Backstreet Boys in Deutschland: Die nicht so heile Welt der Boys
Die Backstreet Boys sind auf Welttournee. Doch sollte man die Konzerte trotz der Vorwürfe, die es gegen Carter und Littrel gibt, besuchen?
I ch verstehe, wie schwierig es ist. Gerade in diesem Fall – die Backstreet Boys gehören zur kulturellen Prägung mehrerer Generationen, sind seit über 25 Jahren erfolgreich und bedienen unsere Nostalgie, während sie zugleich noch aktiv sind. Auch ich war in meiner frühen Teeniephase Fan, besuchte Konzerte, hatte eine Uhr der Boys an der Wand hängen und kann viele Lyrics auswendig. „Everybody“ bringt mich auf die Tanzfläche und ich liebe Videos, in denen fremde Menschen plötzlich zusammen „I Want It That Way“ singen. Kurz: Ich verstehe, wie schwierig es ist. Aber es ist an der Zeit, die Kritik, die es um BSB gibt, zu hören, statt sie zu verdrängen.
Die Backstreet Boys sind auf Welttournee und derzeit in Deutschland unterwegs; bereits kurz nach Start des Ticketvorverkaufs wurden wegen der großen Nachfrage fünf Zusatztermine verkündet. Mich wundert, dass so viele Menschen dazu bereit sind, die Band durch den Kauf teurer Konzerttickets zu unterstützen. Das mag zum einen daran liegen, dass die Maschinerie hinter BSB mächtig genug ist, um sämtliche Vorwürfe gegen die Sänger aus Wikipedia-Artikeln und größtenteils der Presse rauszuhalten, und zum anderen eben daran, dass wir, die wir darum wissen, nicht wahrhaben wollen, dass die heile Welt, die diese Boyband verkörpert, alles andere als heil ist.
Wovon ich spreche? Gegen Nick Carter gibt es Vergewaltigungsvorwürfe, Brian Littrell hat sich als Trump-Supporter geoutet. Die Vorwürfe gegen Carter datieren zurück auf November 2017, kurz nach Beginn der #MeToo-Bewegung, und stammen von Melissa Schuman, einst Sängerin der Popband Dream. Sie schrieb in einem Blogpost, Carter habe sie 15 Jahre zuvor vergewaltigt; außerdem gibt es einen ähnlichen Vorwurf von einer anderen Frau. Carter selbst streitet alle Vorwürfe gegen sich ab. Wegen Verjährung der mutmaßlichen Taten kam es nie zur Anklage.
Brian Littrell unterdessen setzte sich am Tag vor Trumps Amtseinführung im Januar 2017 in einem kurzen Videointerview für ihn ein. Schwerer noch wiegt, dass er sich unmittelbar nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 auf Parler anmeldete. Parler ist eine bei Rechten beliebte Social-Media-Plattform, auf der unter anderem Melania Trump, Jair Bolsonaro und Martin Sellner vertreten sind (Littrell postete allerdings nie etwas). Auf diese Weise zeigt er unmissverständlich seine Unterstützung für den rechten Flügel der Republikaner. Um das zu komplettieren, hat sein Bandkollege und Cousin Kevin Richardson kurz danach kryptisch getwittert, er habe einen „Freund an QAnon verloren“.
Und so unbescholten die anderen drei sind, stehen sie doch nach wie vor zu Littrell und Carter. Es ist eine Sache, die alten Songs der Boys zu mögen. Aber wollen wir wirklich weiterhin diese Band durch Konzertbesuche unterstützen?
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