Aufklärung der G20-Gewalt in Hamburg: Aus Steinewerfern wird Liebespaar
Vor dem Innenausschuss haben Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeiführung ihr Vorgehen bei G20-Gipfel verteidigt.
Während der Protesttage war es neben brennenden Barrikaden und Sachbeschädigung von erheblichem Ausmaß auch zu gewalttätigen Szenen gekommen, in denen Polizist*innen auf Demo-Sanitäter*innen, Journalist*innen und Demonstrant*innen losgegangen waren. Obwohl zahlreiche Videos und Fotos die Szenen belegen, hatte Bürgermeister Olaf Scholz gesagt: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.“
Auch Grote schloss sich vor dem Innenausschuss dieser Deutung an. „Polizeigewalt unterstellt strukturelles, rechtswidriges, gewalttätiges Eingreifen der Polizei“, sagte der Senator. Um die Einschränkungen für die BewohnerInnen der Stadt gering zu halten, habe man sich auf drei Maßnahmen beschränkt: die Einrichtung der Sicherheitszonen um die Tagungsorte, die Demoverbotszone in der Innenstadt für die Transferkorridore der Staatsgäste, und darauf, keine zentralen Übernachtungscamps zuzulassen. Grote bilanzierte: „Im Nachhinein kann man keinen vernünftig begründeten Zweifel an der Notwendigkeit dieser drei Maßnahmen artikulieren.“ Den Polizeieinsatz bezeichnete er als eine „extreme Herausforderung für alle Polizeikräfte, die ganz weit überwiegend herausragend bewältigt“ worden sei.
Innensenator andy Grote über den Polizeieinsatz zum G20-Gipfel
Kriminaldirektor Hieber erklärte, die Polizei sei von den Vorgehensweisen „Krimineller aus dem linksradikalen Spektrum“ überrascht gewesen. So hätte die Polizei zwar damit gerechnet, dass insbesondere autonome Gruppen aus dem Ausland auch „lebensgefährliche Verletzungen von Polizeibeamten in Kauf nehmen“ würden, nicht aber damit, dass es zu Aktionen kommen werde, die „eine vorsätzliche Tötung“ von Sicherheitskräften zum Ziel hätten. Beispiele für solch ein Vorgehen nannte Hieber nicht.
Gewalttäter oder bunt-gekleidetes Partyvolk?
Verwirrt hat die Polizei offenbar auch die durchaus bekannte Taktik Protestierender, sich unterwegs umzuziehen. An vielen zentralen Punkten haben man Kleiderreservoirs gefunden. „In Sekundenschnelle“ hätten sich schwarz gekleidete Gewalttäter in bunt angezogenes Partyvolk verwandelt.
Aus maskierten Steinewerfern seien binnen kürzester Zeit modisch gekleidete Liebespaare am Wegesrand geworden, die für die Polizei nicht mehr zu identifizieren waren. „Der schwarze Block war plötzlich nicht mehr schwarz“, fasste der Kriminaldirektor die Identifizierungsprobleme der Einsatzkräfte zusammen.
Die Sitzung des Innenausschuss war nur der Anfang einer vermutlich langen Aufarbeitung der Ereignisse. Ein Sonderausschuss soll seine Arbeit voraussichtlich am 31. August aufnehmen. Der Opposition geht das nicht weit genug: Die Linkspartei fordert die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungssauschusses (PUA), der mehr Befugnisse und einen weitergehenden Aufklärungsauftrag hätte. Die CDU behält sich vor, sich der Forderung anzuschließen.
Untersuchungsausschuss hätte mehr Rechte
Im Unterschied zu den regulären parlamentarischen Ausschüssen wie dem Innenausschuss kann im PUA auch eine Ausschuss-Minderheit Beweisanträge stellen. Das heißt, sie kann erwirken, dass Akten vorgelegt und Zeugen vorgeladen werden. Im G20-Sonderausschuss hingegen kann nur eine Mehrheit so etwas bewirken – und die hat die Regierungskoalition.
Der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken von der Linken warf der Hamburger Regierung vor, sie habe offenbar viel zu verbergen, anderenfalls könnte sie ja der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zustimmen. Bei dem Sonderausschuss sei die von Scholz vorgegebene Marschrichtung klar: „Findet bloß nichts raus!“
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