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Bankenkrise in der SchweizIllusion des sicheren Hafens

Die Krise der Credit Suisse und die Übernahme durch ihre Konkurrentin UBS demaskieren das Geschäftsmodell der Schweiz.

Zürich. Die Schweiz ist die zweitwichtigste Steueroase der Welt Foto: Denis Balibouse/reuters

D ie Schweiz wirkt stabil und reich. Doch plötzlich scheint dieses Bild nicht mehr zu stimmen: Die zweitgrößte Bank, die Credit ­Suisse, musste von der Konkurrentin UBS übernommen werden, um eine Pleite zu verhindern.

In der Schweiz wird dieses Desaster als Staatskrise empfunden. Zu Recht. Die Credit Suisse zeigt, dass das eidgenössische Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Für das kleine Land ist es gefährlich, sich als Steueroase zu inszenieren und weltweit Gelder anzuziehen.

Aber von vorn: Zunächst wirkt die Pleite der Credit Suisse wenig spektakulär, schließlich geraten immer wieder Unternehmen in die Krise. So müssen in Deutschland diverse Filialen der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof schließen, weil sie Verluste schreiben. Ähnlich war es auch im Fall der Credit Suisse: Sie hatte hohe Kosten, aber kein profitables Geschäftsmodell. Der relevante Unterschied ist nur, dass die Bank keine Unterhosen verkauft, sondern mit Geld hantiert – was die Pleite brisant macht.

Der Untergang der Credit Suisse­ war langfristig unvermeidlich. Sie hätte nur überleben können, wenn sie ihre Vermögensverwaltung noch weiter ausgebaut hätte. Doch dieser Markt ist schon gefährlich überdehnt, weil auch alle anderen Schweizer Banken davon leben, internationale Gelder zu betreuen.

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Wichtige Steueroase

Vor der Coronakrise sammelte sich bei den zehn größten Schweizer Banken ein Finanzvermögen von 3,8 Billionen Franken – obwohl die Wirtschaftsleistung des Landes nur bei 717 Milliarden Franken lag. Die Schweiz erinnert an einen riesigen Geldballon, der nur noch mit einer dünnen Leine am Boden verankert ist.

Die Schweiz ist die zweitwichtigste Steueroase der Welt, und Anleger drängen in das kleine Land, weil sie einen „sicheren Hafen“ suchen. Doch dieser Eindruck beruht auf einer Illusion. Da so viele Investoren Franken kaufen, steigt dessen Wert, woraus die Investoren messerscharf schließen, dass der Franken sehr wertvoll sein muss – weswegen sie noch mehr davon kaufen.

In Wahrheit ist der Franken ein Verlustgeschäft. In einem Züricher Restaurant kostet ein schlechtes Kartoffelgratin mit schlechtem Wein 60 Franken. In Berlin wäre das gleiche Essen schon mit 25 Euro zu teuer. Das Schweizer Statistikamt hat genau nachgerechnet: Im Jahr 2021 benötigte man 167 Franken, um einen Warenkorb zu kaufen, der in der EU nur 100 Euro gekostet hätte. Der richtige Wechselkurs wäre also 1,67 Franken für einen Euro gewesen. Stattdessen lagen Franken und Euro fast gleichauf.

Der überbewertete Franken ist eine schwere Bürde für die Schweiz, weil er die heimischen Waren auf dem Weltmarkt zu teuer macht. Von 2012 bis 2021 ist die Schweizer Wirtschaft pro Kopf um 4,5 Prozent gewachsen. Das ist nicht viel für ein Jahrzehnt.

Nur im Ausland reich

Die Schweizer verdienen mit einer Vollzeitstelle im Durchschnitt etwa 6.700 Franken im Monat. Das klingt viel, ist aber nicht viel, weil die Schweiz so teuer ist. „Reich“ sind die Eidgenossen nur, wenn sie die Grenze überqueren und mit ihren Franken im Euro-Ausland einkaufen.

Das Schweizer Geschäftsmodell ist gefährdet: Wichtigstes Exportgut ist der Franken, der völlig überteuert feilgeboten wird. Also darf niemand merken, dass der reale Gegen­wert fehlt. Da stört die Pleite der Credit Suisse­, weil sie die Schweizer Wirtschaft demaskiert. Bisher meiden die Anleger nur die Credit ­Suisse – aber wehe, wenn das die ganze Schweiz trifft.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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3 Kommentare

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  • Bei diesen hohen Zinsen kommen die Banken ihren Aufgaben nicht mehr nach.



    Siehe die Bauwirtschaft hierzulande. So befindet sich z.B. der Aktienkurs der Vonovia (samt Tochter Deutsche Wohnen) im freien Fall. Für eine Weile war er mal um die 55 Euro wert, heute pendelt er unterhalb von 17 Euro. Das Management hat einen Neubaustopp verhängt und will sich auf den Erhalt des Bestands konzentrieren. Alte Schulden müssen bedient werden, neue sollen nicht gemacht werden, während sich die Bauzinsen und Baukosten massiv erhöhen.



    Vermutlich wird Vonovia bald zum Kandidat für entweder Verstaatlichung oder eine Übernahme oder Zerstückelung durch einen Hedgefonds. Was sagen die Expertinnen dazu? (Ich nehme mal an, dass der Wille der Bevölkerung, ausgedrückt in einem erfolgreichen Volksentscheid, weiterhin von SPD und CDU ignoriert wird, obwohl ein niedriger Kurs die Umsetzung des Entscheids ungemein erleichtern würde).

    • @Ataraxia:

      Die Ursache des Problems ist diesmal leider eher der Staat.



      Zinsen sind eigentlich ein marktwirtschaftliches Messinstrument für temporären Verzicht versus Risiko.



      Die Notenbanken haben entgegen jeglicher marktwirtschaftlicher Logik Null- bis Negativzinsen durchgesetzt (quantitative easing) und sich damit eine Weile kostenlos bzw. auf Kosten des Bürgers saniert, denn die Zinsen lagen niedriger als die Inflation. Der Staat kaufte seine Anleihen/Schulden über die Notenbanken einfach selbst und bestimmte so die Zinsen.



      Die selbstlose Begründung hierfür lautete, durch niedrige Zinsen die Wirtschaft anzukurbeln. Diese Blase ist nun geplatzt und Unternehmen müssen auf einmal 10x mehr Zinsen zahlen als vor kurzem. Damit fährt das Geschäftsmodell vieler Unternehmen, welches nie substantiell war, gegen die Wand, genauso wie der Staat, der auf einmal wieder echtes Geld in die Hand nehmen muss, um die Zinsen für seine nicht gegenfinanzierten Exzesse zu zahlen, von Tilgung wollen wir nicht reden.

  • Ich finde des immer dankenswert wenn Artikel mit Zahlen untermauert werden.



    Aber nur die Hälfte der Zahlen zu nennen hilft dem Verständnis nicht wirklich weiter.



    717 Milliarden Franken Wirtschaftsleistung versus 3,8 Billionen Finanzvermögen, also 5,3 x so hoch.



    Bruttoinlandsprodukt Deutschland 3,87 Billionen Euro, zum Finanzvermögen der deutschen Banken finde ich spontan nichts. Meines Erachten wird dieser Begriff auch nicht für den privaten Banksektor, sondern für den Staat verwendet. Bitte entsprechend um Klärung.



    Basierend auf der Wirtschaftsleistung liegt die Schweiz bei 80T per capita, D bei knapp unter 47. Auch unter Teilanwendung des Faktors von 1,67 auf bestimmte Waren (Lebensmittel ja, Auto nein), sind die Schweizer wohlhabender als ihre nördlichen Nachbarn.



    Auch der Lohn (6.700 Franken brutto) müsste korrekterweise in Verhältnis zum deutschen gesetzt werden und zwar jeweils die Nettolöhne, da die Steuern und Abgaben in CH deutlich niedriger ausfallen ("mehr Brutto vom Netto"). Danach könnte eine ehrliche Diskussion erfolgen.

    P.S. Den Preis eines Gerichts in Zürich mit dem von Berlin zu vergleichen ist widersinnig, wenn dann wäre es Zürich - München, denn Zürich ist nicht die Haupt- sondern die Teuerstadt.