Ausstellung „Femme Fatale“ in Hamburg: Männer in Angst
Eine Ausstellung zu problematischen Frauenbildern? „Femme Fatale“ in der Hamburger Kunsthalle ist nicht perfekt, macht aber manches richtig.
Dass sie gar kein Gespür hätten, kann man ihnen nicht vorwerfen. Es ist schon eine Weile her, dass in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung „Femme Fatale“ zu eröffnen war, und es sprachen vor der Presse (und ein paar anderen) – zwei Männer: der Direktor des Hauses, Alexander Klar, und Markus Bertsch, Sammlungsleiter 19. Jahrhundert. Nun wäre das bei neun von zehn solcher Termine keine Erwähnung wert, hier nun aber doch. Die ebenfalls an der Konzeption beteiligten Kolleginnen nämlich, Selvi Göktepe und Ruth Stamm, habe man mit auf die Bühne gebeten, erzählte Hausherr Klar – aber die beiden hätten sich geweigert, dort gewissermaßen in Alibirolle zu stehen.
Was stimmen mag oder nicht, im Kleinen – und vergleichsweise Harmlosen – aber als Hinweis gelesen werden kann auf zwei in diesen Tagen, rund um den Frauen- oder Feministischen Kampftag, mit etwas mehr Aufmerksamkeit bedachten Problemen. Zum einen die gläsernen Decken, an denen Nichtmänner auch im Kulturbetrieb immer noch ziemlich oft ihre Karrieren enden sehen. Und zum anderen die Frage, wer sich wessen Blicken stellt, wessen Perspektive die maßgebliche, vermeintlich neutrale ist; wer Subjekt sein darf, wer Objekt bleibt.
Mithin das inhaltliche Herz der Ausstellung zu „Blick – Macht – Gender“ (so der Untertitel). Die „tödliche Frau“, der sich die Kurator*innen epochenübergreifend und mittels einiger durchaus spektakulärer Leihgaben und begleitendem Filmprogramm angenähert haben, war ja die allerlängste Zeit eine Männerfantasie, eine Konstruktion von Geschlecht, eine Zuschreibung von Eigenschaften. Diesen, ihren Gegenstand nun präsentiert „Femme Fatale“ – wenn auch hie und da aufgebrochen – chronologisch: Los geht es mit dem Loreley-Mythos (inklusive Clemens-Brentano-Handschrift) und benachbarten, also dem Wasser nahen Männerverderberinnen, etwa einer besonders blassen Meerjungfrau von Elisabeth Jerichau-Baumann (1863); ja: da war es ausnahmsweise eine Frau, die so malte, dass es Männern Angstlust bereitet.
Blass, wenn auch ganz anders, sind dann auch die Frauen, wie die Präraffaeliten sie etwas später auf ihre Leinwände brachten; einige zumindest repräsentative Beispiele für diese sehr englische Ausprägung der Romantik hängen da nun; ebenso Beispiele aus Symbolismus und Neuer Sachlichkeit. Wir erfahren etwas, wie das Motiv der tödlichen Schönen von den Leinwänden der Maler_innen etwa auf die im jungen Kino weiter wanderte und in die Bildstrecken der Illustrierten: Reale Stars und Sternchen wurden im frühen 20. Jahrhundert zu Femmes fatales erklärt.
Femme Fatale. Blick – Macht – Gender: bis 10. 4., Hamburger Kunsthalle
Begleitendes Filmprogramm im Metropolis-Kino
Und am Ende, recht spät – kunsthistorisch, aber auch im Ausstellungsrundgang –, sehen wir sie in Zweifel gezogen, subvertiert, ironisiert, dekonstruiert, die ermüdend selbstverständlich mit bloßen Brüsten gezeigten Fantasiegestalten. Bei diesem letzten Schritt sind dann, kaum überraschend, die Künstlerinnen mal nicht in der Minderheit.
Das Chronologische ist die dominante Logik der Ausstellung, aber hie und da erlaubt man sich doch Assoziatives: Gleich neben den Präraffaeliten-Gemälden ist Sonia Boyce’ Videoinstallation „Six Acts“ zu sehen, über jene gern missverstandene Aktion 2018 in einem Museum in Manchester: Das Bild „Hylas and the Nymphs“ (1896) des Malers John William Waterhouse – kein Präraffaelit, aber in der direkten Nachbarschaft zu Hause – wurde da unter Hinweis auf seine schlecht gealterte, reichlich voyeuristische Darstellung der Frauen-, oder doch eher Mädchenkörper symbolisch abgehängt. Interessierte in Nah und Fern erklärten das flugs zu Zensur; nicht zuletzt ja auch ein Spiel mit Erregung und Grusel, dieses „cancel culture“-Geschrei.
Ein nicht gleich weltweit beachtetes, ähnlich gelagertes spezifisch Hamburger Problem übrigens gab auch den Anstoß zu „Femme Fatale“: Hans Makarts „Der Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen“ (1878), seit 2020 im eigenen Saal präsentiert, habe eine „fruchtbare“ Diskussion angeregt über Nacktheit und Sexismus, erzählten Klar und Bertsch, und ein vorläufig letztes Ergebnis ist diese Ausstellung: Statt solche anstößigen Stücke im Depot zu verstecken, so die Maxime, lieber das Anstößige offensiv der Diskussion anheimgeben. Dafür lässt sich trefflich streiten (dagegen erst recht, klar) – ob der Kontext das Zeigen akzeptabler macht oder nicht (und wer das am Ende eigentlich entscheiden soll): Diese Debatte ist noch lange nicht vorbei.
Löst die Ausstellung ein, was ihre Macher, Pardon, Macher_innen beanspruchen? Oder kommt alles Brechen, Hinterfragen, Untergraben immer noch zu kurz gegenüber der schlichten Wiederholung, also dem Zeigen eines heiklen Frauenbilds in etlichen Schattierungen? Kommt darauf an, woran man es misst: Affirmation der und Widerrede gegen die Männerfantasie könnten besser austariert sein. Aber als Diskussionsbeitrag verstanden, klappt hier auch schon recht viel: Und sei’s, weil es hilft zu kennen, was man abgeschafft wünscht.
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