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Armee-Razzia in PalästinensergebietenÜberfall mitten in der Nacht

Die israelische Armee dringt in dem Dorf Bilin in der Westbank in mehrere Häuser ein. Das Dorf ist bekannt für seinen Kampf gegen die Mauer.

Mitwochmorgen kurz vor drei Uhr im Haus der Familie Abu Rahmah Foto: privat

Berlin taz | Am frühen Mittwochmorgen gegen halb drei Uhr ist eine Einheit der israelischen Armee in das Dorf Bilin in der besetzten Westbank eingedrungen.

Die Soldaten durchsuchten mehrere Häuser und beschlagnahmten Handys, Computer und schriftliche Unterlagen. Nach bislang vorliegenden Berichten wurde niemand festgenommen. Von dem nächtlichen Überfall gibt es mehrere Videoaufnahmen. Hier das Haus der Familie Abu Rahmah.

Abdallah Abu Rahmah, der Koordinator des zivilen Widerstands in den palästinensischen Gebieten, befindet sich derzeit auf einer Vortragstour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der bekannte Menschenrechtsaktivist spricht über die israelische Besatzung, die Siedlungspolitik und den Widerstand der Palästinenser. Am vergangenen Donnerstag hielt er auch einen Vortrag im taz-Café.

Beobachter halten es für möglich, dass die nächtlichen Razzien, die sich noch gegen andere Mitglieder der Familie Abu Rahmah richteten, darauf zielen, die Familie einzuschüchtern. Denkbar sei auch eine gezielte Warnung an den Abdallah Abu Rahmah.

Einschüchterung als Ziel

Abu Rahmah selbst wurde in der Nacht durch einen Anruf auf die Razzia in seinem Hause aufmerksam gemacht. Er äußerte seine Sorge um seine Familie und die anderen Familien im Dorf: „Sie haben es darauf angelegt, meine Kinder und die Familien einzuschüchtern“, sagte er gegenüber der taz. Das sei ja nicht die erste nächtliche Razzia, die das Dorf zu erleiden habe.

Ein Sprecher der israelischen Armee erklärte auf Nachfrage der palästinensischen Agentur Maan, dass man die Angelegenheit verfolgen, derzeit aber noch keine näheren Angaben zum Armeeinsatz machen könne.

Das palästinensische Dorf Bilin, etwa zehn Kilometer westlich von Ramallah gelegen, ist seit Jahren wegen seiner wöchentlichen Proteste gegen die israelische Mauer bekannt. Seit dem Frühjahr 2005 finden an jedem Freitag Demonstrationen gegen den Landraub, den Siedlungsbau und die Fortdauer der israelischen Besatzung statt.

Ungebrochener Widerstand in Bilin

Nach einem Beschluss des Obersten Israelischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2007 erhielten die Einwohner einen Teil der konfiszierten landwirtschaftlichen Flächen zurück. Die Armee versetzte den Zaun etwa vier Jahre nach dem Gerichtsbeschluss. Gegenüber vom Dorf befindet sich die israelische Siedlung Illit Modiin, die eine der größten Städte in Israel werden soll. Dort leben fast ausschließlich ultraorthodoxe Juden.

Der Leiter des zivilen Widerstandes gegen die Mauer Abdallah Abu Rahmeh wurde in Deutschland 2008 mit dem Carl von Ossietzky-Preis der Deutschen Gesellschaft für Menschenrechte ausgezeichnet. Von der Europäischen Union erhielt er die Ehrung als „Verteidiger der Menschenrechte“ und Amnesty International nannte ihn einen Gefangenen aus Gewissensgründen.

Ein Sprecher der Komittees in Bilin, Ratib Abu Rahmeh, erklärte am Mittwoch, dass sich das Dorf durch die Razzien nicht einschüchtern lasse und am Freitag wieder gegen die israelische Besatzung und den Landraub demonstrieren werde. Zwei Dorfbewohner wurden bislang bei den Protesten von der israelischen Armee getötet. Dutzende Personen, auch israelische und internationale Demonstranten, wurden in den 11 Jahren des Protestes durch die Einsätze der Armee mit Tränengas. Schlagstöcken und gummiummantelter Munition verletzt.

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15 Kommentare

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  • Vielleicht nehmen sich die Leser mal Zeit, den unten genannten Vortrag von Yaakov Lozowick zu hören. Besonders Bemerkenswertes für uns, wird ab Min 25 vorgetragen.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=N6VPJDP0gs4

    • @Günter:

      und der dr. Locowicki erklärt auch die razzia?

      weiß ja nicht, wie es anderen geht, aber zu meiner zufriedenheit erklärt er nichts.

  • was noch angemerkt gehört:

    Illit Modiin, genauer: Modiʿin Illit, liegt nicht in Israel sondern in der besetzten westbank.

    und die ist, nach allem, was ich höre, noch nicht annektiert.

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    Hier eine anderslautende Darstellung zu der Behauptung, zwei Dorfbewohner seien bei den Protesten von der israelischen Armee getötet worden: http://honestreporting.com/the-herald-scotland-and-the-gross-abuse-of-language/

    • @75026 (Profil gelöscht):

      es war weder eine von einem israelischen grenzpolizisten abgefeuerte tränengaskartusche noch von iIDF/israelischer grenzpolizei eingesetztes tränengas, was Bassem+Jawaher Abu Rahma tötete, sondern, wenn ich dieser site http://honestreporting.com/

      glauben schenken darf, der zorn gottes himself oder so was ähnliches wie die posaunen von Jericho... gelle?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    [...]

     

    Beitrag entfernt.

     

    Bitte vermeiden Sie übertriebene Polemik und belegen Sie Ihre Behauptungen mit Quellen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Kommentar entfernt. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen.

      • @christine rölke-sommer:

        Ein Teilstück wurde zurückgegeben, noch nicht mal das Ganze. Danach wurde ein neues Stück Mauer gebaut, auch auf palästinensischem Land. Abdallah Abu Rahmeh der am Dienstag in Stuttgart war berichtete, dass sie das zurückgewonnene Land begonnen hatten zu bearbeiten, mit Straßenbau, Wasserleitungen, Schwimmbad, etc. Als alles fertig war kam die Armee und befahl es müsse wieder alles abgerissen werden! Sie sind jetzt vor Gericht gegangen.

        Man kann alles nachlesen in einem ausführlichen Bericht über seinen Vortrag in Stuttgart auf der Website palaestinakomitee-stuttgart.de

        Zweiter Artikel von oben (Abdallah Abu Rahmeh: „Für uns und die Zukunft unserer Kinder müssen wir weitermachen!“)

        • @Martha:

          "es müsse wieder alles abgerissen werden"

           

          Simples Baurecht in den Gebieten. Wer meint, ohne Genehmigung bauen zu wollen, sollte das Risiko kennen. Die Mitleidsnummer danach ist nur das übliche Theater der Araber, auf die Sie hereingefallen sind. ;-)

          • @motek:

            und was, habibi, spricht baurechtlich dagegen, dass das dorf straßen, wasserleitungen und ein schwimmbad etc baut?

            dass die besatzungsmacht vergessen hat, einen bebauungsplan zu erstellen?

            • @christine rölke-sommer:

              Fragen Sie doch bitte die Freunde von بمكوم die solche "Aktionen" gerne unterstützen. Die können Ihnen das sicher erklären. Oder fragen Sie bitte in Ram'Allah nach, was PA an den Oslo-Verträgen nicht verstanden hat. ;-)

              • @motek:

                wo bitte-schön liegt denn Ram'Allah?

                im philosemitischen disney-land vielleicht?

        • @Martha:

          glauben Sie, das interessiert unsere empörungs-philosemiten?

  • ich nehme mal an, es handelt sich um eine maßnahme gegen ethnic cleansing.

  • Gerade erst bekam die israelische Armee die amerikanische Zusage, für eine militärische Hilfslieferung nie gekannten Ausmaßes.- Die Armen! Aber gut, dass man sich gegenseitig zu helfen weiß. Für den Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde sollte einem nichts zu teuer sein. Schließlich dürfte schon allein die Strickmaske dieses Soldaten, einiges gekostet haben.