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Batteriehersteller VartaRestrukturierung auf Schwäbisch

Der Batteriehersteller Varta aus Baden-Württemberg steht kurz vor der Insolvenz. Die E-Auto-Sparte läuft nicht nach Plan.

Ellwangen, 20. Juli: dunkle Wolken über der Zentrale des Batterieherstellers Varta Foto: Stefan Puchner/dpa

Berlin taz | Um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwehren, hat der Batteriehersteller Varta am Montag beim Amtsgericht Stuttgart ein vorinsovenzliches Sanierungsverfahren angemeldet. Zuvor gab das angeschlagene Unternehmen aus Baden-Württemberg bekannt, sich im Zuge eines Sanierungsverfahrens von großen Teilen seiner Schulden befreien zu wollen.

Mit Verbindlichkeiten im Wert von knapp 500 Millionen Euro ist Varta hoch verschuldet. Deswegen appelliert das Unternehmen nun an seine Gläubiger: Sie sollen dem Unternehmen einen Teil der Schulden erlassen. In der Hoffnung, dass die Gläubiger das auch machen, forciert Varta eine groß angelegte Restrukturierung. Diesem Plan zuzustimmen wäre für die Gläubiger besser als die Firma in die Insolvenz abdriften zu lassen, so das Argument.

Doch um weiterhin zahlungsfähig zu bleiben, braucht Varta eine ordentliche Finanzspritze. Knapp 100 Millionen Euro seien notwendig, sagte der Vorstandschef Michael Ostermann. Als potenzielle Geldgeber kommen derzeit der Luxusautohersteller Porsche und der bisherige Varta-Großaktionär Michael Tojner in Frage.

Ein Porsche-Sprecher bestätigte bereits, dass man Verhandlungen mit Varta aufgenommen habe. Porsche dürfte sich insbesondere für die Varta-Tochter V4Drive, die die Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos herstellt, interessieren. Bereits vor Bekanntwerden der Schieflage am Sonntag kündigte der Autobauer an, V4Drive von Varta übernehmen zu wollen. „Das Ziel unseres Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten“, bekräftigte ein Porsche-Sprecher gegenüber dem Handelsblatt.

Ak­tio­nä­r*in­nen sollen leer ausgehen

Um dieses Ziel weiterhin zu verfolgen und V4Drive zu retten, müsste sich Porsche eventuell auch an Varta beteiligen. Denn um eine Insolvenz zu vermeiden, müssen Gutachter dem Batteriehersteller eine positive Prognose ausstellen. Und dafür braucht das gesamte Unternehmen, nicht nur V4Drive, das frische Geld.

Das Unternehmen versucht indes seine Kapitalstruktur neu aufzustellen. Um unbelastete Geschäftsanteile zu schaffen, will Varta sein Stammkapital auf null herabsetzen. Dadurch würden die Aktien komplett an Wert verlieren.

Noch am Freitag hatten die Varta-Aktien einen Gesamtwert von 440 Millionen Euro und eine Aktie wurde für 10,32 gehandelt. Am Montagmorgen, nach der Verkündung der Hiobsbotschaft aus Ellwangen, sank der Kurs zwischenzeitlich auf nur 2,20 Euro. Ein dickes Minus von 80 Prozent.

Schon seit einiger Zeit befindet sich das Unternehmen in einer Krise. Zum Beispiel konnte Varta wegen eines Hackerangriffs im Februar seinen Jahresabschluss für 2023 nicht rechtzeitig vorlegen. Die Probleme bei Varta sind aber auch auf eine Reihe von Geschäftsvorhaben zurückzuführen, die sich als Fehlinvestitionen entpuppten. Gerade in der Autobatterie-Sparte verlief nicht alles nach Plan.

Fehlende Planungssicherheit

Nachdem die öffentliche Hand Varta im Jahr 2020 mit 300 Millionen Euro für Projekte rund um Batteriezellen gefördert hatte, kündigte Varta an, eine Produktionsstätte für Lithium-Ionen-Zellen für E-Autos zu bauen. Dem Druck ausgesetzt, Kosten zu senken, entschied sich Varta jedoch zwei Jahre später gegen den angekündigten Neubau. Letztes Jahr kündigte Varta dann an, 800 Arbeitsplätze – fast die Hälfte davon in Deutschland – zu streichen.

Die Probleme bei Varta seien aber nicht nur hausgemacht, sagte IG-Metall-Sprecher Artur Siemens. Den Unternehmen fehle es an Planungssicherheit, um Investitionen zu tätigen und um Investoren anzuziehen. Mit Argwohn beobachtet die Gewerkschaft, dass immer mehr Projekte für Batteriezellproduktionen in Deutschland auf Eis gelegt werden.

„Wir sehen darin auch eine Folge der oft negativen Diskussionen über den Antriebswechsel beim Pkw, die von Politikern immer wieder öffentlich geführt werden,“ so IG-Metall-Sprecher Siemens. Man denke nur an das Hin und Her beim Verbrenner-Aus.

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7 Kommentare

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  • Nun also auch noch Varta, ein weiteres großes deutsches Traditionsunternehmen.

  • Es gibt kein 'Verbrenner-Aus'.



    Nur die Vorgabe, emissionsfrei zu fahren. Wie das erreicht wird ist (technologie)offen.

    • @Anidni :

      Das Aus für den Verbrenner wird der LFP Akku sein. Im PKW Bereich kostet eine kWh in dem Bereich nur noch 122 € und das bei einer Lebensdauer, welche die der meisten Fahrzeuge schon heute bei weitem übertrifft.

      Dass die Preise von E-Autos nicht sinken, liegt in jedem Fall nicht an den Kosten der Batterien.

      Es könnte allerdings eine ziemlich perfide Doppelstrategie der Hersteller dahinter stehen. Denn die Margen für Verbrenner sind dank E-Autos auf Rekordhoch. Warum sollte man da die Preise für E-Autos an die Marktsituation anpassen, wenn man doch den Kunden mit dem Verbrenner so schön schröpfen kann und gerade der deutsche Kunde bettelt ja förmlich darum ausgenommen zu werden?

      Statt über das sogenannte Verbrennerverbot 2035 zu diskutieren, sollten wir 2025 draus machen!

  • Man vergleiche die Zahlen zwischen der Meyer Werft in Papenburg und Varta

    Meyer Werft:



    weltweit 7000 Angestellte (1200 tariflich in D bezahlt) - will 2,700 Millionen vom Staat (385 000 pro Angestellte/r weltweit)



    taz.de/Staatsknete...tschiffe/!6024310/

    Varta: 4500 Angestellte - benötigt 100 Millionen (22 000 pro Angestellte/r)

    Die eine Firma arbeitet an großen CO2 Schleudern, die andere an der Vermeidung von CO2

    Also ich wüßte, wo ich meine Steuergelder investieren würde, wäre ich die Regierung

  • Wie groß ist der Markt für nicht-subventionierte E-Autos in Deutschland? Das dürfte eine recht überschaubare Zahl sein. Das wäre der Markt, auf den man sich einstellt, alles andere ist unredlich. So wie das Vorgehen gegen die Aktionäre. Aber das ist die neue Managerkultur, frei nach "Nieten in Nadelstreifen", nach mir die Sintflut.

    Zum Vergleich bis 2023 betrug die Förderung 10 Milliarden, das hätte dem ÖPNV sehr gutgetan, das andere ist ein Wahlgeschenk, eines auf das sich ein Unternehmen, nicht verlassen kann. Und ohne Förderung, ist ein E-Auto ein Liebhaberstück, wie ein Ferrari.



    Ferraris auf Kosten des Steuerzahlers wollen wir das?

  • Das ist halt das Problem bei politischen Vorgaben für die Wirtschaft, die hoch umstritten und zu weit weg vom Wählerwunsch sind, wie dem Verbrenner-Aus: Jeder weiß da wird sich politisch was ändern, die Versprechungen und Pläne von heute sind unrealistisch, keiner weiß aber was und wann passieren wird. Wer investiert verliert, s. auch e-Mobilität der Autohersteller, also besser den Ball flach halten und sich im Ausland umsehen.

  • Klar werden alle Aktien auf Null gestellt, aber die Großaktionäre bleiben an Bord und deren Anteile werden im Wert wieder steigen, abzüglich der Kapitalspritze bekommen sie alle restlichen Anteile zum Nulltarif. Angeschmiert sind die Minderheitsaktionäre. Dieses neue Sanierungsgesetz ist echt der Knaller.