Bauernführer über Reform der Tierhaltung: „Müssen den Grünen Druck machen“

Agrarminister Cem Özdemir habe noch nicht erklärt, wie eine bessere Tierhaltung bezahlt werden soll, meint Bauernführer Schulz. Am Samstag demonstriert er.

Saugferkel stehen auf Plastikmatten in einem gekachelten Schweinestall

Auch sie sollen bald besser gehalten werden: Ferkel in einem konventionellen Stall Foto: Countrypixel/imago

taz: Herr Schulz, Sie wollen am Samstag mit anderen Bauern auf Traktoren vor dem Bundesagrarministerium in Berlin demonstrieren. Dieses wird ja seit ein paar Wochen von Cem Özdemir geführt, einem Mitglied der Grünen, die den Bioverbänden und Ihrer Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der AbL, nahestehen. Warum müssen Sie da überhaupt noch auf die Straße gehen?

Martin Schulz: Im Vertrag der Ampelkoalition ist zu den beiden wichtigsten Konzepten vor allem für den Umbau der Tierhaltung nichts zu lesen. Wir müssen auch den Grünen Druck machen, dass die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission umgesetzt werden.

Was will die Borchert-Kommission, in der Experten, Beamte und Verbandsvertreter mitgearbeitet haben?

Ihr Plan sieht vor, dass es Prämien für die landwirtschaftlichen Betriebe gibt, wenn sie Ställe Richtung Tierwohl umbauen. Je höher die Anforderungen an die Tierhaltung, desto höher die Zahlungen.

46 Jahre, ist Co-Bundes­vorsitzender der Arbeits­gemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Die Trecker­aktion am Samstag in Berlin ersetzt die „Wir haben es satt“-Großdemo, die wegen der Coronapandemie abgesagt worden ist.

Özdemir hat doch schon angekündigt, dass er höhere Erzeugerpreise, mehr Tierschutz und mehr Bio will. Was fehlt?

Vor allem die Finanzierung. Die Borchert-Kommission hat drei Möglichkeiten geprüft: eine Mehrwertsteuererhöhung von 7 auf 19 Prozent für Fleisch, eine neue Verbrauchsteuer auf Fleisch oder eine höhere Einkommensteuer. Favorisieren würde ich die Verbrauchsteuer, aber die ist wohl nicht so einfach einzutreiben, weil das dann bei jedem passieren müsste, der mit Fleisch handelt. Da wäre die höhere Mehrwertsteuer einfacher.

Die Koalitionspartnerin FDP ist gegen Steuererhöhungen. Warum haben Sie trotzdem Hoffnung auf höhere Steuern für mehr Tierschutz?

Weil das Borchert-Konzept von ganz unterschiedlichen Interessengruppen getragen ist, auch von Verbänden, die der FDP sehr nahe sind. Es wäre nicht das erste Mal, dass es im Wahlkampf ein Versprechen gab, keine Steuern zu erhöhen, und dann im Verlauf der Legislaturperiode doch die eine oder andere Steuer erhöht worden ist, einfach weil es sinnvoll ist und, wie in diesem Fall, ja auch von der Gesellschaft gefordert wird.

Warum sollten die Verbraucher dafür zahlen, dass Landwirte Tiere ordentlich halten?

Die Gesellschaft möchte, dass Tiere anders gehalten werden.

Warum nicht mehr Tierschutz vorschreiben, ohne den Bauern dafür Geld zu geben?

Die Stallplätze für Schweine, die hier abgebaut werden, werden in Spanien wieder aufgestockt. Dann kommt das Fleisch aus anderen Ländern, wo die Tiere nicht besser gehalten werden, und wir verlieren die eigene Landwirtschaft. Dann ist dem Tierschutz auch nicht geholfen.

Was sagen Sie zu der Kritik, dass der Plan der Borchert-Kommission viel zu langsam und zu lasch sei?

Diese Einwände stimmen nicht. Bis 2030 müssen alle konventionellen Ställe für Mastschweine 20 Prozent mehr Platz als jetzt, Ruhebereiche und organisches Beschäftigungsmaterial wie Stroh haben. Bis 2040 sollen sogar über 40 Prozent mehr Platz, weiche Liegeflächen statt Betonböden, Außenklimabereiche und intakte Ringelschwänze vorgeschrieben sein.

Wie soll die Tierhaltung laut Borchert noch aussehen?

Grundlage ist die geplante staatliche Kennzeichnung etwa von Fleisch, die zeigt, wie die Tiere gehalten wurden. Stufe 1 verlangt für Schweine 20 Prozent mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben, Beschäftigungsmaterial und Buchten, die teilweise keine Lücken im Boden haben. Durch diese Lücken fallen die Fäkalien. Stufe 2 hat über 40 Prozent mehr Platz und zum Beispiel auch Zugang zum Außenklima und die Schwänze dürfen nicht gekürzt werden. Das ist schon relativ anspruchsvoll. Stufe 3 fordert sogar Auslauf und Stroheinstreu und doppelt so viel Platz. Das ähnelt dem Bio- oder dem Neuland-Siegel.

Drohen die Borchert-Pläne überholt zu werden durch Gerichtsurteile für mehr Tierschutz?

Das Risiko hat man immer. Das Land Berlin klagt ja vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Vorschriften für die Schweinehaltung. Wenn es recht bekommt, müssen wir neu diskutieren.

Der Bauernverband und andere von der Agrarindustrie beherrschte Verbände befürworten Borchert. Ist das ein Zeichen dafür, dass das Konzept nicht im Interesse der Bauern und Tiere ist?

Ich bin selber Mitglied der Borchert-Kommission. Der Bauernverband hatte anfangs dagegen gewettert. Aber irgendwann hat er verstanden, dass man sich nicht gegen mehr Tierschutz stemmen kann – auch wegen der zu erwartenden Gerichtsurteile.

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