Attac ohne Gemeinnützigkeit: Angst vor Attac-Schicksal
Seit zehn Jahren gilt die NGO Attac nicht mehr als gemeinnützig. Viele Vereine halten sich seitdem politisch zurück – dabei gibt es Lösungsvorschläge.
![Aktivisten von attac protestieren. Aktivisten von attac protestieren.](https://taz.de/picture/6937186/14/35073213-1.jpeg)
Für zehntausende Organisationen ist der vom Finanzamt verliehene Status der Gemeinnützigkeit fester Bestandteil der Finanzplanung. Spenden aus der Bevölkerung sind dann steuerlich absetzbar, was die Spendenbereitschaft und damit die Einnahmen erhöht. Außerdem wird keine Körperschaft- und Gewerbesteuer fällig. Allerdings läuft seit Jahren ein grundsätzlicher Rechtsstreit. Den will die Bundesregierung eigentlich mit einer gesetzlichen Änderung klären. Doch das dafür eingesetzte Gremium aus sechs StaatssekretärInnen kann sich nicht einigen.
Die Hängepartie begann vor fast genau zehn Jahren. Damals entzog das Finanzamt Frankfurt/Main der globalisierungskritischen Organisation Attac den begehrten Status. Diese wehrte sich juristisch, worauf der Bundesfinanzhof 2019 ein weitreichendes Urteil fällte. Die ständigen Versuche der einseitigen Politikbeeinflussung durch Attac stünden nicht in Einklang mit den gemeinnützigen Zwecken der „Volksbildung“ und der „Förderung des demokratischen Staatswesens“. Nun liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht.
Anfangs bekam Attac weiter viele Spenden. Sprecherin Frauke Distelrath führte das auf den Solidaritätseffekt zurück. Seit 2019 aber nahmen die Einnahmen ab, was wohl auch mit der fehlenden Absetzbarkeit zu tun hat. Vergleichbare Entscheidungen der Finanzämter ereilten in der Zwischenzeit zahlreiche Vereinigungen, etwa die Kampagnen-Organisation Campact, die Petitionsplattform innn.it oder den antifaschistischen Verband VVN. Innn.it und VVN erhielten die Gemeinnützigkeit mittlerweile zurück.
Liste der gemeinnützigen Zwecke erweitern
Lösen ließe sich das Problem durch eine Änderung der Abgabenordnung, die momentan 26 förderungswürdige Tätigkeiten aufführt. Andreas Fisahn, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld, plädierte für Formulierungen, die mehr Offenheit ermöglichen. Die Demokratie werde auch durch den Streit über konträre und einseitige politische Positionen gefördert, argumentierte er. Diefenbach-Trommer hielt es für möglich, den Katalog der gemeinnützigen Zwecke zu erweitern.
Derartige Bewegung ist augenblicklich jedoch nicht zu beobachten. Weder entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Klage von Attac gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit. Noch kommt die Regierung voran. Die zuständigen Abgeordneten von SPD und Grünen, Nadine Heselhaus und Sabine Grützmacher, erwarten zwar, dass die Lösung im Jahressteuergesetz 2024 steht. Doch das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) hält sich bedeckt.
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