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Auswirkungen des Ukraine-Kriegs hierRau gegen Russlanddeutsche

Die Hilfsbereitschaft gegenüber Ukrainer_innen geht hier mit Ignoranz und Gewalt gegen andere Minderheiten einher. Das sagt viel über Deutschland aus.

Aussiedler geben ihre Anträge im Jahr 1996 im Aufnahmelager Unna Massen ab Foto: Jochen Eckel/imago

G egen Ende der 90er-Jahre bin ich immer die einzige Ausländerin in meiner Schulklasse gewesen. Bis plötzlich „die Russen“ kamen. Sie waren natürlich nicht alle „Russen“, sondern vor allem Russlanddeutsche. Viele waren erst kürzlich mit ihren Familien aus verschiedenen Nachfolgestaaten der Sowjetunion eingewandert, hatten in Nullkommanichts Deutsch gelernt, wurden aufs Gymnasium hochgestuft und erhöhten den Migrant_innenanteil der Schülerschaft gefühlt um ein Vierfaches.

In meinen Augen waren sie die besseren Ausländer: Sie waren klug, ehrgeizig, sie hatten einen deutschen Pass und immer einen coolen Spruch parat. In den Augen unserer Lehrer_innen dagegen waren sie vor allem Ballast. Ihre Schrift war zu schnörkelig, ihr Akzent zu unverständlich, die Jungs schwer zu bändigen und die Mädchen zu selbstbewusst in ihren Körpern. „Wir sind hier nicht im Bordell,“ kommentierte unsere Französischlehrerin etwa rücken- und bauchfreie Tops an Mitschülerinnen. Russisch sprechen wurde im Klassenzimmer verboten, selbst während der Pausen.

Gerade fühlt es sich ein bisschen an wie ein Flashback, wenn ich mitbekomme, wie sich die Berichterstattung über Putins Angriffskrieg auf die Ukraine in antirussische Hetze innerhalb der hiesigen Bevölkerung niederschlägt. Restaurants wollen keine russischen Gäste mehr bedienen, eine Direktorin wollte keine russischen Patient_innen mehr im Krankenhaus behandeln, Scheiben von russischen Läden werden eingeschlagen. 2,5 Millionen Bürger_innen werden hierzulande quasi mitverantwortlich gemacht für den Krieg eines Autokraten, der seine Kritiker_innen systematisch verschwinden lässt. Natürlich gibt es Putin-nahe Russlanddeutsche, genauso wie es Erdoğan-Anhänger in der deutschtürkischen Community gibt. Es gibt aber auch genügend Herkunftsdeutsche, manche von ihnen hochrangige Politiker, die mit Autokraten Geschäfte machen. Warum bekommen die eigentlich noch ihr Schnitzel serviert?

Antislawische Ressentiments

Die raue Stimmung gegen Russ_innen und Russlanddeutsche ist nicht allein Folge des aktuellen Kriegs. Sie basiert auf antislawischen Ressentiments, die älter sind als meine Erinnerungen aus der Schulzeit, älter als Putin und definitiv älter als die Vorstellung von der Ukraine als Teil Europas. Insofern ist es ein großer Segen, dass die ukrainischen Geflüchteten gerade mit offenen Armen empfangen werden und ohne Zögern den Schutz bekommen, der ihnen zusteht – keine Selbstverständlichkeit, wie wir aus anderen Fällen wissen. Aber dass mit dieser Hilfsbereitschaft gegenüber Ukrainer_innen Ignoranz und Gewalt gegen andere Minderheiten einhergehen muss, sagt viel über dieses Land aus.

In Berlin-Reinickendorf sowie im bayrischen Fürstenfeldbruck mussten Asylsuchende aus anderen Ländern ihre Unterkünfte teilweise binnen Stunden räumen, um den Neuankommenden aus der Ukraine Platz zu machen. In Frankfurt an der Oder wurden gezielt afrikanische Studierende auf der Flucht aus ihren ukrainischen Studienorten von der Bundespolizei aus vollen Zügen gezogen und auf Wachen geschleppt, während alle anderen weiterfahren durften. Man habe „Trittbrettfahrer“ ausfindig machen wollen, hieß es zur Begründung. Ich las fast ein Schulterzucken mit.

Die Stimmung zwischen den verschiedenen Communities habe ich selten so angespannt erlebt, wie in diesen Tagen. Doch wie bei jedem Krieg sollten wir uns auch in diesem bewusst sein: Je länger er dauert, desto gleichgültiger wird auf die Leidtragenden geblickt werden. Die Willkommenskultur von 2015 etwa hielt kein halbes Jahr. Wir sollten die Ungleichbehandlung verschiedener schutzbedürftiger Gruppen kritisieren können, ohne sie gegeneinander auszuspielen.

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Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
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32 Kommentare

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  • Es gibt vor allem einen Schock bei allen antirassistischen und Flüchtlingsinitiativen darüber, wie leicht es der Regierung fällt eine "Massenzustromrichtlinie" zu erlassen und Menschen aus Afrika abzuschieben. Da heißt es "sichere Herkunftsstaaten".

  • "antislawischen Ressentiments, die älter sind als meine Erinnerungen aus der Schulzeit, älter als Putin und definitiv älter als die Vorstellung von der Ukraine als Teil Europas."

    Wann soll denn die Ukraine nicht als Teil Europas gegolten haben? Als das gilt sie doch schon seit mindestens zweitausend Jahren, schon im Weltbild des Ptolemäus gehörte sie dazu. Und damals soll es schon antislawische Ressentiments gegeben haben?

  • Danke!

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Ich mag keine Menschen, die den Angriff auf Russland verteidigen - egal welcher Nationalität und es ärgert mich, wenn Menschen, die hier in Deutschland frei und sicher leben, in ihren Herkunftsländern einen Diktatur wählen oder bewundern. Das ist ablolut zynisch gegenüber den Opfern.

    • 0G
      03998 (Profil gelöscht)
      @03998 (Profil gelöscht):

      Äh, sollte natürlich heißen - ... den Angriff auf die Ukraine verteidigen ...



      So sorry ...

    • @03998 (Profil gelöscht):

      Davon abgesehen, dass politische Meinungsverschiedenheiten keine Rechtfertigung für Übergriffe bis hin zur Brandstiftung darstellen: es geht in dem Artikel darum, dass Russen (wie auch Türken) pauschal für die Regierungen ihrer Herkunftsländer verantwortlich gemacht werden - Putin-Anhönger nicht zu mögen, steht jedem frei, aber wenn man Russen bzw. russischstämmige Menschecn allein aufgrund ihrer Familiengeschichte als Putin-Anhänger behandelt, ist das nur eines: Diskriminierung.

  • Danke für diesen hervorragenden Artikel!

  • Die von der Autorin beschriebenen Ressentiments gibt es mit Sicherheit. Aber dieses Beispiel ist eher ungeeignet um sie zu belegen:



    "(...) eine Direktorin wollte keine russischen Patient_innen mehr im Krankenhaus behandeln (...)"



    Vorsicht vor Fake-News! Bitte nicht ungeprüft weiter verbreiten:



    correctiv.org/fakt...&mc_eid=dd68e6e721

    • @LittleRedRooster:

      Das Beispiel ist aber doch offensichtlich gar nicht falsch, wie man dem Link entnehmen kann. Das Klinikum behandelt zwar natürlich weiterhin russische Patient*innen, aber die Direktorin wollte es ja (wenn auch als private Meinung) nicht tun.

    • @LittleRedRooster:

      Wie Sie von dem von Ihnen selbst verlinkten Beitrag entnehmen können, handelt es sich hierbei keineswegs um "Fake-News". Die besagte Ärztin hat in einer e-mail ja tatsächlich verkündet, keine russischen Patienten mehr behandeln zu können. Das war natürlich keine offizielle Stellungnahme und das Klinikum hat sich auch ausdrücklich davon distanziert. Aber das ändert nichts daran, dass die Aussage, dass besage Direktorin keine Russen mehr behandeln wollte, stimmt.

      • 4G
        41316 (Profil gelöscht)
        @O.F.:

        Ist auch nicht 100% richtig, die e-mail war an ein unternehmen gerichtet das Patienten aus Russland (nicht in Deutschland lebende Russen oder Deutsche mit russischen Wurzeln) nach München vermittelt und diese sollten nicht mehr behandelt werden

      • @O.F.:

        Bitte nicht einfach nur selektiv wahrnehmen und berichten oder kommentieren!



        Zur ganzen Wahrheit des Vorgangs gehört nicht nur die ausdrückliche Distanzierung der Klinik, sondern auch die Entschuldigung dieser Ärztin. Beides fehlt im Artikel! Und damit wird dieser Teil der Nachricht tatsächlich zum Fake. Auch Halbwahrheiten sind nicht wahr.

        • @LittleRedRooster:

          Sie weichen aus; in dem Artikel war zu lesen: "(...) eine Direktorin wollte keine russischen Patient_innen mehr im Krankenhaus behandeln (...)". Dass das offizielle Krankenhauspolitik war, hat niemand behauptet; statt dem Artikel - zu Unrecht - die Verbreitung von "Fake News" zu unterstellen, sollte man über dieses skandalöse Verhalten nachdenken.

          • @O.F.:

            Niemand hat einen Grund Ihnen auszuweichen!



            Aber wenn Sie sich dazu bequemen könnten die Recherchen von correktiv.org (siehe o.g.Link) und das taz-Zitat ("...eine Direktorin wollte keine russischen Patient_innen mehr im Krankenhaus behandeln...") einmal aufmerksam durchzulesen und zu vergleichen, dann könnten Sie möglicherweise auch erkennen wie schief Sie liegen.



            Kleiner Denkanstoß: Eine Ärztin ist keine Direktorin.

            • @LittleRedRooster:

              Weder ich, noch der Artikel oben liegen schief; die von Ihnen selbst zitierte Aussage ist sachlich korrekt und auch der von Ihnen verlinkte correktiv-Beitrag bestätigt das. Zu Ihrem Denkanstoß: in diesem Fall handelt es sich um eine Ärztin, die zugleich Direktorin des Instituts für Humangenetik ist - auch das steht in Ihrer eigenen Quelle.

              • @O.F.:

                Nun gut, ein letzter Versuch. Ich probiers mal andersrum. Vielleicht...



                Der Artikel von Frau Aydemir erschien am 11.3.22.



                Die Recherchen von Correktiv stammen vom 7.3.22 Der Artikel von t-online sogar vom 2.3.22.



                Jetzt müßte der Groschen eigentlich fallen: Hätte man eigentlich recherchieren können.



                Die Richtigstellung der Klinik und die Entschuldigung der Direktorin nicht zu erwähnen - also das geht nicht!

                Wie gesagt: Ich habe keinen Zweifel daran dass nun in unserem Lande allenthalben erhebliche Fremdenfeinlichkeit gegen Russen umgeht. Aber dieser eine konkrete Fall ist offenbar ein denkbar schlechtes Beispiel. Ich denke die Einschätzung der Klinik, die von einer "emotionalen Überreaktion" spricht, dürfte der Wahrheit wohl am nächsten liegen.



                Ich wünsche Ihnen eine friedvolle Zeit!

                • @LittleRedRooster:

                  Und wie ich mehrfach erklärt habe: die der Artikel widerspricht den Recherchen von Correktiv nicht, weil er lediglich auf den Vorfall an sich, nämlich die Weigerung der Ärztin verwiesen hat, die auch von Correktiv nicht bestritten wird; dass in dem Artikel das ganze Nachspiel nicht erwähnt wird, ist nicht verwunderlich: schließlich war es nur eines von mehreren Beispielen, die am Rande erwähnt wurden. Eine offene Diskriminierung als "Überreaktion" abzutun, finde ich relativierend - gerade im medizinischen Bereich, in dem es selbstverständlich sein sollte, Patienten nicht aus politischen Gründen abzulehnen.

  • Meine Frage: Gibt es öffentlich-rechtliche Sender auf Russisch und jetzt neu auf Ukrainisch ? Wenn wir jetzt die Kriegsflüchtlinge aufnehmen, sollte darauf geachtet werden , dass sie die Chance bekommen, eigene Kultureinrichtungen nutzen zu können, um sich zu treffen und ihre gemeinsame Idendität nicht einfach verleugnen zu müssen, zumal die Meisten ja hoffen, einmal wieder selbstbestimmt in ihrer Heimat weiterleben zu können. Kommunikation in ihrer Sprache sollte nicht privaten Kanälen überlassen werden. Es ist bedenklich, wenn viele aus Russland wieder angesiedelte Mitbürger*innen deutscher sein wollen als ihre liberal erzogenen Nachbarn und -gefördert über russische Medien- ihr Heil bei den rechten Schwurblern suchen. Für mich sieht es so aus, als ob 'wir' uns um die Russlanddeutschen nicht genügend gekümmert haben ! Vielleicht können wir jetzt den Kriegsflüchtlingen das Ankommen erleichtern, indem wir ihre Rechte als willkommene Minderheit stärken.

  • "... sagt viel über dieses Land aus." WAS???



    Ansonsten ein Artikel, den sich jeder hinter die Ohren schreiben sollt.



    Dieses scheinheilige Russenbashing ist einfach unerträglich. Ständig wird eine Gruppe gesucht, die man für etwas in Sippenhaft nehmen kann, Muslims, Schwarze, SUV-Fahrer und nun die Russen.

    • @AusBerlin:

      Mit SUV von 2 t zum Brötchenholen - das ist - wie etwa auch die ganzen Autos mit "kaputten" extra-teuren Auspuffen, Gehwegezuparken und manches mehr im Straßenverkehr - organisierte Rücksichtslosigkeit. Da hat das entspr. Bashimng schon Hand und Fuß und is was ganz anderes als bei pauschal herausgesuchten Gruppen der Gesellschaft (die ja allesamt zudem realiter als GRUPPEN gar nicht existieren)..

      • @lesnmachtdumm:

        Klar, die Gruppe der SUV-Fahrer fährt mit ihrem KFZ regelmäßig zum Brötchenholen und "da hat das entspr. Bashimng schon Hand und Fuß". Aber das es Menschen gibt, die Muslims und Schwarze pauschal difamieten und diskriminieren, haben Sie noch nicht mitbekommen.

        • @AusBerlin:

          Michnichverstanden? Vielleichtsisssesmeineschuld.



          Also: Es gibt all diese pauschalen Anfeindungen. Massenweise.



          Hier ging es um ne (zugegeben nebennebenneben-sächliche) Nebensache: SUV-Fahrer als tendenziell nicht gesellschsfts-orientierte Gruppe zu stigmatisiseren ist NICHT so aus der Luft gegriffen wie die pauschale Be/Ver-Urteilung anderer "Gruppen". Politik darf auch Dinge, und Gruppen wie z.B. rücksichtslose Verkehrsteilnehmer, beim Namen nennen: Das is eben was anderes als Rassistengelaber, Bedrohung und Xenophobie, die hier ja zurecht ihrerseits stigmatisisert werden MÜSSEN. Im übrigen: es gibt den schönen deutschen Plural: 'Muslime'. Gruß !

          • @lesnmachtdumm:

            Es ging bei meinen Beispielen nicht darum, Prioritäten zu setzen oder diese der einen Gruppe gegen die der anderen abzuwerten.



            "rücksichtslose Verkehrsteilnehmer" kann man beim Namen nennen, allerdings zählen nach meiner Erfahrung die meisten SUV-Fahrer nicht dazu.

    • @AusBerlin:

      Sie haben die Deutschen vergessen, bei denen ist es absolut üblich ein paar Dumpfbacken für repräsentativ zu erklären

      • @Questor:

        Ich hätte, extra für Sie, deutlich machen sollen, dass es sich lediglich um Beispiele handelt. Dumpfbacken habe ich ja auch "vergessen".

  • Wieder ein sehr guter Artikel von Fatma Aydemir!!!

  • 8G
    83635 (Profil gelöscht)

    Das ist das Zynismusproblem Deutschlands, Zynismus als einer der Werte die die EU in der Ukraine verteidigt.

  • Diskriminierung von Behinderten, interessiert hierzulande keine Sau, wenn diese arm sind. www.gegenmacht.net...n-existenzminimum/



    Seit 2 Jahren moniere ich bei BMAS, BMG, Ausschüsse Gesundheit, Soziales, Antidiskriminierungsbeauftragtem, Behindertenbeauftragtem, dass es nicht sein, kann dass nur gering Fehlsichtige im Existenzsicherunsgleistungsbezug Sehhilfen komplett finanziert bekommen, aber nicht Hoch Fehlsichtige, denn hier zahlen die als zuständig erklärten Krankenkassen ausweislich § 33 SGB V nur einen Festbetrag und kein Gestell. Nur § 21 Abs. 6 im SGB II übernimmt die fehlenden Kosten, aber eben nur für Gering Fehlsichtige. Hoch Fehlsichtige werden auf die Krankenkasse verwiesen, die aber eben nur einen Teil der Gläser übernimmt. Die Bureg ist nicht in der Lage eine diskriminierungsfreie Existenzsicherung auf die Beine zu stellen. Aber es interessiert auch niemand. Rau gegen alles, was nicht medial gepampert wird. Biste kein Promi, haste keine Öffentlichkeit, interessiert sich auch niemand für Diskriminierung. Sehr volatil das Grundrechte-Zugestehen.

    • @schönBehindert:

      Die Behinderten wären auch keine Behinderten, wenn die Gesellschaft sie nicht behindern würde.

    • @schönBehindert:

      Komplett am Thema vorbei