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Bauernverband zum Agrarpaket der AmpelUnverschämte Forderungen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Es lässt sich nicht rechtfertigen, dass die Ampel den Bauern nochmal Millionen Euro an Steuern erlassen will. Sie muss gegen Tierquälerei vorgehen.

Cottbus, Brandenburg, 26. Juni: Bauernpräsident Joachim Rukwied posiert neben einem Traktor Foto: Patrick Pleul/dpa

D ie Reaktion des Bauernverbands auf die von der Ampelkoalition vereinbarten Entlastungen für die Landwirtschaft ist unverschämt. Der Bund schenkt der Branche wieder einmal Millionen, obwohl er wegen der Schuldenbremse fast überall spart. Diesen Realitäten zum Trotz forderte Verbandschef Joachim Rukwied auf dem Bauerntag noch mehr Privilegien.

Dabei kommen SPD, Grüne und FDP den Landwirten mit ihrem „Agrarpaket“ schon zu weit entgegen. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass Bauern künftig weniger Einkommensteuer zahlen müssen, wenn ihre Gewinne über drei Jahre hinweg schwanken. Die FDP begründet das damit, dass die Landwirtschaft ja besonders dem Wetter ausgesetzt sei. Solche Schwankungen betreffen aber auch andere Branchen wie den Tourismus und große Teile der Gastronomie. Soll der Bund jetzt auch für diese Branchen die Steuern senken?

Die deutsche Landwirtschaft erhält bereits rund 9 Milliarden Euro pro Jahr von EU und Bund in Form von Finanzhilfen und Steuererleichterungen. Dabei beschäftigt diese Branche nur rund 1 Prozent der Erwerbstätigen.

Traktoren vom Wert einer Viertelmillion

Die meisten Bauern haben Vermögen in Form von Grund und Boden, von denen Normalbürger nur träumen können. Zu ihren Einkommen gibt es keine zuverlässigen Zahlen, weil in den Statistiken oft wichtige Einnahmequellen wie Photovoltaikanlagen fehlen. Aber wer mit 250.000 Euro teuren Traktoren in Berlin demonstrieren kann, wird nicht am Hungertuch nagen.

Dass immer wieder Betriebe aufgeben, gehört zum Wettbewerb im Kapitalismus. Die Ernährungssicherheit ist dadurch nicht gefährdet, denn wenn ein Hof schließt, fällt sein Land keinesfalls brach, sondern wird von anderen Betrieben übernommen.

Die Ampel sollte deshalb den Bauern nicht weiter nachgeben und nicht wie von Rukwied gefordert etwa auf ihre Reform des Tierschutzgesetzes verzichten. Damit würde sie in zehn Jahren verbieten, Tiere das ganze Jahr über anzubinden. Diese Qual erleiden immer noch 10 Prozent aller Rinder in Deutschland. Dass Rukwied das nicht verboten sehen will, sagt viel über seinen moralischen Kompass aus.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.