Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd: Hinrichtung sorgt für diplomatische Belastung
Jamshid Sharmahd saß seit 2020 in iranischer Haft und wurde trotz Warnungen der Bundesregierung hingerichtet. Nun hat Deutschland den iranischen Geschäftsträger einbestellt.
Wer den Fall von Jamshid Sharmahd von Anfang an verfolgt hat, kennt die Bilder: Im Arm seine Tochter Gazelle. Bei einer Wanderung, er blickt glücklich in die Kamera. Gazelle Sharmahd hat in den letzten vier Jahren zahlreiche Fotos und Videos von sich und ihrem Vater in sozialen Medien gepostet.
Am 28. Oktober nun die Nachricht: Die Islamische Republik hat Jamshid Sharmahd hingerichtet. Er litt an Parkinson, erhielt keine medizinische Versorgung und hatte keine Zähne – diese wurden ihm, wie Gazelle Sharmahd in einem der wenigen Telefonate erfuhr, ausgeschlagen – und siechte in iranischer Haft.
Sharmahd wurde 1955 im Iran geboren und wuchs in Deutschland auf. Anfang der 2000er Jahre zog er mit seiner Familie in die USA, wo sie seitdem lebte. Er gründete ein Software-Unternehmen und engagierte sich gleichzeitig in der iranischen Opposition. Er betrieb unter anderem eine oppositionelle Webseite. Schon im Jahr 2009 versuchte das iranische Regime, ihn in den USA zu ermorden. Der US-amerikanische Geheimdienst konnte den Anschlag vereiteln.
Die „stille Diplomatie“ mit dem Iran
Das Martyrium des deutschen Staatsbürgers beginnt im Juli 2020. Auf einer Geschäftsreise muss Sharmahd in Dubai zwischenlanden und eine Nacht in der Stadt übernachten. Er spricht noch mit seiner Familie und informiert sie, wo er ist – es soll das letzte Lebenszeichen für mehrere Jahre bleiben. In dieser Nacht wird er vom Geheimdienst der iranischen Revolutionsgarden entführt. Wenig später führt ihn das iranische Staatsfernsehen vor; die Filmaufnahmen zeigen einen traumatisierten Menschen, von Folter gezeichnet. Er wird zu einem Geständnis eines konstruierten Verbrechens gezwungen. Zwangsgeständnisse sind die Grundlage des „Justizsystems“ der Islamischen Republik Iran. Dann im Frühjahr 2023 schließlich die Nachricht: Jamshid Sharmahd wird zum Tode verurteilt. Die wohl schlimmste Zeit im Leben von Gazelle Sharmahd und ihrer Familie bricht an.
Seine Tochter Gazelle kämpft für ihn und gibt ihre Arbeit als OP-Krankenschwester auf. Sie macht weltweit auf den Fall von Jamshid Sharmahd aufmerksam. Die Bundesregierung, erzählt sie einmal dem Kölner Stadt-Anzeiger, erkläre ihr ständig, sie setze sich „hochrangig“ für ihren Vater ein. „Was das heißt, konnte mir leider noch nie jemand sagen“, so Gazelle Sharmahd damals. Sie forderte auf X eine „schwere Strafe für die Mörder des islamischen Regimes“. Sie kritisiert sowohl die Bundes- als auch die US-Regierung als „inkompetente und korrupte Regierungen“ und warf ihnen vor, ihren Vater in Verhandlungen im Stich gelassen zu haben.
Die Bundesregierung ist in Bezug auf das iranische Regime eine Anhängerin der „stillen Diplomatie“ – die wohl schlechteste Art und Weise, mit einem diktatorischen Staat wie der Islamischen Republik umzugehen. Auf klare Töne gegen das iranische Regime wartete Gazelle Sharmahd vergebens. Die Bundesregierung traute sich nicht einmal, Jamshid Sharmahd als politische Geisel zu bezeichnen, was er offensichtlich war. Im Gegensatz übrigens zu Staaten wie Frankreich, Dänemark oder Österreich, die von „Staatsgeiseln“ sprachen und ihre Staatsbürger:innen größtenteils befreien konnten.
Geschichte eines Scheiterns
Die ersten Konsequenzen sind nach der Hinrichtung gezogen. Dem Geschäftsträger der Botschaft wurde am Vormittag im Auswärtigen Amt der Unmut der Bundesregierung mitgeteilt. Der deutsche Botschafter Markus Potzel in Teheran, protestierte beim iranischen Außenministerium gegen die Ermordung von Jamshid Sharmahd. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) rief ihn daraufhin zu Konsultationen nach Berlin zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock verurteilen die Hinrichtung des Deutschiraners ebenfalls. Scholz nennt die Tötung auf X einen „Skandal“.
Baerbock betont, dass Teheran mehrfach klargemacht worden sei, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers „schwerwiegende Folgen“ haben werde. Auch CDU-Chef Friedrich Merz fordert eine Herabstufung der diplomatischen Beziehungen zum Iran. Auch aus dem Iran gibt es Reaktionen: Teheran bestellt am Dienstag den deutschen Gesandten ein.
Die Außenpolitik der Bundesregierung gegenüber der Islamischen Republik ist dennoch die Geschichte eines Scheiterns. Und Jamshid Sharmahd musste dafür mit seinem Leben bezahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Russische Gaslieferungen
Gazprom dreht Österreich den Hahn zu
Neuwahlen
Beunruhigende Aussichten