Ausschreitungen zu Silvester: Nur Alis und Mohammeds
In Sachsen kommt es Silvester zu „Sieg Heil“-Rufen – eine Debatte über Rechte löste das nicht aus. Stattdessen müssen wieder Ausländer herhalten.
Heil Hitler“, riefen sie Silvester 2018/19 in Borna im Landkreis Leipzig. Dieses Silvester war dort „Sieg Heil!“ zu hören. Rettungskräfte und Polizei sind mit Böllern und Raketen angegriffen worden. Während heruntergespielt wird, was Nazis und rrreine Deutsche zum Jahreswechsel so treiben, müssen aber eher Ausländer für die Silvesterrandalen herhalten.
Der Aufruhr ist groß, als mit Bezug auf eine Polizeimeldung medial verbreitet wird, dass mehrheitlich Nichtdeutsche in Berlin wegen der Ausschreitungen festgenommen worden seien. CDU- und AfD-Abgeordnete wollen Vornamen mutmaßlicher Täter erfahren und sprechen rassenkundlich von „Phänotypen“. Sie sind sicher: So was machen nur Alis und Mohammeds. Inzwischen hat sich auf Nachfrage des Tagesspiegels bei der Polizei herausgestellt, dass offenbar doch mehrheitlich Deutsche beteiligt waren und sowieso nicht 145, sondern lediglich 38 Personen festgenommen wurden.
Doch da war sie schon ausgelöst, die Integrationsdebatte. Befeuert auch durch Innenministerin Nancy Faeser, die fälschlicherweise von „gewaltbereiten Integrationsverweigerern“ spricht. Rassistische Ressentiments? Das würde sie sicherlich von sich weisen, wie die Polizei die Anwendung von Racial Profiling. Zu den Vorfällen mit den Nazis hat sie sich nicht geäußert. Indem die Politik solche Ausschreitungen ethnisiert, muss sie sich mit möglicher Unzufriedenheit und Lebensrealität der Randalierenden nicht befassen.
Wenn von „Integrationsverweigerern“ die Rede ist, fordern Rechte die Verschärfung des Asylrechts und mehr Abschiebungen. Das ist nichts Neues. Diese aufgewärmte Integrationsdebatte ist langweilig und kräftezehrend. Was mich eigentlich stört: Wenn eine Auflehnung gegen den Staat und seine Institutionen nicht von Nazis kommt, wird sie von Vertreter*innen von Recht und Ordnung verteufelt, als würde man über den verstorbenen Papst Ratzinger sagen, er habe pädophile Straftäter gedeckt.
Konstruktive Vorschläge
Im Kontext von Silvester, aber auch im Zusammenhang der Aktionen von Kimaktivist*innen in Lützenrath ist von „Gewalt gegen die Polizei“ und „Ablehnung des Staats“ die Rede. Doch der Fokus auf diese Diskussion führt dazu, dass andere wichtige Aspekte übersehen werden: konstruktive Vorschläge wie bundesweit unabhängige Beschwerdestellen und eine Debatte über die Heftigkeit von Polizeieinsätzen oder die bekannte Kritik an der Polizei, die als Vertreterin des Staats immer Auflehnung erfahren muss.
Die Integrationsdebatte nimmt auch Raum ein, wo jugendliche Rebellion als Normalität diskutiert werden sollte. Auch inhaltliche Forderungen der Klimabewegung werden nicht ernst genommen, sondern die Aktivist*innen als „Klimaterrorist*innen“ diskreditiert. Das ist ein Armutszeugnis für diese Debatten. Etwas mehr Verständnis für andere soziale Verhältnisse und etwas mehr Punk im Geiste stünde den Deutschen gut zu Gesicht.
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