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BSW-Eilanträge abgelehntBundestagswahl wird nicht neu ausgezählt

Dem BSW fehlten nur wenige tausend Stimmen zum Einzug in den Bundestag. Das Verfassungsgericht lehnt eine sofortige Neu-Auszählung der Stimmen ab.

Das BSW ist in Karlsruhe vor diese Wand gelaufen Foto: Uli Deck/dpa

Freiburg taz | Die Stimmen der Bundestagswahl 2025 müssen nicht neu ausgezählt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstagabend entschieden. Es lehnte mehrere Anträge des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ab. Die Bundeswahlleiterin kann nun am heutigen Freitag das amtliche Endergebnis bekanntgeben.

Das BSW hat bei der Bundestagswahl am 23. Februar 4,972 Prozent der Stimmen erhalten. Für den Einzug in den Bundestag fehlten laut vorläufigem Endergebnis nur 13.435 Stimmen. Ein folgenschweres Scheitern: Nur wenn das BSW nicht im Bundestag vertreten ist, hat die kommende Koalition aus CDU/CSU und SPD eine Mehrheit.

Das BSW hatte am Dienstag drei Anträge beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Konkret ging es um eine Verfassungsbeschwerde der beiden Parteivorsitzenden Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali, eine Organklage der Partei BSW sowie einen Antrag auf einstweilige Anordnung.

Im Kern wurde in den Klagen behauptet, dass das BSW „mit höchster Wahrscheinlichkeit“ genügend Stimmen für den Einzug in den Bundestag erhalten hat. Dies werde eine Neuauszählung der Stimmen ergeben. Schon „übliche, unvermeidliche Auszählfehler“ könnten Grund für die fehlenden Stimmen sein. Außerdem habe es bei der Übermittlung der Wahlergebnisse Verwechslungen mit der rechten Kleinpartei „Bündnis Deutschland“ gegeben.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vizepräsidentin Doris König hat nun die BSW-Eilanträge als „unzulässig“ abgelehnt. Die Partei wurde in einer knappen Begründung mit nur drei Sätzen auf das übliche Verfahren verwiesen.

Danach müssen Wahlberechtigte zunächst beim Bundestag einen Einspruch gegen das Wahlergebnis erheben. Erst wenn dieser abgelehnt wurde, ist eine Wahlprüfungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht möglich. In diesem Verfahren könnten auch „etwaige Zählfehler“ gerügt werden, so die Verfassungsrichter:innen.

Rund 9.000 Stimmen fehlen noch

Das übliche Wahlprüfungsverfahren dauert allerdings ein bis zwei Jahre, und ob dort am Ende eine Neuauszählung angeordnet wird, ist sehr fraglich. Immerhin wurden ersichtliche Übertragungsfehler bereits bei der Ermittlung der amtlichen Endergebnisse der Lan­des­wahl­lei­te­r:in­nen korrigiert. Danach hat das BSW zwar 4.277 zusätzliche Stimmen erhalten. Es fehlen aber immer noch rund 9.000 Stimmen.

Das BSW hat mit der juristischen Niederlage wohl schon gerechnet und deshalb bereits am Dienstag rechtspolitische Forderungen aufgestellt. So solle künftig bei sehr knappen Wahlergebnissen, wenn es auf weniger als 0,1 Prozent der Stimmen ankommt, stets eine Neuauszählung der Stimmen stattfinden.

(Az.: 2 BvE 6/25 u.a.)

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13 Kommentare

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  • "So solle künftig bei sehr knappen Wahlergebnissen, wenn es auf weniger als 0,1 Prozent der Stimmen ankommt, stets eine Neuauszählung der Stimmen stattfinden."

    Ungeachtet meiner Antipathie gegenüber dem BSW (v.a. nach folgendem Artikel: taz.de/Trotz-AfD-E...sextrem/!6075173/) halte ich diese Forderung für richtig.



    So wie es jetzt ausgegangen ist, hat das BSW leider wieder eine neue Blaupause für weitere Verschwörungserzählungen. Nicht so geil.

  • Richtige Klage von Wagenknecht und der Gesetzesentwurf zur automatischen Neuauszählung ist in vielen anderen Ländern schon Norm und müsste hier auch angepasst werden. Unabhängig ob man das BSW mag oder nicht sind solche Änderungen zur erhöhten Transparenz des Wahlverfahrens immer zu befürworten.

  • Der Demokratie förderlich ist es nicht, dass eine offizielle Nachzählung nicht vorgesehen ist. Zu Recht forderte und unterstütze Deutschland bei knappen Ergebnissen im Ausland Nachzählungen. Letztendlich sollte diese Möglichkeit aber auch bei uns bestehen.

  • Das Wahlsystem hat einige Redundanzen, die Fehler deutlich reduzieren. Dennoch ist das System nicht unfehlbar. In andren Ländern ist es ganz normal, dass sehr knappe Ergebnisse zu Neuauszählungen führen. Deutschland hat keinen Mechanismus dafür, vermutlich deshalb, weil das Verhältniswahlrecht viel selterner mehrheitsrelevante knappe Ergebnisse produziert.

    Es ist ein Defekt am deutschen Wahlprüfungsverfahren, dass es so träge ist. Der Grundsatz sollte sein, lieber einmal zu viel als zu wenig auszuzählen. Außerdem sollte die Entscheidung zur Neuauszählung schnell gefällt werden. Es sägt unnötigerweise an der Glaubwürdigkeit des Wahlausgangs, dass die Wahlprüfung so lange dauert. So ungerne ich dem BSW auch recht gebe, es hat hier einen Punkt.

    Frech ist dagegen die Behauptung, dass das BSW "mit höchster Wahrscheinlichkeit" genügend Stimmen erhalten hätte. Die Neuauszählungen in anderen Ländern zeigen, dass zumindest dort selten großartig Bewegung in das Endergebnis kommt. Ja, sie haben hier systematische Fehler gefunden, aber die wurden nun auch schon korrigiert. Die Implikation, dass es deshalb "mit höchster Wahrscheinlichkeit" noch mehr geben muss, ist falsch.

  • Dass es sicher wäre, dass man mehr Stimmen hätte, ist offen lächerlich.



    Der reguläre Rechtsweg ist voll zumutbar.

    Über den universalen Punkt zum Schluss ließe sich diskutieren, dabei so neutral wie möglich formuliert.



    Eine Advokaten- und Tricksereiwahl wie in den Staaten will hier letztlich keiner.

  • Also der Korrekturanteil von einem Drittel ist schon bemerkenswert.

    Nach meinem Gefühl, das natürlich niemanden außer mir interessiert, sollte man zumindest die Stimmen von Bündnis Deutschland und Bündnis Sahra Wagenknecht noch einmal im Detail überprüfen.



    Ich interpretiere den Artikel so, das nur die Übertragungen korrigiert wurden.

    9000 Stimmen sind wirklich nicht viel und ein paar depperte Wahlhelfer würden da schon was ausmachen.

    Andererseits müsste man größere Abweichungen (wie das Vertauschen der "Bündnisse") auch mit einfachsten Statistikmethoden leicht finden können und das wurde sicher schon gemacht.

    Das hunderte Wahlleiter das BSW bewusst betrogen haben sollen, halte ich eher für unwahrscheinlich. Dazu ist das Verfahren doch zu öffentlich.

  • Es ist ein Defekt im Wahlrecht, dass der neu gewählte Bundestag, dessen Interessen massiv berührt werden, über diese Anfechtung entscheiden muss.



    Karlsruhe hätte gut daran getan, dass zu korrigieren.

    • @XXX:

      Die Rechtslage ist nun einmal eindeutig: Erst Einspruch bei der Bundeswahlleiterin einlegen (Steht hier, wie das geht: bundeswahlleiterin...wahlpruefung.html). Erst wenn der abgelehnt wird, dann vor dem BVerfG klagen.

      Dass eine Partei derart dilettantisch handelt, ist nun einmal deren Problem.

    • @XXX:

      Anschließend kann man klagen.

    • @XXX:

      Sach mal so - irgendein Interess ist immmer.

      Nein. Karlsruhe ist - ua angesichts der dann noch fehlender 9.000 Stimmen & keiner Evidenz einer Ergebnisändering - dem steinalten Wahlanfechtungsgrundsatz gefolgt



      “Laßt bloß die Urnen zu“ •

      unterm——



      In LPVG-Wahlanfechtungen zB lagen die Verstöße meist woanders.



      & mal anders - ⚱️ ⚱️ AUF - in Kölle



      taz.de/Kommentar-K...lskandal/!5200624/



      “Die Kölner SPD verweigerte monatelang eine Neuauszählung und wurde dabei vom Düsseldorfer Innenministerium unterstützt, obwohl offensichtlich war, dass Wahlhelfer die Stapel der SPD- und CDU-Stimmen verwechselt haben mussten.“



      & Lovando differenzierend Normalo too 🙀🥳

  • Ei, da wird Frau Zarenknecht aber rumopfern wie es sonst Weidels und Co. tun.

  • Allein in NRW waren es 1300 Stimmen mehr, siehe taz.de/Verfassungs...stagswahl/!6075690

    Eigentlich könnte eine Neuauszählung nun noch bei einem Bundestagsausschuss beantragt werden. Ein langwieriges Verfahren, theoretisch ein sinnvolle Option, um die 4,98%-Affäre endgültig aus der Welt zu schaffen. Also schaun wir mal, wie theorieoffen sich das BSW zeigt ... für unsere Demokratie wäre es nicht schlecht, wenn so ein Verfahren mal durchgezogen wird.

    • @Uwe Kulick:

      Wurde in NRW alles geprüft oder nur in einem Teil der Wahlkreise? (Der Link, den Sie geschickt haben ist wohl nicht richtig, sondern verweist auf den Artikel hier.)



      Wenn ja, würde es wohl insgesamt nicht zu einer Änderung reichen und die Entscheidung des BVerfG wäre verständlicher.