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Autobahnbau bedroht WaldDer neue Hambi ist in Hessen

Die Autobahn 49 soll durch den Dannenröder Wald in Hessen gebaut werden. Das wollen Klimaschützer:innen verhindern.

A 49? Nein, danke Foto: picture alliance/Uwe Zucchi/dpa

Klimaaktivist:innen von Fridays for Future, Ende Gelände, Sand im Getriebe und weiteren Gruppen haben sich zusammengeschlossen, um ein kleines Stück Wald in Hessen vor der Rodung zu bewahren. Der Dannenröder Forst soll der neuen Autobahn A 49 weichen. Lokale Umweltschützer:innen versuchen seit Jahren, das zu verhindern. Im vergangenen Herbst besetzten einige Klimaaktivist:innen das Waldstück mit Baumhäusern.

Jetzt kommt der Rest der Klimabewegung zur Unterstützung. Das neue Aktionsbündnis nennt sich „Autokorrektur“. Es kündigt „massive Proteste und vielfältigen Widerstand“ an. Die A 49 verbindet aktuell Kassel mit Neuental im hessischen Schwalm-Eder-Kreis. Um sie an die A 5 anzuschließen, soll sie bis Gemünden im Vogelsbergkreis weitergebaut werden.

Im Juni und Juli hatte das Bundesverwaltungsgericht mehrere Klagen gegen das Projekt abgewiesen. Unter anderem hatte der BUND geklagt und argumentiert, dass der Wasserschutz nicht genügend beachtet wurde. Das Gericht stimmte dem sogar teilweise zu. Der Planfeststellungsbeschluss müsse deshalb aber nicht infrage gestellt werden.

Das beauftragte Unternehmen Deges will das Bauprojekt nun angehen. „Die Deges respektiert abweichende Meinungen und friedlichen Protest gegen den Bau der A 49“, heißt es bei dem Unternehmen.

Demos, Blockaden, Besetzungen

„Sie stützt sich bei den jetzt anstehenden Arbeiten zum Bau der A 49 auf einen gesetzlichen Auftrag und bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse, die zuletzt am 23. Juni und 2. Juli 2020 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurden.“ Damit seien alle Klagen gegen das Baurecht rechtskräftig zurückgewiesen worden.

Zu möglichen Protesten lässt die Deges wissen, sie appelliere „an alle Gegner der A 49, die vorhaben, weiter gegen den Bau der A 49 und die notwendigen und genehmigten Baumfällungen zu protestieren, dies mit friedlichen Mitteln zu tun, jedwede Eskalation zu vermeiden und die Arbeiten vor Ort nicht zu behindern“. Über „Autokorrektur“ im Speziellen wolle sich die Dedes aber aktuell nicht äußern, sagte eine Sprecherin der taz.

Das neue Bündnis plant durchaus nicht nur Demonstrationen, sondern auch friedliche Blockaden und Besetzungen. Bei Fridays for Future wird fast seit Bestehen darüber gestritten, ob und wie sich die Bewegung an solchen Aktionen zivilen Ungehorsams beteiligen soll, die über das Bestreiken der Schule hinausgehen. Der gemäßigte Teil der Gruppe befürchtet, dass der große öffentliche Zuspruch leiden könnte.

„Welche Aktionsformen wir nutzen, ist bei uns ständig in der Diskussion“, sagte Leonard Diez von Fridays for Future der taz. „Inwiefern man sich an den ungehorsamen Aktionen beteiligt, ist natürlich den Aktivist:innen immer selbst überlassen.“

Seit Jahren wissen wir, dass Autobahnen ein Projekt der Vergangenheit sind

Bei Ende Gelände gehört das Blockieren klimaschädlicher Infrastruktur dagegen zum Programm. „Vor zwei Jahren haben wir den Hambi gerettet. Next Stop: Dannenröder Wald“, schreibt Ende Gelände auf Twitter. Die Proteste um den Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen können vielleicht als Vorbild für das aktuelle Unterfangen gelten. Der sollte für die Erweiterung des Tagebaus Hambach gerodet werden. Klimaaktivist:innen besetzten ihn jahrelang.

Als klar war, dass Deutschland einen Kohleausstieg auf den Weg bringt, bekamen sie plötzlich große öffentliche Unterstützung. Dass für einen Energieträger, der nicht mehr lange genutzt werden soll, ein Wald verloren geht, sahen viele nicht ein. Der beschlossene Kohleausstieg im Jahr 2038 geht der Klimabewegung zwar nicht weit genug, der Hambacher Forst ist im Gesetz festgeschrieben.

„Seit Jahren wissen wir, dass Autobahnen ein Projekt der Vergangenheit sind und Interessen einer zerstörerischen Industrie bedienen“, sagte Sprecherin Paula Eisner. „Statt Geld für Autos und Asphalt braucht es einen tiefgreifenden Wandel unseres Wirtschaftssystems, das den Schutz von Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt rückt.“

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24 Kommentare

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  • Das is ja ganz was neues. Kurz Mensch bedroht Natur.

    Autobahnbau dürfte beim Naturfraß sogar ganz hinten anstehen. Vorne stehen Wohnungsbaugebiete und Gewerbegebiete.

    Und. Das Problem ist nicht der Waldi sondern der Bodi. Letzteren kennt keiner. Es ist son grundlegendes Ding wie Klima oder Wasser. Der Boden halt, der täglich ha-weise versiegelt wird.

    • @Rudolf Fissner:

      Flächenmäßig ist das wohl richtig. Aber auch Waldboden ist Boden, der Co2bindet. Und wenn da drauf noch 100 - 250 Jahre alte Eichen und Buchen stehen ist der klimaschädlcihe Effekt noch größer. Und nun kündigen die umliegenden Kommunen an, da es hier bald eine Autobahn gibt, planen wir noch ein neues großes Container-Logistikzentrum als Zugabe. Da wird dann noch mehr Boden versiegelt dank Autobahnbau.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Schwarm-Eder-Kreis? Gemeint ist wohl der Schwalm-Eder-Kreis. Naja, wer kennt sich schon in der Provinz aus.

    • Bruno , Moderator
      @80576 (Profil gelöscht):

      Vielen Dank, leiten wir an die Redaktion weiter.

  • Verbrenner verbieten !



    Keine Kohle, kein Benzin und die Welt sieht anders aus.

    • @hein bloed:

      Sie hätte Stand jetzt auf jeden Fall eine deutlich reduzierte Bevölkerung

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Bei Ende Gelände gehört das Blockieren klimaschädlicher Infrastruktur dagegen zum Programm."

    Jede Infrastruktur ist per se klimaschädlich!

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Wenn Sie Infrastrukturen im weiten Begriffsverständnis verwenden, würden Sie damit auch die Gesundheitsversorgung meinen. Ihre Aussage ginge dann Richtung primitivistischer Kritik.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Ein "schöner" Zielkonflikt ...

    Und wahrscheinlich wohnt keiner der potentiellen Hambi-Demonstrierer in einem der kleinen Orte an der B3 zwischen Marburg und der aktuellen A49-Anschlußstelle Neuental.

    Bin beruflich eben dort immer mal (mit dem Dienstwagen) unterwegs gewesen. Hatte oft ein schlechtes Gefühl bei den vielen Schildern (auf Privatgrund natürlich), welche den sofortigen Weiterbau der A49 forderten.

    Wobei mein kleiner Schadstoffdiesel wahrscheinlich weniger Lärm, Abgase und schädliche Vibrationen für die Anliegerbausubstaz produzierte, als die nicht wenigen LKW.

    Bin daher zur hier thematisierten Causa eher leidenschaftslos; wengleich nicht ohne Meinung ...

    • @90857 (Profil gelöscht):

      So ist es.



      Natürlich wird dann jede sagen, es muss weniger Individualverkehr geben, keine LKW auf Strassen etc. Aber das ist für mindestens die nächsten Jahrzehnte realitätsfern.

      Umweltsschützer waren damals auch gegen Ortsumgehungen an der B3. Wenn die damit durchgekommen wären, müssten die heute ein schlechtes Gewissen ob der gesundheitlichen Belastungen für die Anwohner haben. Und einige Orte haben keine Ortsumgehung. Die würden von dem Lückenschluss der A49 profitierten. Kinder würden nicht mehr im Schatten der 40t aufwachsen.

      By the way. Es ist gerichtlich geklärt, es gab seit der Planung viele Wahlen in Hessen und es gibt auch eine Bürgerbewegung für den Weiterbau.

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @fly:

        Wegen diesem wunschgedachten

        "weniger Individualverkehr geben, keine LKW auf Strassen"

        war ich bis weit in die 90er auch ein bekennender Anhänger der Grünen;

        die heute die besten Freunde des (e-mobilen) Individualverkehrs sind, und nun als Teil der hessischen Landesregierung hier den Odenwald nebst Taunus et al. mit riesigen, wegen fehlender Speichermöglichkeiten immer häufiger abgeregelten Windrädern zustellen wollen.

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Hallo, Windräder werden nicht abgeregelt wegen fehlender Speicherkapazitäten, sondern weil Kohlekraftwerke Vorrang haben und nicht runtergefahren werden.

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Reduzierung des Energieverbrauchs durch Reduzierung von Konsum und Produktion würde helfen.

        • @90857 (Profil gelöscht):

          das autobahnnetz sollte abgerissen nicht ausgebaut werden



          aber noch wichtiger ist de deautomobilisierung der grossstädte

          www.theguardian.co...ution-urban-spaces

          • @satgurupseudologos:

            Entautobahnisierung wäre schoen, selbst wenn sich über schattenbringende Bäume erst nächste Generationen freuen könnten. Viele wollen aber noch mehr schnelle Straßen und dem folgt die Politik. Umwelt und Landschaft sind denen egal; Lebensqualität finden sie woanders.

            • @Slimak:

              "Lebensqualität finden sie woanders."



              Ja, schade. Wäre doch gerecht, wenn Auot/bahnen-Befürworter*innen an Autobahnen & Hauptstraßen wohnen würden. Vielleicht überlegen dies sich es dann anders. Bliebe dann immer noch das Problem, dass deren Autobahnen nebst Autos in der gleichen Biosphäre existieren würden und zu der Zerstörung selbiger beitragen ;-/

              • @Uranus:

                *diese

          • @satgurupseudologos:

            Das sehe ich auch so. Leider denken viele Leute aber an Rechtfertigungen, warum etwas anderes als das Festhalten am Auto nicht gehen würde. Offenbar ist den Leuten nicht klar, wie dramatisch Massenaussterben von Tieren/arten und Klimaerhitzung und deren Folgen für Mensch und Tier sind. Mensch kann mit der Natur nicht verhandeln - nicht über CO2-Äquivalente-Emissionsbudget, nicht über Klimakipppunkte ...

            • @Uranus:

              Na ja. Rs gibt Leute, die halten Waldvernichtung für Wohnungsbau schon für very important.

            • @Uranus:

              Der öffentliche Verkehr könnte bei einem anständigen Angebot sehr wohl deutliche Verkehrsanteile gewinnen. Ich würde ihn auch nehmen, wenn er nicht so viel Nerven, Zeit und Geld kosten würde. Wenn es aber um den Transport von sperrigem und schwerem Gepäck geht (in meinem Fall Volleyballnetz + Zubehör oder Baumaterial), werde ich allein aus Rücksicht auf andere das Auto nehmen. Zudem sollten insbesondere Rettungs- und Einsatzkräfte nicht auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sein. Zumal ich bei der aktuellen Lage jeden verstehen kann, der den ÖV meidet und mit dem Auto fährt (40km die einfache Strecke sind auch mit E-Bike viel).

  • Also ich muss sagen, mir erschließt sich der Sinn der A49 nicht. Man kann von Gießen nach Kassel per A5/A7 fahren. Falls die Strecke überlastet ist (was momentan nicht so aussieht), kann die A5 von Gießen bis zur A7 auch dreispurig ausgebaut werden. Eine dreispurige Autobahn frisst deutlich weniger Platz als zwei Zweispurige, zudem ist das Fahren auf ner Dreispurigen auch deutlich angenehmer. Sollte es um die A7 gehen, so ist sind das Problem dort die hohen Steigungen mit Elefantenrennengefahr und sehr hohen Geschwindigkeitsdifferenzen (langsame LKW: 40km/h, PKW: 120km/h). Wenn man diese nicht in Griff bekommt: An großen Steigungen eine vierte Spur als Kriechspur, braucht auch viel weniger Platz als ne neue Autobahn. Sofern es um die Anbindung der Ortschaften geht: Mit dem 2+1-Landstraßensystem gibt es bereits eine recht angenehm befahrbare Lösung, die ebenfalls deutlich weniger Platz beansprucht, ggf. mit kleinen Ortsumfahrungen.



    Und nein, der öffentliche Verkehr kann den Individualverkehr nicht zu 100% ersetzen. Sogar in der Schweiz mit einem hervorragenden ÖV (von welchem wir in D sehr weit entfernt sind) werden 2/3 der Strecke mit dem Auto zurückgelegt, obwohl die Schweizer ihre Bahn wirklich mögen. Zudem ist es ökonomisch wie ökologisch Unsinn, alle 5 Minuten ein 100-Seelen-Dorf mit einem Bus zu bedienen, damit auch die, die spontan irgendwo hinmüssen, das tun können.

    • @Luftfahrer:

      Na ja, schauen Sie mal auf die Karte, der Weg wäre rund 30 km kürzer und wenn man die Verkehrsnachrichten verfolgt, weiss man dass Alsfeld und Reiskirchen recht stauanfällig sind. Der Weiterbau würde schon eine deutliche Entlastung bringen. Viel wichtiger wäre jedoch die Entlastung für die Städt und Gemeinden, die sich an der B3 befinden. Die Menschen dort warten seit mehr als 40 Jahren auf diesen Autobahnabschnitt.

      • @Karl B:

        Sie haben mich dazu gebracht, nachzumessen und siehe da: Sie haben recht, es sind tatsächlich 30km (also 15min bei 120km/h). Angesichts des Baufortschritts bin ich auch für eine Fertigstellung, wenn der Durchgangsverkehr in den Ortschaften durch die bereits fertiggestellten Abschnitte schwer erträgliche Ausmaße annimmt. Die Frage ist nur, ob es möglich gewesen wäre, komplett ohne die A49 mit den oben genannten Vorschlägen den Überregionalverkehr auf der A5/A7 zu halten, den Ortschaften aber dennoch die nötige Entlastung bereitzustellen. Das spielt zwar jetzt keine Rolle mehr, wäre aber für ähnliche Projekte in der Zukunft interessant.