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Atom-Aus in DeutschlandUnion will AKW-Ausstieg überprüfen

CDU und CSU setzen auf einen Untersuchungsausschuss. Die Grünen sehen darin ein „wahltaktisches Manöver“.

Wollen einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zum Atomausstieg der Regierung: Oppositionspolitiker Merz und Dobrindt Foto: Stefan Boness

Berlin taz | Die Union will im Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu den Umständen des Atomausstiegs im April 2023 einsetzen. Einen entsprechenden Antrag werde seine Fraktion in der kommenden Woche einbringen, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, am Dienstag in Berlin. Die Fraktion werde im Laufe des Dienstagsnachmittags einem entsprechenden Vorschlag von CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zustimmen. In dem Untersuchungsausschuss soll es vor allem um die Frage gehen, ob im von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsministerium Einschätzungen der Fachebene übergangen wurden, dass die damals drei verbliebenen AKWs länger hätten laufen können.

„Die uns vorliegenden Informationen drängen die Schlussfolgerung auf, dass die Bundesregierung in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit nicht zum Wohle Deutschlands, sondern ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik entschieden hat“, heißt es in dem Brief von Merz und Dobrindt an die Fraktion. Der Untersuchungszeitraum soll am 24. Februar 2022 beginnen, die konstituierende Sitzung noch vor der Sommerpause stattfinden. Der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses muss ein Viertel der Bundestagsabgeordneten zustimmen, die Stimmen der Union reichen dafür. Nach dem gängigen Verteilungsverfahren würde der Union der Vorsitz zufallen.

Neben Habeck und der für nukelare Sicherheit zuständigen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wäre auch das Bundeskanzleramt von der Untersuchung betroffen, betonte Merz. Man wolle klären, ob es wirklich eine vorurteilsfreie Prüfung oder zuvor eine parteipolitische Festlegung gegeben habe und ob die Öffentlichkeit darüber richtig informiert worden sei. „Es ist kein Untersuchungsausschuss gegen die politische Entscheidung der Bundesregierung aus der Kernenergie auszusteigen“, sagte Merz – auch wenn man diese für falsch halte. Ursprünglich geht der Atomausstieg auf die schwarz-gelbe Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zurück.

Aus den Ministerien habe man bisher nur unvollständige und geschwärzte Unterlagen erhalten. Hintergrund ist ein Bericht des Magazins Cicero,wonach sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein sollen. Beide Ministerien bestreiten dies, auch unabhängige Ex­per­t*in­nen hatten den Bericht nach Erscheinen als aufgebauscht bezeichnet.

Grüne weisen Vorwürfe zurück

Lemke verteidigte die Entscheidungsfindung zur Abschaltung erneut. „Eine der transparentesten Entscheidungen, die im Jahr 22 getroffen worden ist, war die Frage: Lassen wir AKWs länger am Netz laufen?“, sagte sie im Deutschlandfunk. Alles sei öffentlich nachvollziehbar gewesen. „Das BMWK hat bereits während der Entscheidungsfindung in der Zeit der akuten Energiekrise als auch in den letzten Wochen umfassende Informationen zur Verfügung gestellt und die Entscheidung transparent gemacht“, hieß es auf Anfrage der taz aus Habecks Wirtschaftsministerium.

Auch die grüne Fraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, wies die Vorwürfe der Union zurück. „Wir haben keine Frage schon 2022 so öffentlich und so intensiv diskutiert wie die Frage, ob ein kurzfristiger Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken notwendig ist“, sagte sie und verwies auf Stresstests, die Aussagen der AKW-Betreiber und Erklärungen der Bundesregierung über den Stand der internen Beratungen. „Alle Fragen sind aus meiner Sicht erklärt und beantwortet worden.“ Es sei fragwürdig, dass die CDU ganz normale ministerielle Beratungsprozesse – „wahrscheinlich aus wahlkampftaktischen Manövern“ – zu skandalisieren versuche. Am Ende sei es Aufgabe der Politik, Entscheidungen zu treffen.

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19 Kommentare

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  • North Stream II könnte doch näher untersucht werden, auch wenn sich da Union wie SPD nicht mit Ruhm bekleckerten.

    Für den Atomausstieg hingegen gab und gibt es gute Gründe, die eine sehr breite Mehrheit im Parlament überzeugten. Mit dem Verlotternlassen der Reaktoren war dann auch die Entscheidung getroffen. Die Verlängerung war dann grenzwertig für unsere ansonsten so TÜV-treue Gesellschaft.

  • Bei der CDSU dreht sich ALLES nur um um Hauen und Stechen bezügl. der nächsten Wahlen, sie nutzen die Unpopularität dringend notwendiger politischer Maßnahmen schamlos aus - und dafür verfügen sie über exakt das richtige Personal.

  • Ob Frau Merkel auch vorgeladen wird. Der Zeitplan der Stillegungen stammt von ihrer erst schwarz-gelben, dann von ihrer schwarz-roten Koalition.

  • In Bayern laufen die Uhren anders. Trotzdem Herr Söder, die Atomkraft ist tot und wird auch tot bleiben.

  • Es ist doch Aufgabe der Opposition, die Regierungsarbeit gegebenenfalls auch sehr unbequem zu begleiten, sonst bräuchten wir keine. Ich verstehe die Aufregung nicht.

  • Wie sagt maus so schön: Da bin ich ganz bei Ihnen.

    • @0 Substanz:

      Sollte eigentlich unter Heinz Kuntzes Kommentar stehen.

  • "„Die uns vorliegenden Informationen drängen die Schlussfolgerung auf, dass die Bundesregierung in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit nicht zum Wohle Deutschlands, sondern ausschließlich nach der Logik grüner (schwarzer) Parteipolitik entschieden hat“"



    Dieser Satz lässt sich historisch austauschen und an die CDSU gerichtet formulieren.



    Wer trägt denn heute die Verantwortung für die Gasabhängigkeit von Russland?



    Gab es hierzu einen Untersuchungsausschuss? Es wird höchste Zeit diesen zu beantragen. Dann würden vermutlich nicht nur Beziehungen von Hrn. Grah und der AfD, sondern auch von einigen CDSU Politikern nach Russland bekannt.



    War es gar die CDSU, die unsere Wirtschaft durch diese Abhängigkeit zu Russland in den letzten zwei Jahren entsprechend geschädigt hat. Der seit Jahrzehnten von CDSU versäumte energiepolitische Umbau verursachte die überhöhten Strompreise. Wir könnten längst seit Jahrzehnten von Schurkenstaaten Energieunabhängig sein. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

    • @Sonnenhaus:

      Der Gasimport begann vor über 50 Jahren aus der damaligen Sowjetunion, wurde unter Schröder und rot grün ausgebaut und von der Merkel-Regierung fortgeführt.



      Immer zu preislich attraktiven Konditionen und immer unter der Missbilligung der USA.



      Die wirtschaftliche Stärke der BRD, insbesondere im Industriebereich, fußt auf 50 Jahren sicherer und günstiger Versorgung aus dem Osten.



      Das wird sich nun wohl größtenteils in Luft auflösen.

      • @Enno Strömer:

        Richtig. Und es führt einerseits zu einem wirtschaftlichen Abstieg und andererseits zu anderen und neuen Abhängigkeiten, und zwar von anderen "Schurkenstaaten" und von den grundguten USA. Diese Schwarz-/Weißmalerei ist das Gegenteil von wirtschaftlichem und politischem Pragmatismus und Diplomatie, sondern folgt nur einem bestimmten Narrativ, das von bestimmten Interessensgruppen verbreitet wird. Während einige von dieser Entwicklung profitieren, wird die breite Masse eine gravierende Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse hinnehmen müssen. Danke für nichts, liebe Transatlantiker. Wenn Trump wieder Präsident werden sollte, dann haben Deutschland und Europa endgültig schlechte Karten.

  • Können wir bitte in Zukunft auch bei Entscheidungen der Union immer untersuchen, ob dieses „zum Wohle Deutschlands“ getroffen wurden?

    • @Michi W...:

      Gute Idee. Doch das bedeutet, dass ein permanenter U-Ausschuss im BT eingerichtet werden müsste und ständig !! tagt.

  • Die volle Wahrheit kann auch unangenehme Details beinhalten, denn die Verstrickungen sind ziemlich undurchsichtig.



    /



    Aus zeit.de 2012❗



    "Uran aus russischen Waffen für deutsche Atomkraftwerke



    In deutschen AKW werden offenbar in großem Stil Brennelemente verwendet, deren Uran aus russischen Atomwaffen stammt – es wäre ein für beide Seiten profitables Geschäft."



    /



    www.zeit.de/wirtsc...raft-russland-uran



    Und weiter:



    "Auch sei erwogen worden, den noch gefährlicheren Atombombenstoff Plutonium aus russischen Militärbeständen in deutschen Kraftwerken zu verwenden, obwohl diese Bestände in den vereinbarten Restlaufzeiten gar nicht hätten verbraucht werden können."



    Profit ist die Maxime, Versorgungssicherheit ist teilweise vorgeschoben. Und die satten Gewinne führten mit Entschädigungen dazu, dass die Betreiber selbst am Ende auf einen Weiterbetrieb keinen gesteigerten Wert legten.



    /



    ❗2019:



    www.tagesspiegel.d...edigt-6607834.html

  • Die Christenparteien brauchen keine Brandmauern mehr: In Sachen destruktiver Parlamentsarbeit überholen sie die "AfD" inzwischen rechts.

  • Ich halte drei Untersuchungsausschüsse für zwingend notwendig:



    1. Untersuchungsausschuss zu der Frage wieso die Merkel Koalition in den 2010-er Jahren die Energiewende zu klimaneutralen Technologien abgewürgt hat, dabei die Schlüsseltechnologie “Photovoltaik” an China verloren hat, und dabei noch rund 120.000 Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet hat. Der Verlust für die deutsche Volkswirtschaft dürfte die 100 Milliarden locker überschreiten.



    2. Untersuchungsauschuss zum Thema; Wieso hat die Merkel - Regierung Deutschland in eine extrem gefährliche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl gebracht? Diese fatale Fehlentscheidung hat letztendlich Deutschland in die größte Energiekrise seit der Ölkrise gebracht, und wahjrscheinlich hätte sich Putin ohne diese Fehlentscheidung nicht getraut, die Ukraine anzugreifen.



    3. Untersuchungsausschuss rund um die merkwürdigen Vorgänge zu Nordstream 2.

    • @Heinz Kuntze:

      Stimme Ihnen vollkommen zu.



      Zu diesen drei Punkten ist jeweils ein Untersuchungsausschuss zu beantragen. Doch wer wird das tun?

  • Sehr schön. Was, lieber Herr Merz, lieber Herr Dobrindt, was soll ein GRÜNER Minister denn forcieren? Die CDSU Retro-Politik? Und wenn schon Untersuchung von parteibezogenen Handlungen im Ministerium - wie steht's denn mit der PKW Maut? War das vielleicht blanke CSU Wahlwerbung? Kommt Andy auch vor'n Kadi??

  • "Atom-Aus in Deutschland: Union will AKW-Ausstieg überprüfen "



    Vor und zurück, vor und zurück... so kommt Deutschland voran.

    • @Encantado:

      Deswegen wollen die jetzt doch auch ein Verbrenner-Aus-Aus. Um dann, wenn der Karren richtig vor der Wand ist und kein deutscher Autobauer mehr irgendetwas auf der Pfanne hat in Sachen alternative Antriebe ein Verbrenner-Aus-Aus-Aus zu beschließen.

      So geht "Einfach mal machen" -- und nichts dabei denken.