Digitales US-Netzwerk „Parler“: Hetzer suchen neues Zuhause
Das digitale Netzwerk Parler präsentiert sich als Alternative zu Twitter. Vertreten sind dort vor allem rechte Verschwörungsideolog*innen.
Die Grundhaltung bei Parler zeigt sich schon in den Rezensionen: „Achtung, die vielen negativen Bewertungen kommen vom linksextremen faschistischen Hass-Mob“, schreibt ein Nutzer in Googles Play Store. Parler ist ein 2018 gegründetes Start-up, das sich selbst als „einziger Dienst“ versteht, der „die in der US-Verfassung garantierte Meinungsfreiheit gewährt“.
Vor zwei Jahren zählte die App noch 60.000 Mitglieder. Laut Angaben des US-amerikanischen Onlinemagazins The Verge hat die Plattform in diesem Jahr vier Millionen User*innen dazugewonnen, davon eine Million seit der US-Wahl.
Ein Blick auf die bekanntesten Accounts von Parler zeigt die üblichen Verdächtigen: den rechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der Maskentragen in der Coronapandemie verspottet, Eric Trump, der den von seinem Vater geschaffenen Mythos des Wahlbetrugs weiter befeuert, oder die „Identitäre Bewegung“, die auf Twitter gesperrt ist.
Dass diese vermeintliche „Meinungsfreiheit“ auf Parler nichts anderes ist als ein Freibrief für Hetze und Rassismus ohne Widerspruch und Konsequenzen, sollte klar sein. Weil Twitter und Facebook strenger moderieren und User*innen bannen, suchen sich rechte Akteur*innen neue Kanäle.
Doch selbst der Plattform für „Meinungsfreiheit“ scheinen die rechten Posts zu viel geworden zu sein. So musste Parler kürzlich die Richtlinien aktualisieren. Verboten sind nun auch Doxing, Spam oder Gewaltaufrufe. Doch nur weil diese Regeln existieren, werden sich User*innen womöglich nicht daran halten.
Twitter und Facebook? Angebliche „Hüter der Wahrheit“
Der Dienst mit Sitz in Las Vegas versucht sich nicht nur räumlich von den Unternehmen im Silicon Valley abzugrenzen. CEO John Matze, Trump-Unterstützer und Waffenfan, bezeichnet sie als „Techno-Faschisten“, als „Hüter der Wahrheit“. Matze spielt dabei auf die konsequentere Moderation der Inhalte auf Twitter und Facebook an.
So hatte Facebooks Gründer Mark Zuckerberg lange Zeit damit geworben, die Meinungsfreiheit nicht zu beschneiden, was QAnon-Anhänger*innen und rechte Ideolog*innen für ihre Agenda nutzten. Der Aufstieg Parlers lässt sich auch als Erfolg von Facebook und Twitter bewerten, die ihre Richtlinien endlich konsequent umsetzen.
Eine wirkliche Twitteralternative ist indes die Open Source Software Mastodon. User*innen versuchen auf der dezentralen Plattform, gegen Rechtsextreme vorzugehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett