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Armut in Deutschland21 Prozent der Kinder leiden dauerhaft

Mehr als jedes fünfte Kind lebt länger als fünf Jahre in ungesicherten Verhältnissen. Die Armut vererbe sich häufig in die folgende Generation, so eine Bertelsmann-Studie.

Kein Kino, kein Computer, keine neue Kleidung. Wer arm ist, ist vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen Foto: dpa

Gütersloh dpa Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland lebt laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung länger als fünf Jahre in armen Verhältnissen. Für zusätzlich 10 Prozent der Kinder in der Bundesrepublik ist Armut nach der Untersuchung, die am Montag vorgestellt wird, zumindest ein zwischenzeitliches Phänomen. „Kinderarmut ist in Deutschland ein Dauerzustand. Wer einmal arm ist, bleibt lange arm. Zu wenige Familien können sich aus Armut befreien“, sagt Stiftungsvorstand Jörg Dräger zum Ergebnis der Studie, die der dpa vorab vorlag.

Als armutsgefährdet gelten Kinder, die in einem Haushalt leben, der über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens verfügen kann oder vom Staat eine Grundsicherung erhält. Wie viele Kinder in armen Verhältnissen leben, ist bekannt. Neu aber: Für die Studie haben die Forscher erstmals über den Zeitraum von 2011 bis 2015 untersucht, wie undurchlässig die sozialen Milieus sind.

Armut bedeutet laut Bertelsmann-Stiftung für die Kinder Verzicht. Die Grundversorgung ist demnach in der Regel gewährleistet, aber die Betroffenen sind vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt. Um das messbar zu machen, fragen die Wissenschaftler, welche 23 Güter und Aspekte aus finanziellen Gründen in den Familien fehlen. Darunter fallen Kinobesuche, Freunde einladen, Computer mit Internetzugang oder eine zu kleine Wohnung. Kinder in einer dauerhaften Armutslage geben laut Studie an, dass ihnen im Schnitt 7,3 der abgefragten Güter fehlen. Kinder mit zwischenzeitlicher Armutserfahrung geben an, im Durchschnitt auf 3,4 Dinge verzichten zu müssen. Kinder, die dauerhaft in gesicherten Verhältnissen leben, fehlen aus finanziellen Gründen im Schnitt nur 1,3 der abgefragten 23 Güter.

„Die zukünftige Sozialpolitik muss die Vererbung von Armut durchbrechen. Kinder können sich nicht selbst aus der Armut befreien – sie haben deshalb ein Anrecht auf Existenzsicherung, die ihnen faire Chancen und gutes Aufwachsen ermöglicht“, sagt Dräger. Daher solle die Politik Kinder nicht wie kleine Erwachsene behandeln, sondern die bisherigen familienpolitischen Leistungen neu bündeln und unbürokratisch helfen.

Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden hat sich in den letzten Jahren spürbar erhöht

Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden hat sich nach einem Bericht der Saarbrücker Zeitung in den letzten Jahren spürbar erhöht. 2016 verfügten 43,6 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe über entsprechend geringe Einkünfte. Im Jahr 2005 lag der Anteil noch bei 39,3 Prozent. Das Blatt beruft sich für seine Angaben auf aktuelle Daten der Bundesregierung, die die Sozialexpertin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, abgefragt hatte. Demnach war auch deutlich mehr als jeder dritte Alleinerziehenden-Haushalt mit minderjährigen Kindern auf Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) angewiesen. Der Anteil lag bei 36,9 Prozent. In absoluten Zahlen waren das 606 000 – knapp 42 000 mehr als 2005.

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32 Kommentare

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  • taz: "Mehr als jedes fünfte Kind lebt länger als fünf Jahre in ungesicherten Verhältnissen. Die Armut vererbe sich häufig in die folgende Generation, so eine Bertelsmann-Studie."

     

    Was ist das eigentlich für eine unlogische Aussage? Wenn sich Armut vererbt, dann wird das betroffene Kind ja wohl nicht nur "fünf Jahre in ungesicherten Verhältnissen" leben, oder dauert die Kindheit von armen Kindern jetzt nur noch fünf Jahre?

     

    Die Studie hätte sich die Bertelsmann-Stiftung auch ersparen können, denn sie hätte sich nur den Aufsatz über "Kinderarmut in einem reichen Land" von Prof. Dr. Butterwegge heraussuchen müssen, denn da hat Professor Butterwegge schon 2009 die Zahl der Kinder, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, bei 2,8 Millionen angegeben. Die wahre Armut von Kindern in Deutschland kann man auch sehr gut an der "Regelsatztorte 2017" (Hartz IV Regelsatz) erkennen, die man mit einigen Klicks im Internet findet.

     

    "Die zukünftige Sozialpolitik muss die Vererbung von Armut durchbrechen" sagt Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung. Dafür müssten Politiker aber endlich einmal zugeben, dass wir in dieser hochtechnisierten Welt nicht mehr für alle erwerbsfähigen Menschen - egal ob mit Hauptschulabschluss oder Hochschulabschluss - genügend Jobs haben und die paar "echten" Jobs (also keine Hilfsarbeiterjobs), die wir momentan noch haben, in absehbarer Zeit auch von der digitalisierten Arbeitswelt "geschluckt" werden. Das bedingungslose Grundeinkommen ist schon lange überfällig, aber unsere überbezahlten Volksvertreter wehren sich immer noch gegen das BGE.

     

    Überall auf der Welt wird die Armut immer größer, auch in Deutschland. "Deutschland? Aber hier muss doch keiner hungern, so wie in armen Entwicklungsländern, schließlich sind unsere Mülleimer mit Essensreste gefüllt und ein Mensch der Hunger hat, wird doch in der Lage sein einer Ratte ein Wurstbrot entreißen zu können" - sagen die Reichen und zählen dabei genüsslich ihr Geld.

  • "Demnach war auch deutlich mehr als jeder dritte Alleinerziehenden-Haushalt mit minderjährigen Kindern auf Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) angewiesen"

     

    Ein wirklich massives Problem. Lösungsvorschlag der Politik: Null.

    Wie auch. Dieses System kann dafür keine Lösung haben.

    Via angerechnetem Unterhalt/Unterhaltsvorschuss plus Kindergeld sind diese Kunden vom Jobcenters ja billig zu halten, so als notwendigen Grundstock des Heeres der Arbeitslosen. Die mucken nicht auf, weil sie die so nackte Existenz ihrer Kinder nicht gefährden wollen, und eignen sich prima als Warnung davor, seine Verwertbarkeit nicht mit Nachwuchs derart auf´s Spiel zu setzen. Allein das Jetzt zählt, wer wird denn da an die Zukunft denken und das gute Fünftel arme Kinder wird sich da schon ordentlich bemerkbar machen. Die heute entscheiden, sind dann vll schon tot/ haben ihr Schäfchen im Trockenen. Jetzt müssen wir mal so tun, als ob uns das bekümmert, denn wir sind ja sozial. Armutsberichte können wir dafür hernehmen, uns vor Augen zuführen, wie gut es uns noch geht. Dann ist aber wieder gut und zurück zur Tagesordnung. Nach uns die Sintflut und das Leben ist schön!

  • Ein Skandal das Leid der Kinder.

     

    Es wäre schön wenn Bertelsmann ausser Studien über Armut mal was sinnvolles macht und konsequent Ihre Medienmacht für die leidenden Kinder einsetzt - oder ganz pragmatische Ihre Milliarden Gewinne sozial in Projekte gegen Kinder Armut einbringt.

    • @Justin Teim:

      Es gibt ein kritisches Buch von Thomas Schuler über die Bertelsmann Stiftung, mit dem Titel "Bertelsmannrepublik Deutschland - eine Stiftung macht Politik".

       

      Ich glaube der Studie der Bertelsmann Stiftung ebenso wenig, wie dem (den) geschönten Armuts- und Reichtumsbericht(en) der Bundesregierung. Die Armut in Deutschland - nicht nur die Kinderarmut - wird sicherlich um einiges größer und auch verheerender sein, als uns mit solchen Studien weisgemacht werden soll.

      • @Ricky-13:

        Danke für den Buchtipp.

  • Laut einer Studie leben reiche Menschen rund zehn Jahre länger als arme. Weniger Wohlhabende haben zudem öfter chronische Krankheiten. Es gibt auch ein sozialpolitisches Problem: Arme finanzieren indirekt das längere Leben der Reichen mit.

    https://www.tagesschau.de/inland/lebenserwartung-107.html

    • @Stefan Mustermann:

      Menschen, die viel arbeiten, leben kürzer und finanzieren diejenigen, die weniger arbeiten, mit ... und das ist nicht immer eine Frage des Reichtums. Nur manchmal.

      • @TazTiz:

        Nur manchmal? Nur meistens!

  • Zitat aus dem 5 Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.

     

    „Die breite Zustimmung unserer Bevölkerung zur Sozialen Marktwirtschaft fußt auf dem Versprechen, dass Teilhabe am gesellschaftlich erwirtschafteten Wohlstand durch eigene Leistung möglich und auch für jene gegeben ist, die das soziokulturelle Existenzminimum nicht aus eigener Kraft erreichen können. Dazu gehört, dass die Gesellschaft Vorsorge gegen allgemeine Lebensrisiken trifft und besondere Lebenslagen im Sozialstaat absichert. Darüber hinaus soll sie die Menschen (wieder) zu einem selbstbestimmten Leben befähigen und dabei helfen, GLEICHE CHANCEN FÜR ALLE ZU SCHAFFEN. Die Soziale Marktwirtschaft wird unter den Bedingungen der Globalisierung auch künftig vor viele Herausforderungen gestellt. Es geht um die Frage, wie faire Arbeitsplätze gesichert und gerechte Lebensbedingungen geschaffen werden können. Dazu hat sich Deutschland auch im Rahmen der universell gültigen „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen verpflichtet.“

     

    Armut und schwere Lebensbedingungen werden von Menschen unterschiedlich gemeistert und ausgehalten. Kinder haben es am schwersten. Auch Alte und Kranke Menschen soll man wie Kinder ansehen und behandeln.

     

    Außerdem gibt es Menschen in unserer Gesellschaft, über die der Straßenfeger schreibt: „Die im Schatten sieht man (= Gesellschaft und Politik) nicht“. Das sind Obdachlose Menschen.

  • „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an,

    und der Arme sagte bleich: ‚Wär ich nicht arm wärst du nicht reich.’“

     

    Brecht hat die aktuellen Zustände schon 1934 auf den Punkt gebracht. Man muss also nicht Stiftungsvorstand sein und auch keine Studie verfasst haben um zu wissen, dass Armut (auch die von Kindern) in diesem Land genau so sehr „ein Dauerzustand“ ist, wie Reichtum von Menschen aller Altersgruppen. So lange sich nur wenige Familien von ihrem Reichtum trennen können, können sich auch nur sehr weniger Familien aus ihrer Armut befreien. Es kann halt jeder Euro nur einen Besitzer haben.

     

    Soziale Milieus sind undurchlässig hierzulande. Und wenn es nach den aller meisten Deutschen geht, soll das gefälligst auch so bleiben.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Dieses Wort von den Bilungschancen empfinde ich immer als irgendwie euphemistisch. Eine Chance ist entweder eine Möglichkeit, die in punkto Bildung jeder hat oder sie ist die Aussicht auf Erfolg, die bei jedem eine andere ist qua Intellekt, Begabung, Herkunft usw.

     

    An den Chancen kann also niemand irgendwas machen. Man muss vielmehr dafür sorgen, dass die Menschen sich bilden. Dafür ist aber das Bildungsystem insgesamt ungeeignet. Es bildet nurmehr aus und allenfalls ein, lässt aber genau zu der Entfaltung von Begabungen, die ja überall vorkommen, keine Zeit und ist auch nicht wirklich daran interessiert.

     

    Eine flächendeckende Ganztagsschule, aus der die Kinder nachmittags - aller Aufgaben ledig und motiviert für die Freizeit - herauskommen, ist wohl eher die Ausnahme denn die Regel. Stattdessen werden die Eltern aus eigenem Ehrgeiz aufgrund dessen Fehlens beim Nachwuch immer öfter zum Zusatzlehrer.

     

    Das können (sich) aber nur jene leisten, die nicht arm sind oder nicht aus den sogenannten bildungsfernen Schichten stammen. Ein Teufelskreislauf der Reproduktion der immergleichen Distanz zwischen Arm (= dumm) und Reich (= schlau).

     

    Wir müssten Schule anders aufziehen, aber wir orientieren uns stattdessen an irgendwelchen Leistungsvergleichen, wer irgendwo im Inland oder Ausland besser lesen oder rechnen kann. Das ist alles Mumpitz. Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Dieses Produkt setzt sich aber nicht aus der Note in der Schule oder der Uni zusammen, sondern fußt in erster Linie auf der Entfaltung von Talenten, von welchen jeder welche hat, egal wo er herkommt.

  • "Wer arm ist, ist vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen"

     

    Für 2,8 Millionen Kinder ist Armut in Deutschland ein Dauerzustand. Mehr als 4,5 Millionen Menschen leben in Altersarmut. 14 Millionen sind Geringverdiener und Millionen Familien und Alleinstehende erhalten eine ungenügende finanzielle Aufstockung.

     

    Insgesamt werden 33 Millionen Menschen, rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung, von der Wohlstandsentwicklung in Deutschland ausgeschlossen.

     

    Für diesen hohen Bevölkerungsanteil gibt es keine bürgerliche Interessenvertretung, keinen Wirtschaftslobbyismus und keine Parlamentsvertretung, keine bürgerliche Partei und keine nennenswerte soziale Bewegung und Regierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland.

     

    Dreiunddreißig Millionen Menschen und es werden zunehmend mehr, müssten schon ihre sozialen Interessen, nach auskömmlicher Verbesserung ihrer sozialen Rechte und Grundversorgung, mit menschenwürdiger Wohnung und bezahlter Arbeit, Schulbildung und Berufsbildung auch für Kinder aus armen Familien, Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, besserer Gesundheitsversorgung und nachhaltiger Befreiung aus drohender und vorhandener Altersarmut, in die eigene Hände nehmen.

     

    Dafür müssten sie auch die Wohnviertel der Wohlhabenden und Reichen besuchen und Betriebe und Behörden besetzten, mit wirksamem Nachdruck auf die Straße mobilisieren und Ministerien, Parteien und das Regierungsviertel blockieren.

     

    Merke: Auch die Befreiung der Kinder aus Armut in Deutschland, kann und muss vor allem auch das aktive Tätigkeitsfeld der Armen selbst sein. Dafür dürfen sie sich nicht auf die christliche Nächstenliebe und auf rechtssozialdemokratische Gutmenschen verlassen!

     

    Und sie dürfen sich dabei schon gar nicht auf wirtschaftsliberale Rechtspopulisten und Neofaschisten, in fast allen bürgerlichen Parteien, in den Landesparlamenten und im Bundesparlament einlassen!

    • @Reinhold Schramm:

      Die Nicht-Repräsentation dieser Menschen liegt aber leider auch daran, dass sie zu extrem hohem Antwil Nichtwähler sind. Wenn Sie wirklich auf 40% kommen, hätten sie eine enorme Macht, die viele aktuell nicht im Bundestag vertretene Parteien über die 5% Marke heben könnte - Parteien, die weder extrem noch auf Krawall gebürstet sind, aber sozial freundliche Programme haben. Die gibt es tatsächlich!

      Voraussetzung: sich informieren und wählen gehen!

      • @Mainzerin:

        Warum ist es aber so, dass sie nicht wählen gehen?

        Zum Wählengehen brauche ich ein Selbstwertgefühl, das mich dazu auffordert, im wahrsten Sinne des Wortes meine Stimme zu erheben. Menschen die in die Armut geraten, haben nicht selten einen familiären Hintergrund, der ein gesundes Selbstwertgefühl behindert. Wie auch, wenn die Eltern dieser selbst schon von solchem Defizit beeindruckt waren. Mangelndes Selbstwertgefühl wird so vererbt und eine Linie der Schicksalsergebenheit wird weitergeführt. Die Betroffenen sehen sich darin bestätigt, dass mit Ihnen selbst etwas nicht stimmt, wenn sich die Ablehnung der Gesellschaft in der überwiegenden Verweigerung der Teilhabe äußert. Ein Selbst- schuld ist die Grundlage des Dilemma. Warum also wählen gehen, wenn die politischen Verhältnisse für das eignen Versagen nicht verantwortlich gemacht werden?

        Es gibt also nur eine Möglichkeit, diese fatale Linie zu durchbrechen: Ich müsste trotz meines eigenen Wohlstandes einen Teil meiner Wahlentscheidung für den armen Nachbarn mit treffen. Das wird mich letztendlich etwas kosten, doch die alleinerziehende Putzfrau wird bspw mit einem Mindestlohn, der den Namen verdient, aufrecht zur Wahlurne gehen. Gebt also solchen Menschen Selbstbewusstsein und macht euer eigenes nicht vom Wohlstand abhängig. Das wäre gesellschaftliche Verantwortung.

        Den Gebeutelten einen Vorwurf zu machen, sie enthalten sich per Nichtwahl ihrer eignen Repräsentanz, geht aufgrund dieses Zusammenhangs weit am Ziel vorbei und bestätigt nur jeden der wohlhabenden Gesellschaft, nur für sich selbst wählen gehen zu müssen, ohne die Erkenntnis, dass das eigene Glück nur vom Glück aller abhängen kann.

        • @lions:

          Stimmt Anamolie, gute Überlegungen zum Nichtwählen und Selbstwertgefühl! Aber zusätzlich gibt's auch noch das Problem, WEN die Abgehängten und Prekarisierten überhaupt wählen sollten, wenn sie wöllten.

          Sämtliche etablierten Parteien von CDU/CSU, Seeheimer-SPD, FDP und leider auch zunehmend schwarzen Grünen stehen ja alle für eine Politik der sozialen Schere und des Sozialabbaus.

          Und Die Linke wird durch die Bank, auch hier, als unwählbar präsentiert - wahlweise portraitiert als "linke Spinner, die Europa mit sozialschmarotzenden Muslimen fluten wollen" oder durch Diffamierung von Wagenknecht & Co als angeblich ausländerfeindliche Neonazisse.

           

          Da wählen die Alternativlosigkeits-Gefrusteten halt gar nicht... oder die "Alternative", die ihnen noch mehr Sozialabbau und neoliberale Ökonomie mit Eindreschen auf einfache Feindbilder schmackhaft macht.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Mainzerin:

        Vielleicht der MCV?

      • @Mainzerin:

        Genau!

  • Den Begriff "Kinderarmut" halte ich für ein Unwort schlechthin, das obendrein auch noch einen fast hetzerischen Beigeschmack hat.

     

    Zu jedem armen Kind gehören auch Eltern, die ebenso arm sind. Differenzierend den Begriff "Kinderarmut" zu verwenden, wirkt ausgrenzend in dem Sinne "armen Kindern helfen ja, aber auf keinen Fall den Eltern, denn die sind schuld daran, daß es Kinder gibt".

     

    Noch ein wenige weiter über den Tellerrand geschaut bedeutet solche Armut aber auch, daß zu einer ohne eigene Schuld armen Bevölkerungschicht auch eine im Geiste noch ärmere Politik gehört, und spätestens dann eine im Geiste ebenso arme Gesellschaftsmehrheit, die eine solche Politik zuläßt.

    • @wxyz:

      Danke, sowas ähnliches wollte ich auch grade schreiben. Die Kinder-Tränendrüsendrückerei wäre ja okay, wenn dadurch mit etwas Emotionsunterstützug der Blick allgemein auf Armut, soziale Spaltung, Prekarisierung, Entsolidarisierung etc. gelenkt werden soll.

      Ich habe aber auch den Eindruck, dass mit dem Focus auf die armen Kinder primär eine Spaltung zwischen "unschuldige Kinderlein" und "selberschuld Erwachsene" erreicht werden soll. Erklärt vielleicht auch, weshalb ausgerechnet die Bertesmann-Stiftung sich so hingebungsvoll des Themas annimmt.

      • @kami:

        @KAMI Ich habe noch alles in bester Erinnerung, wie es mit der Einführung von HartzIV anfing, gleich danach die (gefühlt) nicht endenden „dezenten Hetzformulierungen“ vieler Medien mitsamt den zwangsläufigen Folgen, gleich danach die ebenso „dezent ausgrenzenden“ Formulierungen bzgl. der Niedrigrentner, und nun der inzwischen längst salonfähig gewordenen Begriffe wie „Kinderarmut“, die im Prinzip den Blick von dem ablenken, was wirklich Sache ist.

         

        Die Folgen kann man genau jetzt in den Kommentaren zu den Berichten diverser Großmedien ablesen. Da ist nicht mehr viel von Empathie zu finden, dafür umso mehr Klischeedenken, welches die Bestätigung dafür liefert, daß entsprechende Unworte verstärkt die niedere Gesinnung wecken. Es ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie sich bei genügendem Geschick per Tränendrüse so ziemlich das Gegenteil von dem erreichen/erhalten läßt, was mit Worten den Scheinheiligen ihren Heiligenschein verpaßt.

        • 3G
          35730 (Profil gelöscht)
          @wxyz:

          Die Bertelsmann-Stiftung wird als neoliberale Denkfabrik eingestuft. Den Druck zu erhöhen, um die Armen in Sklavenarbeit zu drängen ist ihre Aufgabe. Und weil der Bund keine Gelder für seriöse Studien ausgeben will, hängt er sich an die spalterischen Medien, die selbst auch schon soviel Sozialabbau betreiben, daß sie nicht mal mehr die offenkundigsten Wahrheiten zugestehen können.

           

          Daß z.B. die Schulen und Kitas mit ihren Ganzttagsbetrieben Einfluss nehmen könnten wenn sie wollten. Die Armut ist staatlich gesteuert und genauso gewollt.

  • „Kinderarmut ist in Deutschland ein Dauerzustand. Wer einmal arm ist, bleibt lange arm. Zu wenige Familien können sich aus Armut befreien“

     

    Dass dies aber kein sozusagen „ehernes Gesetz“ ist, aus dem nur ein reicher Onkel aus USA oder der Staat heraushelfen kann, dafür gibt es durchaus genug Gegenbeispiele. Nehmen wir den Altkanzler G. Schröder (für den ich ansonsten keine besondere Sympathie hege): „Die Schröders waren auf Fürsorge angewiesen. Sie lebten 1957 als achtköpfige Patchworkfamilie in einer Zweizimmerwohnung im westfälischen Osterhagen. Über seine Familie sagte der spätere Kanzler unverblümt: „Wir waren die Asozialen.“ (Wikipedia).

     

    Inzwischen ist er, wie allgemein bekannt ist, „aus dem Gröbsten ‘raus“!

    • @Pfanni:

      Dazu Schröder im Interview mit Welt am Sonntag:

      Welt am S: Auch manch anderer in der Politik hat sich aus einfachen Verhältnissen nach oben gearbeitet …

       

      Schröder: Aber es werden weniger! Unsere Gesellschaft ist nicht mehr so offen wie zu den Zeiten meiner Bildungskarriere. Heute sind das richtige familiäre Umfeld, Beziehungen, gute Schulen, bestimmte Universitäten und Auslandserfahrungen für die Karriere wichtiger als in den 50er- oder 60er-Jahren. Mich besorgt das. Denn es war doch ein großer Vorteil, wenn Talenten Wege erschlossen worden sind. Eine Gesellschaft, die Elitenbildung nur über bestimmte Schulen und Universitäten erlaubt, ist weniger konkurrenzfähig.

      https://www.welt.de/politik/deutschland/article124895255/Die-Gesellschaft-ist-nicht-mehr-so-offen-wie-frueher.html

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      ...wieviele "Beispiele" kennen Sie da? Eins, oder zwei? Und in Deutschland leben wieviele Menschen?

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Mal ganz abgesehen davon, dass

        1.) Schröders Aufstieg dank Netzwerk-Strippenzieherei mit Gestalten wie Maschmeyer wohl kaum als Beleg dafür dient, wie es eine ehrliche Haut aus eigenem Antrieb schon schaffen kann, wenn man sich nur ein bisschen bemüht.

         

        und 2.) es zu Zeiten von Schröders Aufstieg noch nicht den sozialen Entsolidarisierungs-Kahlschlag gab, mit dem er und seine Seeheimer-Clique dann alle anderen bedacht haben. Der Typ stieg die Leiter hoch, verbrannte dann die Stufen, und tönt seither "Seht ihr, ich hab's doch auch geschafft" an die unten Gebliebenen.

        Nee Pfanni, das Beispiel hinkt gewaltig.

  • Schon merkwürdig, dass Bertelsmann solche Studien rausbringt. Ach so und BTW, bitte andere Bilder - Armut hat meistens 2 gleiche Socken an und Schuhe sind wohl auch kein Problem.

     

    Am meisten wird von den Armutsrelativierern sichern an der.... relativen Armutsdefinition rumgenörgelt. Essen da, Obdach da - wo ist das Problem.

    Sie sollten nicht vergessen, dass schon der Gründervater der modernen Ökonomie Adam Smith schrieb, dass die Armut nicht bloß Existenz bedeutet, sondern auch Mangel an "Sachen die nach den Sitten des jeweiligen Landes anständige Leute besitzen sollten".

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Die Bertelsmannstiftung? Das habe ich mich auch gefragt.

      Warten wir mal ab welchem Zweck dies dienen soll.

       

      Viele sind arm, in dem Land in dem wir gut und gerne leben wollen, nicht nur Kinder.

       

      Über die Zustände der Obdachlosen, z.B. im Berliner Tiergarten, hört man sehr wenig.

      Es lohnt sich den Beitrag anzuschauen auch bezüglich der Wohnverhältnisse der neuen EU-Sklaven. Sie arbeiten für 450 Euro in einem Hotel bei sehr vielen Stunden und leben in einem Zelt im Tiergarten.

      Alles ist gut in diesem Land und die Zuwanderung soll auch so bleiben, freut es doch die Arbeitgeber. http://www.ardmediathek.de/tv/Kontraste/Obdachlose-werden-zum-Spielball-der-Poli/Das-Erste/Video?bcastId=431796&documentId=47064030

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      ...das Problem?

      Die viel geringeren Bildungschancen von Kindern, die in Armut leben. Da hilft auch nicht das Essen oder Obdach.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Doch würde schon helfen - wissen Sie wieviele Kinder hungrig in die Schule gehen?

        • 3G
          35730 (Profil gelöscht)
          @Justin Teim:

          Wissen Sie wie viele hungrige Kinder im ehemaligen Elendsviertel auf dem Weg zur Schule von einem SUV angefahren werden?

          • @35730 (Profil gelöscht):

            ?

  • Geld geht zu Geld...

    Was soll also das Geheule?

    Lasst die Reichen reicher werden - Sie haben es sich verdient.

    Arme Kinder? Ist eben Pech, nicht in eine wohlhabende Familie hinein geboren zu sein!

    Hurra Deutschland!