Außenministerin in Indien: Fladenbrot in Neu-Delhi
Annalena Baerbock besucht Indien. Dabei betont die Ministerin nicht nur gemeinsame Werte, sondern ist auch in Sachen Fachkräfte und Energie unterwegs.
Deutschland wolle Wartezeiten und bürokratischen Aufwand bei entsprechenden Visaanträgen verringern, betonte Baerbock. Bisher sorgten lange Wartezeiten für Verzögerung, auch wenn in Westindien bereits ein neues Visazentrum eingeweiht wurde, das bis zu 250.000 Anträge im Jahr bearbeiten soll.
Doch Studierende müssten derzeit laut dem Deutschen Konsulat in Mumbai mit vier Monaten Bearbeitungszeit rechnen. Das ambitionierte Vorhaben, südindische Krankenpfleger:innen für deutsche Kliniken anzuwerben, lief bisher auch nur mäßig an.
Anders klangen da die wohlwollenden Worte, die Jaishankar von der hindunationalistischen Volkspartei (BJP) und Baerbock von den Bündnisgrünen bei der gemeinsamen Pressekonferenz fallen ließen. Sie nannte ihr Treffen wie „einen guten Freund besuchen“. Die beiden hatten sich kürzlich schon bei verschiedenen Gipfeln getroffen.
Baerbock: Indien ist „kein Ersatzpartner für China“
„Deutschland und Indien teilen das Vertrauen in grundlegende Werte: in Demokratie, Menschenrechte und in eine regelbasierte Ordnung. Indien übernimmt dabei mit dem G20-Vorsitz in einem schwierigen Moment globale Verantwortung“, so Baerbock.
Im Unterschied zu China verbinde man mit Indien eine „Wertepartnerschaft“. Mit Russland habe man die Erfahrung gemacht, wie gefährlich es sein könne, von Partnern abzuhängen, die keine Wertepartner seien, erklärte die Ministerin.
Während Deutschland den G7-Vorsitz innehat, übernahm zu Monatsbeginn Indien den Vorsitz der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20), das „schon immer Partner für Deutschland und die EU“ war, sagte Baerbock. Und kein „Ersatzpartner für China“ sei, aber wohl ein Gegengewicht.
Direkt vor ihrer Reise hatte sie Indien als Beispiel dafür gelobt, dass Pluralität, Freiheit und Demokratie ein Motor für wirtschaftliche Entwicklung, Frieden und Stabilität seien, womit das Land bisher 400 Millionen Menschen aus absoluter Armut befreit habe. Hinter diesen Schmeicheleien stehen handfeste Interessen – auf beiden Seiten.
Kritik am EU-Ölpreisdeckel
„Unsere strategische Partnerschaft, die seit mehr als zwei Jahrzehnten besteht, wurde durch einen verstärkten politischen Austausch, einen immer größeren Handel und mehr Investitionen gestärkt“, sagte Jaishankar. Deutschland bekundete auch das Interesse, die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik im Indopazifik zu verstärken.
Auch will Deutschland eine Milliarde Euro für erneuerbare Energien, Stadtentwicklung („Smart Cities“) und einen allmählichen Kohleausstieg bereitstellen. Damit sollen in Indien 20 Entwicklungsprojekte finanziert werden aus einem Mix an Zuschüssen und KfW-Krediten. Indien soll bei einer nachhaltigen Elektrifizierung in Regionen unterstützt werden, die bisher noch keine durchgängige Stromversorgung haben.
Doch Indien reagiert zugleich zurückhaltend auf den von der EU beschlossenen Ölpreisdeckel von 60 Dollar pro Barrel für russisches Öl. Die Europäer hätten seit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine mehr fossile Energieträger aus Russland eingeführt als die nächsten zehn Staaten weltweit zusammen, sagte Jaishankar.
Verständnis für die EU-Position habe man aber. „Wir verstehen, dass die europäischen Länder ihre eigenen Entscheidungen auf der Grundlage nationaler Prioritäten treffen. Aber Europa kann keine Entscheidungen treffen, um seinen Energiebedarf zu priorisieren, während es Indien auffordert, etwas anderes zu tun“, so Jaishankar. Mit dem gestiegenen Interesse der EU an Öl aus dem Mittleren Osten seien auch für Länder wie Indien die Einkaufspreise gestiegen.
Eine Kehrtwende in Delhis freundschaftlichen Beziehungen zu Moskau werde es kaum geben, machten Jaishankars Aussagen erneut deutlich. Letzte Woche wurde bekannt, dass Moskau in Indien über 500 Produkte, darunter Teile für Autos, Flugzeuge und Züge, angefragt hatte. Indien wolle seinen Handel mit Russland ausbauen, gab Jaishankar offen zu, doch das nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine.
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