Ausschlussverfahren gegen Boris Palmer: Grüne gegen Grünen

Boris Palmer ist mindestens so prominent wie umstritten. Am Samstag nun beginnt das Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister.

Boris Palmer steht mit seinem Fahrrad und einer grünen Jacke im Regen.

Noch ist Boris Palmer ein Grüner: Ab Samstag berät ein Schiedsgericht, ob er es bleibt Foto: Christoph Schmidt/dpa

Karlsruhe taz | Mit Boris Palmer und den Grünen ist es seit Jahren so, als würde man zwei Zügen bei der unausweichlichen Kollision zuschauen. Vorläufiger Höhepunkt: Am Samstag sitzt das grüne Parteischiedsgericht in der Landesgeschäftsstelle über eins ihrer prominentesten Mitglieder zu Gericht. Über 20 Vorwürfe auf 33 Seiten fasst der Ausschlussantrag zusammen.

Auslöser für den Rauswurfversuch vom Mai letzten Jahres war Palmers fast schon berühmt misslungener Facebook-Post zum Fußballer Dennis Aogo. Der Tübinger Oberbürgermeister hatte, wie er beteuert, in satirischer Absicht einen rassistisch Post zitiert.

Das Ausschlussverfahren versammelt jetzt Palmers Worst Hits: Sein Unwort des Jahres vom „Menschenrechtsfundamentalismus“, die Veröffentlichung von Fotos mutmaßlicher Asylbewerber, von denen er annahm, dass sie schwarzfahren. Seine Wahlkampfunterstützung für eine CDU-Kandidatin in Aalen. Aber eine der anfechtbarsten Forderungen Palmers, Asylbewerber bei Vergewaltigungsvorwürfen zu DNA-Tests zu zwingen, fehlt merkwürdigerweise.

Palmers Verteidiger, der Altgrüne Rezzo Schlauch, nannte den Ausschlussantrag „politisch und rechtlich eine grobe Fehlleistung“. 500 – allerdings fast ausschließlich ältere – Parteimitglieder von Antje Vollmer bis Ludger Volmer sprachen sich in einer Unterschriftenaktion für den Verbleib Palmers in der Partei aus.

Grüner OB-Wahlkampf wirkt wenig überzeugend

Doch die Grünen scheinen spätestens als Regierungspartei ihre frühere Integrationsfähigkeit von Querköpfen eingebüßt zu haben. Winfried Kretschmann hat seine jahrelangen Versuche, Palmers Ego einzuhegen, offenbar aufgegeben. Die neue Parteispitze in Stuttgart, die das Problem geerbt hat, erwartet das Ausschlussverfahren mit einer gewissen Schicksalsergebenheit.

Wenn Palmer bleiben dürfe, dann könne man der Basis wenigstens sagen, dass man alles versucht habe, heißt es. Und wenn nicht? Dann verlieren die Grünen ihren bekanntesten Kommunalpolitiker. Und das, kurz nachdem die neuen Vorsitzenden Lena Schwelling und Pascal Haggenmüller einen Masterplan ausgerufen haben, die Grünen besser in den Kommunen zu verankern. Eine große Aufgabe: Von den tausend Rathäusern im Land werden derzeit gerade mal neun grün regiert.

Dass die Grünen nun im Tübinger OB-Wahlkampf mit Ulrike Baumgärtner versuchen, ihren populistischen wie populären Amtsinhaber abzulösen und dadurch auch einer kommunal gut verankerten SPD-Kandidatin Sofie Geisel als mögliche lachende Dritte eine Chance geben, wirkt wenig überzeugend.

Das Parteischiedsgericht hat acht Wochen Zeit, seine Entscheidung bekanntzugeben. Palmer hat angekündigt, bei einem Rauswurf das Bundesschiedsgericht anzurufen. Die OB-Wahl ist im Oktober, der Stadtverband jetzt schon heillos zerstritten. Palmers Chancen, als unabhängiger Kandidat wiedergewählt zu werden, stehen nicht schlecht. Für ihn wäre es ein maximaler wie einsamer Triumph. Für die Grünen ist die ganze Affäre dagegen jetzt schon ein GAU.

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