Armut unter Studierenden: Die Not nicht im Blick

Die Sozialerhebung des Studierendenwerks zeigt: Die Lage ist für viele prekärer geworden. Die Ampel sollte ihren Koalitionsvertrag ernst nehmen.

Studenten sitzen in einem großen Hörsaal

Die Verschuldungsangst bei Studierenden aus Nichtakademikerfamilien ist überproportional hoch Foto: Peter Kneffel/dpa

Wenn es um die Bekämpfung der Armut geht, ist bei der Ampel schnell das Ende der Fahnenstange erreicht. Die geplante Kindergrundsicherung wackelt, weil FDP-Finanzminister Christian Lindner keine ausreichenden Gelder zur Verfügung stellt. Und Studierenden gegenüber tritt die Bundesregierung gönnerhaft auf, indem sie ihnen einmalig 200 Euro überwiesen hat.

Dabei dokumentiert die neue Sozialerhebung des Studierendenwerkes eindrücklich, dass für sehr viele Studierende viel mehr Hilfe nötig wäre. Die seit Jahren ungebremsten Mieten und die jüngst explodierten Heiz- und Lebensmittelkosten haben ihre finanzielle Situation so weit verschärft, dass der Begriff strukturelle Armut bei der Gruppe keine Übertreibung ist. Es ist höchste Zeit, dass die Ampel dies anerkennt – und entsprechend handelt.

Um damit anzufangen, bietet sich an, die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen: SPD, Grüne und FDP wollten das BAföG so reformieren, dass es besser zur Realität an den Unis passt und denen unter die Arme greift, die keine Unterstützung von den Eltern bekommen.

Bis heute können BAföG-Empfänger:innen nicht einfach das Studienfach wechseln oder in Teilzeit studieren. Bis heute endet die Förderung mit dem Ablauf der Regelstudienzeit. Und bis heute ist die Verschuldungsangst bei Studierenden aus Nichtakademikerfamilien überproportional hoch. All das wollte die Ampel anpacken – doch bleibt es bislang bei der Absichtserklärung.

Gehandelt mit angezogener Handbremse

Und dort, wo die Bundesregierung handelte, tat sie es mit angezogener Handbremse: Die erhöhten BAföG-Sätze hat die Inflation längst gefressen. Der „Notfallmechanismus“, der das BAföG für alle Studierende öffnet, greift nicht für den aktuellen Notfall.

Und auf die versprochene Soforthilfe über 200 Euro mussten die Studierenden geschlagene sechs Monate warten. Man kann nicht behaupten, dass die Politik deren Nöte auf dem Radar hätte. Es wäre gut, wenn sich dies endlich ändert – am besten vor dem nächsten Winter.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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