Ausstellung über Rocksänger Kevin Coyne: Die Welt ist voll von Dummköpfen
Eine Schau am Nürnberger Kunsthaus kombiniert musikalisches Schaffen und zeichnerisches Werk des britischen Künstlers Kevin Coyne.
Ein dicklicher Mann: Nicht nur dank seiner Körpermaße wirkt er aufgeblasen, auch die ondulierte Haartracht trägt ihren Teil dazu bei. Zugleich scheint er verunsichert, meidet den Blick seines Gegenübers, einer schmalen Frau, die bewundernd seine Nähe sucht. 1998 entstand das Selbstporträt „Kevin Coyne with admirer“, das derzeit im Rahmen einer schönen Ausstellung im Kunsthaus Nürnberg zu sehen ist. „The Crazy World of Kevin Coyne – Künstler und Rockpoet“ zeigt den 2004 im Alter von nur 60 Jahren verstorbenen britischen Künstler aus Blickwinkeln, die auch KennerInnen seiner Musik neue Sichtweisen eröffnen dürfte.
In diesem Gemälde steckt jedenfalls einiges über das seltsame, oft schiefe Verhältnis von Künstler und Publikum. Auch wenn der umtriebige Musiker und Maler zu Lebzeiten ewiger Geheimtipp blieb – Bewunderer hatte er viele; mit Projektionen, die Fans bisweilen entwickeln, kannte er sich aus. Die Schau vermittelt anhand von Zeichnungen und Gemälden einen Eindruck davon, was an Coynes Blick auf die Welt wirklich eigen und besonders war.
Das Output des Singer-Songwriters war hoch. Dennoch blieben große kommerzielle Erfolge aus; an die Aufmerksamkeit für sein Frühwerk „Marjory Razorblade“ (1973) kam er nicht mehr heran. Er blieb musician’s musician, wurde eher von Kollegen als vom breiten Publikum geschätzt. US-Songwriter Will Oldham etwa erklärte einst, das Album „Babble“ (1979), Coynes Kollaboration mit der Avantgarde-Sängerin Dagmar Krause, habe sein Leben verändert; er gründete sogar ein Tribut-Projekt, The Babbles. Auch die britische Radio-DJ-Legende John Peel unterstützte Coyne, wo immer er konnte. Fernab kommerzieller Zwänge konnte Coyne unbeirrt sein Ding machen.
Abgründig und mitfühlend
Seine Bilder wirken dabei ähnlich eigenwillig wie die Songtexte, sind in ihrer Direktheit und ihrem abgründigen und doch mitfühlenden Humor zugänglicher. Coyne war sehr produktiv, arbeitete an Theaterstücken und Filmen mit. Doch Malerei rückte stärker in den Fokus seines Schaffens, nachdem Coyne 1985 nach einem alkoholinduzierten Zusammenbruch England den Rücken gekehrt und sich in Nürnberg niedergelassen hatte. Er war kein Gelegenheitsmaler, vielmehr war Bildende Kunst seine erste Liebe. In seiner Heimatstadt Derby hatte Coyne in den frühen 1960ern Kunst und Grafik studiert.
Bis 22. November, Kunsthaus Nürnberg
Begleitend ist ein reich bebildertes Sachbuch erschienen: „The Crazy World of Kevin Coyne“, Steffen Radlmaier (Hrsg.), starfruit publications, Fürth, 2020, 384 Seiten, 28 Euro
Erst an der Kunsthochschule entdeckte er sein Faible für Blues und begann, Songs zu komponieren. Bevor er davon leben konnte, arbeitete er als Therapeut in einer Psychiatrie und in der Suchtberatung. Diese Zeit sollte seine künstlerische Arbeit beeinflussen, begegnete er doch bei vielen seiner Patienten einem bemerkenswerten kreativen Potenzial.
Vielleicht, weil er so oft erklärte, welchen Einfluss diese Begegnungen auf ihn hatte, wird seine Kunst oft der Outsider Art zugerechnet. Letztlich kann man Coynes zeichnerisches Werk aber ebenso als Satire verstehen. Auch wenn es in den Bildern oft um ihn selbst geht, sind sie weniger Nabelschau denn bizarres Gesellschaftspanorama.
So ist die Ente im Frack
Die Ausstellung zeigt kleinteilige Zeichnungen in Schwarz-Weiß neben großflächigen Farbgemälden. Die Inhalte wirken bisweilen enigmatisch, die Titel sind dagegen konkret. Oft geht es um emotionale Zustände und gestörte Kommunikation – auch mit sich selbst. In „This is how I am“ sieht er sich selbst als Ente im Frack, die verwundert auf die pinkfarbene Penisspitze herunterschaut – sie ragt dem Kopf entgegen und ist das einzige Farbelement der Schwarz-Weiß-Figur.
Derartige Selbstbefragungen stehen neben Episoden aus Coynes Kindheit, Einblicken in sein Familienleben und politischen Karikaturen. „The World is full of fools“ heißt ein Coyne-Song aus dem Album „Millionaires and Teddy Bears“ (1979). Aus dem Songtext zitiert eine Tafel in der Ausstellung: „But it doesn’t make them bad people“.
Nicht zuletzt ist es dieser amüsiert-empathische Blick auf menschliches Irren, der sich in den sehenswerten Bildern spiegelt. Coyne selbst brachte es so auf den Punkt: „Viele meiner Arbeiten zeigen die Mühen des Erwachsenwerdens, den Wunsch, frei zu sein, den ewigen Kampf zwischen Licht und Dunkel, wo am Ende doch das Lächerliche triumphiert.“
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