Autofabrik in Tenneessee: VW verhindert Gewerkschaft
VW bleibt in Chattanooga ohne Gewerkschaft. Zuvor hatten die Republikaner Stimmung gegen die Arbeiter-Interessenvertretung gemacht.
Für die UAW, die einst größte Industriegewerkschaft, ist es eine neuerliche schwere Niederlage im republikanisch kontrollierten Süden, wo Gewerkschaften wie feindliche Organisationen behandelt werden und wo sich in den letzten Jahrzehnten die meisten ausländischen Fabriken angesiedelt haben – darunter auch zahlreiche deutsche Metallunternehmen.
„Volkswagen hat eine brutale Einschüchterungs- und Angstkampagne gemacht“, erklärte UAW-Sekretär Tracy Romero nach der Stimmauszählung in der Nacht zu Samstag. Frank Fischer hingegen, der Chef von VW in Chattanooga, kommentierte das Wahlergebnis mit: „Unsere Beschäftigten haben gesprochen.“
VW hatte sich nach außen hin als „neutral“ dargestellt. Aber während der Kampagne hatte es seine Beschäftigten systematisch mit „Argumenten“ gegen eine Gewerkschaft gebrieft. Unter anderem ließ VW die Beschäftigten wissen, dass eine Gewerkschaft auch Lohnsenkungen und Arbeitsplatzverluste zur Folge haben könne. Bei einer der Pflichtversammlungen für Beschäftigte legte Werkschef Fischer laut der gewerkschaftsnahen Zeitung Labor Notes nahe, dass die UAW auch für die Schließung der VW-Fabrik in Westmoreland in Pennsylvania im Jahr 1988 verantwortlich sei.
„Das Beste ist eine direkte Beziehung zu den Bossen“
In der Kampagne gegen eine Gewerkschaft hat VW auch den republikanischen Gouverneur von Tennessee, Bill Lee, in die Fabrik geladen. Vor den Beschäftigten sagte Lee, dass eine „direkte Beziehung“ zwischen Arbeitern und Bossen das Beste sei. In Interviews fügte er hinzu, dass es schwierig sei, Unternehmen in den Bundesstaat zu holen, wenn es dort eine starke Gewerkschaftspräsenz gäbe. Robin Smith, republikanische Abgeordnete im Parlament von Tennessee, drohte den Beschäftigten von VW, der Bundesstaat könnte Zig Millionen Dollar an Subventionen streichen, falls sie für die Gewerkschaft stimmten.
Die politische Einmischung in die Tarifautonomie hat in Tennessee nie dagewesene Ausmaße erreicht. Gegenüber der New York Times sagte Wilma Liebman, die unter Präsident Barack Obama die Chefin der nationalen Behörde für Arbeitsbeziehungen, National Labor Relations Board (NLRB), war: „Ich habe nie gehört, dass ein Gouverneur vor Arbeitern auftritt, um ihnen zu sagen, dass sie gegen eine Gewerkschaft stimmen sollen.“ Nach seinem Amtsantritt hat Präsident Donald Trump das NLRB mit einer gewerkschaftsfeindlichen Mehrheit neu besetzt.
20 Prozent niedrigere Löhne und Willkür
Nach der Abstimmung bleibt Chattanooga weltweit das einzige VW-Werk ohne gewerkschaftliche Vertretung. Mit Stundenlöhnen zwischen 15,50 und 23 Dollar bezahlt es seine Beschäftigten in den USA schlechter als die anderen ausländischen Autobauer, deren Belegschaften ebenfalls nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Im Verhältnis zu den Betrieben der US-amerikanischen „Big Three“ (General Motors, Ford und Fiat Chrysler), die bis heute gewerkschaftliche Vertretungen haben, sind die VW-Löhne mehr als 20 Prozent niedriger.
Beschäftigte bei VW-Chattanooga, zu denen zusätzlich noch einmal ebenso viele Zeitarbeiter gehören, klagen über schnelle Fließbandrhythmen, über Verletzungen am Arbeitsplatz, die nicht ernst genommen werden, und über willkürliche Verpflichtungen zu Überstunden.
In den nächsten Monaten will VW 800 Millionen Dollar in den Standort Chattanooga investieren und zusätzlich 1.000 Personen anstellen, um dort auch Elektroautos zu bauen. Der Bundesstaat, der schon 2008 die Ansiedlung von VW mit der Rekordsummer von mehr als 550 Millionen Dollar aus öffentlichen Mitteln unterstützt hat, will dieses Mal 50 Millionen Dollar dazuzahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!