das Gebäude noch von der DB angemietet wurde Jahre davor. Mal abgesehen davon das sich dort noch ehemalige Stasigebäude in dem gleichen Carée befinden die ebenfalls seit Jahrzehnten leer stehen. Und wenn keine Flüchtlingsunterkunft, wieso nicht ein Studentenwohnheim auch die brauchen günstigen Wohnraum.



    Hinzu kommt das wenn ich zum Beispiel an die Rummelsburger Bucht und andere Ecken schaue, wo in den letzten Jahren gebaut wurde, viele Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, 4-stöckige oder maximal 6-stöckige Wohngebäude gebaut worden sind und das in Gegenden wo drum herum Wohnhäuser mit 10/ 12 Etagen stehen und eine höhere Bebauung möglich gewesen wäre. Der Platz wird einfach nicht vernünftig genutzt. Reihenhäuser gehören vielleicht in die Vororte aber nicht in die City wo der Platz eh knapp ist.

  • Naja, wenn man eine Salamitaktik vorwerfen wollen würde, dann geht die ja zurück ins Jahr 2016, mit der ersten gesetzlichen Ausnahmengenehmigung.

    • @DiMa:

      gemeint ist die salamitaktik desjenigen senates, der sich für eine randbebauung starkmacht. dem senat von 2016 eine salamitaktik vorzuwerfen wäre deshalb absurd, denn er war ja gegen eine randbebauung.

      • @Pflasterstrand:

        Der neue Senat braucht keine Salamitaktik, den er hat ja bereits von Anfang an klar gemacht, wo die Reise unlängst hingeht. Da ist also kein Platz für eine Salamitaktik.

        • @DiMa:

          Natürlich ist das Salamitaktik. Der jetzige Senat könnte ja einfach, wie Sie selbst an anderer Stelle bereits festgestellt haben, mit einer einfachen Mehrheit im AGH das Gesetz in seinem Sinne ändern. Tut er aber nicht, weil er dafür einfach nicht den nötigen Mumm hat, und – angesichts von zig anstehenden realen Quartiersentwicklungen, die auf Umsetzung warten und nicht umgesetzt werden – vermutlich auch nicht den erforderlichen Rückhalt.

          Ist halt reaktionäre schwarz-rote Symbolpolitik aus dem fossilen Zeitalter.