Autorin übers Sich-Trennen: „Manche Beziehungen sind scheiße“
Jacinta Nandi über gute und noch bessere Gründe, den eigenen Mann zu verlassen – und die neuen Probleme, die danach kommen können.
taz: Jacinta Nandi, was uns hier zusammenführt, ist Ihr neues Buch, „50 Ways to leave your Ehemann“. Den Titel könnte man als gewitzte Anspielung interpretieren auf ein einigermaßen altes Lied. Ist es denn ein Ratgeber – wie das am besten geht, den Ehemann zu verlassen?
Jacinta Nandi: Es ist ein Versuch, Rat zu geben von einer ratlosen Frau vielleicht. Ich wollte, dass es wirklich so Girl-Boss- oder positiver Single-Mom-Feminismus ist. So nach dem Motto: Just do it girl – verlass’ deinen Mann! Aber beim Schreiben hat die Realität mich überholt und das Buch ist ein bisschen wütender, als ich das vorhatte. Weil nach der Trennung kommen andere Problemen.
War das überraschend?
Ich war nicht wirklich überrascht. Ich habe immer viele alleinerziehende Freundinnen gehabt, auch als ein bisschen kreative, selbst alleinerziehende Berlinerin. Aber auch als ich in Partnerschaften war, hatte ich viele alleinerziehende Freundinnen. Und ich wusste eigentlich um diese Problematik. Eine meiner beste Freundinnen hat eine gewalttätige Beziehung verlassen, und ihr Mann hat sie nicht gehen lassen wollen; das war 2005 oder 2006. Er hat sie nicht losgehen lassen, er hat Formulare nicht unterzeichnet. Als ich die Idee für das Buch bekam, habe ich noch zusammen gewohnt mit meinem Ex – und ich habe mich wirklich gefreut auf die Freiheit. Und es ist ja auch nicht völlig anders geworden, als ich das vorhatte. Es ist ambivalent.
So wie die Freiheit selbst.
42, geboren in London, lebt seit 2000 in Berlin. Sie war lange Kolumnistin der taz. „50 Ways to Leave Your Ehemann“ ist ihr 6. Buch
Es ist eine gewisse Art von Freiheit, ohne einen Mann zu leben. Es ist auch eine gewisse Art von Freiheit, trotzdem diese Mutterliebe an sich selbst zu erleben. Es gibt Stellen im Buch, die haben etwas vom Leave-your-Ehemann-Ratgeber, etwas Positives. Aber es gibt auch andere Stellen, die trauriger und einsamer und verzweifelter sind. Jemand, nur ein einziger Mensch, hat zu mir gesagt, dass es wehleidig sei. Aber dieser Typ hat keine Kinder, ist kein Alleinerziehender. Keine der Mütter, die es gelesen haben, hat so was gesagt. Ich finde es nicht wehleidig. Ich finde, die Realität ist so scheiße.
Die Ambivalenz ist dem Thema doch angemessen: Eine Beziehung zu verlassen, das heißt ja auch etwas vielleicht Beengendes, Ungutes loslassen, das man aber wenigstens kennt. The devil you know, sozusagen. Demgegenüber kann die vielleicht kommende Freiheit doch auch etwas Beunruhigendes an sich haben.
Was sehr wichtig ist, finde ich: Frauen dürfen eine Beziehung einfach scheiße finden. Es muss nicht immer gleich Gewalt im Spiel sein. Manche Leute sind einfach scheiße, manche Beziehungen sind einfach scheiße. Frauen haben das Recht, diese Beziehungen abzulehnen, sie zu beenden. Ich habe immer ein bisschen ein schlechtes Gewissen gehabt, als mein großer Sohn klein war: Weil ich dachte, ich hätte unser Familienglück zerstört.
Durch die Trennung.
Auch wenn es sehr schön ist für Kinder, zusammen zu wohnen mit beiden Elternteilen: Wenn eine Frau unglücklich ist, darf sie weggehen. Ich finde es sehr wichtig, dass wir das anerkennen.
Gibt es die alleinstehende, ihren Mann verlassen habende Frau? Das Buch beschreibt ja ein ganzes Spektrum. Und die einen scheinen – das ist wichtig: scheinen – besser zurecht zu kommen, als es die Erzählerin von sich selbst sagt.
Ja, und ich finde es ein bisschen unfair, wenn jemand, der nicht in einer gewalttätigen Beziehung ist und sich super mit ihrem Ex versteht, wenn so eine Frau dann sagt: Trenn’ dich einfach! Denn wo Gewalt im Spiel ist, sagen wir mal, da gibt es kein „einfach“. Wenn Gewalt im Spiel ist, müssen Frauen klug sein, wenn sie weggehen. Sie müssen taktisch vorgehen. Ich habe ein Kapitel darüber geschrieben, dass die Leute einem schlechten Rat geben. Viel denken: Frauen in gewalttätigen Beziehungen, Frauen, die aus solchen Beziehungen fliehen, die werden beschützt von der Gesellschaft – das werden sie aber nicht.
Interessant fand ich, welche Rolle die Mutter im Buch spielt. Ich selbst kenne Frauen aus früheren Generationen, die sagen: Den Anspruch auf Glück darf man nicht übertreiben, man muss sich auch mal ein bisschen durchbeißen, es gibt immer auch Durststrecken. Ihre Mutter tritt da ganz anders auf.
Jacinta Nandi: „50 Ways to Leave Your Ehemann“. Hamburg: Edition Nautilus 2022. 232 S., 20 Euro; E-Book 15,99 Euro
Buchpremiere (Moderation: Marlen Hobrack): Di, 15. 11., 20 Uhr, Hamburg, Kampnagel
weitere Lesungen: Freitag, 18. 11., 19.30 Uhr, Berlin, Bettina-von -Arnim-Bibliothek, Schönhauser Alle 75(Eintritt frei)
Mi, 23. 11., 20 Uhr, Berlin, Veranstaltungsraum der Werketage, Saarbrückerstraße 24 (Eintritt frei)
Ja – aber nicht für sich selbst. Für ihre Kinder, für ihre Töchter schon. Das ist interessant. Ich meine: Was erwarten wir? Meine Großmutter hat nicht erwartet, dass sie ein glückliches Leben führen würde.
Und Sie?
Jetzt klinge ich wohl richtig böse. Aber ich denke, wir übertreiben es ein bisschen mit unseren Instagram-Leben. Niemand ist immer glücklich. Du kannst nicht immer glücklich sein – und die Wohnung kann nicht immer perfekt aussehen. Das Leben ist nicht rosa. Wir übertreiben also ein bisschen. Aber unsere Großmütter, die haben nicht gewusst, dass sie überhaupt etwas erwarten dürfen.
Dass ihnen Glück zusteht.
Eine Sache ist interessant: In England in den Sechzigern und Siebzigern haben die Leute in der Arbeiterklasse wöchentlich ihren Lohn bekommen, als Bargeld in einem Umschlag. Da sind die Männer nach Hause gegangen und haben diesen Umschlag ihren Frauen gegeben. Die Frau hat dann aus dem Gehalt dem Mann ein Taschengeld gegeben, damit sind sie in den Pub gegangen. Und die Frau hat das Wirtschaften übernommen. Sie hat die Rechnungen bezahlt. Er hatte sein Geld, Geld für seine Hobbys. Sie hatte kein eigenes Gelde, war aber voll verantwortlich für das Wirtschaften der Familie.
So bleiben die Männer in der Rolle des Sohns, oder? Da muss die Frau übernehmen, was vorher die Mutter gemacht hat. Auch darum geht es ja im Buch.
Wir haben das immer noch, in Deutschland und in Großbritannien: Männer, Väter, die sagen: Oh ich weiß nicht, wie ich das Fläschchen desinfiziere. Und gleichzeitig sollen wir glauben, dass Männer genetisch überlegen sind, so sehr, dass sie alle Firmen leiten müssen, alle Erfindungen machen, alle Regierungen führen. Aber nicht wissen, wie man die Mikrowelle benutzt? Es gibt Frauen, wenn die ins Krankenhaus gehen, machen sie genug Essen für eine Woche fertig, und hinterlassen noch Anweisungen, wie man es heiß macht. Damit damit der Mann nicht verhungert? Nein. Damit er nicht den Lieferdienst kommen lassen muss, wenn doch das Geld knapp ist. Die sind wirklich wie Teenager. Obwohl: Teenager, die, na ja, sind manchmal unabhängiger. Ich habe aber auch Freundinnen mit Partnern, die mir richtig nett vorkommen, sie sich um die Kinder kümmern und so. Vielleicht kannst du, wenn in alleinerziehende Freundeskreisen schaust und schreibst, einen etwas verzerrten Blick kriegen. Aber ich kenne Paare, da sind die Partner okay, gute Papas und gute Hausmänner. Aber selbst da ist das nicht selbstverständlich. Selbst da müssen die Frauen dankbar sein. Müssen immer sagen: Oh, er hat diesen Monat öfter als ich das Kind aus der Kita abgeholt. Sie wissen, dass das immer noch eine Ausnahme ist.
Es geht ja nicht nur im individuelle Dinge. Was müsste sich gesellschaftlich tun?
Beim Arbeitsamt oder Jobcenter gibt eine besondere Stelle für Akademiker und auch eine für Leute unter 25. Warum nicht auch eine für Mutter und Kinder, vielleicht auch Eltern, die sich trennen wollen. Ein Stelle, die deinen Antrag vielleicht schneller bearbeitet und weniger misstrauisch.
Wohlwollender.
Genau. Ich bin Sozialistin und würde mir wünschen, dass alle Abteilungen des Jobcenters so funktionieren würden. Aber trotzdem glaube ich, dass Frauen mit Kindern anders behandelt werden sollten. Eine andere Sache, die ich anders organisieren würde, wäre diese Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen. Ich weiß nicht, wie es anderswo in Deutschland ist, aber in Berlin, wissen die zuständigen Stellen nicht, wie lange du schon nach einer Wohnung suchst. Es sollte eine zentrale Liste geben und die Leute, die drauf stehen sollten unterschiedlich Priorität herhalten, also: Frau möchte abhauen; Typ ist obdachlos; Teenager hat gewalttätige Eltern, so was. Das wären meine zwei konkreten Vorschläge. Ach, und Deutsche Wohnen enteignen!
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