Ausreisezentrum in Hamburg: Das Dublin-Zentrum wird kein Knast
In Hamburg wird eine Unterbringung für Geflüchtete eröffnet, die in einem anderen EU-Land registriert wurden. Sie bekommen kein Geld, nur das Nötigste.

Nun wird weiter an der Zumutbarkeitsschraube gedreht. Menschen, die nach Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben, sollen in die derzeit leer stehende Halle am Bargkoppelweg 60 einziehen und auf ihre Ausreise warten. Dort stehen 300 Plätze zur Verfügung, „bis sich die Verfahrensabläufe eingespielt haben“ sollen es zunächst weniger sein. Es handelt sich um Personen, die über ein anderes EU-Land eingereist sind und bei denen das Bamf eine Ausreise in dieses Land für „rechtlich und tatsächlich möglich“ erklärt.
Sie bekommen kein Geld mehr, sondern nur noch „Sachleistungen“ in Form von Verpflegung, ein Bett mit Trennwand, Heizung und Körperpflege sowie eine Gesundheitskarte. Und das für zwei Wochen. So steht es in der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Politikerin Carola Ensslen. Auch für die Rückreise würden „angemessene Kosten“ übernommen.
Nur noch Brot, Bett und Seife
Hamburg ist damit neben Brandenburg das erste Bundesland, das eine weitere Verschärfung des Asylrechts umsetzt, die die Ampel-Regierung noch im Oktober als Reaktion auf das Solinger Messerattentat vom August beschlossen hatte. Der mutmaßliche Täter hätte nach der 2013 beschlossenen Dublin-III-Verordnung bereits im Vorjahr nach Bulgarien überstellt werden müssen, was jedoch daran scheiterte, dass die Behörden ihn nicht antrafen. In Brandenburg und Hamburg sollen nun Pilotmodelle für neue Zentren entstehen, die solche Rückführungen erleichtern sollen. Außerdem soll es für alle sogenannten Dublin-Fälle diese „Leistungsaussetzungen“ geben.
Öffentlich wurden die Pläne für das Hamburger „Dublin-Zentrum“ bei einem Besuch von Innenministerin Nancy Faser (SPD) im Ankunftszentrum Rahlstedt am 12. Februar. Das Hamburger Abendblatt berichtete, dass die Menschen dort zusätzlich zu den Sachleistungen einmalig 8,85 Euro für Hygieneartikel erhalten sollen. Der Sprecher der Innenbehörde betont, dass es sich aber nicht um eine Haftanstalt handele. Allerdings bekommen die Geflüchteten eine „Wohnsitzauflage“ für Hamburg und würden zurück in die Hansestadt geschickt, wenn sie anderswo Leistungen beantragten.
„Die Unterbringung bedeutet nur noch Brot, Bett und Seife“, sagt die Linken-Politikerin Carola Ensslen zur taz. Sie verweist darauf, dass es bereits sieben Eilentscheidungen von Sozialgerichten etwa in Osnabrück, Speyer, Landhut und Trier gebe, die Leistungsausschlüsse für rechtswidrig erklärten. Die Hamburger Behörden sehen sich daran aber offenbar nicht gebunden. „Das halte ich für verfassungswidrig“, sagt die Juristin Ensslen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stehe noch aus.
Bezirk erfährt von den Plänen aus der Presse
Protest gegen das Vorgehen der Hamburger Innenbehörde kommt nun auch aus dem Bezirk Wandsbek, in dem die ZEA Rahlstedt liegt. Denn nach Paragraf 28 des Bezirksverwaltungsgesetzes muss der Bezirk beteiligt werden, auch wegen der Auswirkungen auf den Stadtteil. „Wir haben von den Plänen aus der Presse erfahren, das ist kein Umgang“, sagt der Wandsbeker Grünen-Fraktionsvorsitzende Justin Orbán. Aus Sicht der Bezirkspolitik seien viele Fragen offen, etwa, ob auch Minderjährige in der Halle untergebracht werden sollen und ob es eine maximale Unterbringungsdauer gebe. Deshalb fordere man das „notwendige Maß an Wertschätzung“ und dass ein Referent der Innenbehörde in den Hauptausschuss kommt und die Fragen klärt.
SPD-Fraktionschef Marc Buttler hält es für unrealistisch, dass Menschen nur wenige Tage oder zwei Wochen im Dublin-Zentrum untergebracht werden. Denn die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die das System vereinfachen soll, wird erst 2026 in Kraft treten. Das neue Rahlstedter Dublin-Zentrum ist hingegen bereits einsatzbereit. „Ich frage mich, ob dort Menschen über längere Zeit ohne Geld und Perspektive sind und sich langweilen werden. Wenn das so wäre, dann wäre es kein sinnvolles Konzept“, sagt Bezirkspolitiker Buttler. Die Innenbehörde habe sich inzwischen zu einem Gespräch mit den Bezirksgremien bereit erklärt.
Die Innenbehörde ist jedoch der Meinung, dass der Bezirk nicht zwingend angehört werden müsse, da keine „wesentliche“ Änderung vorliege. „Es wird ja nur eine vorhandene Reservehalle genutzt“, erklärt ihr Sprecher.
Kinder sollen nicht dorthin
In Rahlstedt gebe es mit der ZEA bereits gute Bedingungen, „daher ergeben sich auch keine zusätzlichen Belastungen oder Auswirkungen auf den Stadtteil“. Im Gegenteil: Die Zahl der auf dem Gelände untergebrachten Menschen werde sich nicht erhöhen, sondern durch die kürzere Verweildauer der Dublin-Fälle „perspektivisch verringern“.
Auf die Frage, ob dort auch Familien mit Kindern einziehen sollen, erklärt die Behörde, dass dort zunächst nur Menschen untergebracht werden sollen, für die „keine besonderen Unterbringungsbedarfe ersichtlich sind“. Damit ist gemeint: keine Kinder. Zur Frage, wie lange die Menschen dort höchstens bleiben sollen, sagt er, es zögen dort nur Personen ein, bei denen die Ausreise tatsächlich „innerhalb weniger Wochen“ vollzogen werden kann. „Eine längerfristige Unterbringung ist nicht vorgesehen“, so der Pressesprecher.
Das Bamf verschicke derzeit die ersten Bescheide an die betroffenen Geflüchteten. „Ich habe gehört, es geht in diesen Tagen los“, sagt Carola Ensslen.
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