Debatte zum Tempelhofer Feld: Wer nicht fragt, bleibt dumm

CDU und SPD drängen im Parlament auf schnellen Ideenwettbewerb. Wie Berlin am Ende über eine Randbebauung abstimmen soll, ist weiter offen.

Das Foto zeigt Besucher des Tempelhofer Felds im Gras sitzend in der Abendsonne.

Das Tempelhofer Feld zieht angeblich jede Woche rund 200.000 Besucherinnen und Besucher an Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Es soll jetzt offenbar schnell gehen in Sachen Tempelhofer Feld. „Unverzüglich“, so fordern die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD am Donnerstag ihren eigenen Senat auf, soll ein Ideenwettbewerb für „eine behutsame Randbebauung“ starten. Und teilnehmen soll nicht einfach irgendwer – nein, „die besten Architekten der Welt“ müsste man dazu nach Berlin einladen, ist im Landesparlament vom CDU-Abgeordneten Christian Gräff zu hören.

Eine „Farce“, mehr können die Grünen in diesem Antrag nicht erkennen. Für die Linksfraktion ist er „eine Frechheit“. Denn so etwas hat der Senat zumindest in groben Zügen längst angekündigt. Zum anderen ist unklar, wie das mit den gleichfalls vorgesehenen Werkstätten mit zufällig ausgewählten Berlinern (siehe Text unten) zusammenpassen soll. „Sie haben sich auf eine Bebauung festgelegt und verstoßen damit gegen den Volksentscheid und das THF-Gesetz“, wirft der Grünen-Abgeordnete Julian Schwarze der Koalition vor. Die AfD gibt sich am Rednerpult als Gralshüterin der direkten Demokratie: „Der Souverän hat entschieden, und das gilt es zu respektieren.“

Das THF-Gesetz ist die Rechtsvorschrift, die den ehemaligen Flugplatz seit dem erfolgreichen Volksentscheid von 2014 vor jeglicher Bebauung schützen soll. Soll, weil das Abgeordnetenhaus das Gesetz bereits zweimal leicht verändert hat, um dort Unterkünfte für Flüchtlinge zu ermöglichen.

Für den Grünen Schwarze braucht es das Feld trotz aller Wohnungsnot grundsätzlich nicht als Bauland: „Berlin hat kein Flächen-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Dabei bezieht er sich auf neueste Pläne, wonach es stadtweit Platz für rund 250.000 Wohnungen gibt. 60.000 davon seien sogar schon genehmigt, aber eben nicht gebaut. 5.000 neue Wohnungen auf dem Tempelhofer Feld, die frühestens in zehn Jahren fertig seien – „wie sollen die das Wohnungsproblem lösen, das Berlin jetzt hat?“

SPD betont: Nur Pläne für Randbebauung

Mathias Schulz von der mitregierenden SPD sieht das anders und legt Wert darauf, dass man nur den Rand bebauen wolle. „Worüber wir nicht sprechen, ist eine Bebauung des Grünraums in der Mitte.“ Was weder bei ihm noch bei CDU-Mann Gräff vorkommt: das auch im schwarz-roten Koalitionsvertrag festgehaltene Versprechen, dass es eine Randbebauung nur gibt, wenn sich bei einer neuen berlinweiten Abstimmung eine Mehrheit dafür ausspricht. Nur per Parlamentsbeschluss, so bislang der Tenor, sollte es dazu nicht kommen.

Hat sich das etwa geändert? Nein, sagen im Foyer des Parlaments Gräff und Finanzsenator Stefan Evers auf taz-Nachfrage: Weiter soll die Bebauung an einer wie auch immer gestalteten Befragung hängen, der ein konkreter Entwurf zugrunde liegt. Laut Evers hat das in den Reden keine Rolle gespielt, weil es „selbstverständlich“ sei.

Die Form dafür ist allerdings weiter völlig offen. „Berlin fehlt es nach wie vor an Instrumenten, um erneut zu einer Abstimmung zu kommen“, stellt auch der Verein Mehr Demokratie am Donnerstag fest. Er schlägt ein „fakultatives Referendum“ vor: Dabei würde das Abgeordnetenhaus das Gesetz ändern, und in einem auf wenige Monate verkürzten Verfahren gäbe es einen erneuten Volksentscheid darüber. Das ist etwa in Hamburg schon möglich. Im normalen Verfahren können in Berlin bis zu einem Volksentscheid mehrere Jahre vergehen.

Streit über die Form einer Befragung

Der SPD-Fraktion schwebte bei ihrer Klausur im Januar anderes vor: Das Parlament soll vielmehr das Recht bekommen, einzelne „zu bestimmende, zu seiner Zuständigkeit gehörende Fragen einem Volksentscheid zu unterbreiten“. Eine Verfassungsänderung – für die Schwarz-Rot nicht die nötige Zweidrittelmehrheit hat – ist aus Sicht der SPD-Fraktion nicht nötig. Sie bezieht sich dabei auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes.

In der Opposition bestreitet man das und hielte eine Verfassungsänderung für nötig. In Hamburg kann das Landesparlament solche Befragungen bereits auf den Weg bringen – 2015 scheiterte auf diese Weise dort eine Olympia-Bewerbung. In Hamburg ist diese Möglichkeit, anders als in Berlin von der SPD angestrebt, in der Verfassung verankert.

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