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Letzte Pegida-Kundgebung in DresdenNicht jedem Ende wohnt ein Zauber inne

Zur letzten Pegida-Demo in Dresden beschwört Schaumschläger Lutz Bachmann ein Ersatzformat. Auf der Gegendemonstration bedankt man sich für den Mobilisierungseffekt.

Tschüss Pegida: in Dresden demonstrieren Rechtsextreme und notorische Neinsager Foto: Sebastian Willnow/dpa

Dresden taz | Nur etwa 800 Pegida-Anhänger wollten am Sonntagnachmittag noch einmal die guten alten, aber keineswegs veralteten Zeiten heraufbeschwören, als sie den Ruf Dresdens und Sachsens nachhaltig beschädigten. Vor genau zehn Jahren fand die erste kleine Demonstration einer bis dahin unbekannten Privatgruppe „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ in Dresden statt. Die Bewegung wuchs lawinenartig im schwierigen Jahr für Geflüchtete 2015 auf bis zu 20.000 Teilnehmer bei ihren „Montagsspaziergängen“ an, verlor sich aber zunehmend. Diese 250. Demo auf dem Neumarkt sollte die letzte sein, verkündete Pegida-Häuptling Lutz Bachmann nun.

Er flog dazu von seinem Wohnsitz auf Teneriffa ein, wo er seit vielen Jahren seine glühende deutsche Vaterlandsliebe auslebt. Angeblich soll er krank sein und in finanziellen Nöten stecken. Aber auf dem traditionellen Pegida-Lautsprecherwagen wirkte er schnoddrig und aggressiv wie gewohnt und zog seine Show ab. Nur mit politischen Äußerungen hielt er sich zurück und moderierte vorwiegend. Der „Patriot“ mit 22 Vorstrafen verwies selbst auf seine Mitte August erfolgte neueste Verurteilung wegen Beihilfe zur Volksverhetzung im Internet zu 17 Bewährungsmonaten.

Die Polizei trennte die Pegida-Ecke mit einem etwa zehn Meter breiten Gitterkorridor von der Gegendemo vor der Dresdner Frauenkirche mit einer ähnlichen Teilnehmerzahl. „Solange sich die Menschen nicht vertragen, müssen wir das machen“, erklärt ein Polizist. Der schwarze Antifa-Block mit etwa 350 Personen „begleitete“ zwischenzeitlich lautstark den sogenannten Spaziergang von Pegida durch die Dresdner Innenstadt.

Tummelplatz für Faschisten und skurrile Typen

Déja-Vu-Gefühle stellten sich ein. Wie immer dominierten die grauen Bärte, erschollen „Lügenpresse“-Rufe. Schwarweißrote Fahnen, die missbrauchte Wirmer-Flagge des Widerstandes gegen Hitler vom 20. Juli 1944, Trump-Transparente. Neu war die Dominanz der weißgrünen Flaggen der vom Erzgebirge einsickernden ultrarechten „Freien Sachsen“. Wie immer ist auch der Moskauer Propagandasender „Russia today“ dabei. Er interviewt gerade einen Mann mit dem Plakat „Dresdner Christen grüßen Pegida“. Danach zur Rede gestellt, ob er denn wisse, was bei Matthäus 6 oder 25 steht, stellt sich heraus, dass er überhaupt keine Ahnung vom Neuen Testament der Bibel hat.

Noch einmal führte Pegida vor, für welche faschistischen bis skurrilen Typen es zehn Jahre einen Tummelplatz bot. Notorische Neinsager gegen alles, Widerstandsromantiker, Untergangssüchtige, Menschen mit Ausländerphobien und Nationalkomplexen, Kurz-, Klein- und Querdenker. Nicht nur harmlos, auch zu Mordaufrufen fähig.

Bei dieser Geisterbeschwörung eines glorreichen Jahrzehnts blieb die tatsächliche Pegida-Geschichte unerwähnt. Wie der Narzisst Lutz Bachmann fast alle Mitglieder des Orga-Teams weg biss. Wie sich ein Flügel um Tatjana Festerling abspaltete, die bei den Dresdner Oberbürgermeisterwahlen 2015 immerhin zehn Prozent der Stimmen erhielt. Wie der Schaumschläger Bachmann schon mal eine Pegida-Partei gründen wollte und Volksinitiativen ankündigte, die nicht einmal Formulierungsreife erlangten. Politikwissenschaftler und Journalisten schwankten, ob die gummiartig mit Pegida verbundene sächsische AfD nun deren parlamentarischer Arm oder umgekehrt Pegida eher die Straßenkolonne der AfD sei. 2021 hatte der sächsische Verfassungsschutz Pegida als extremistische Vereinigung eingestuft.

Der gewohnte Größenwahn

Angewärmt durch die eigens für Pegida komponierte Hymne verstieg sich Lutz Bachmann am Sonntag noch einmal zum gewohnten Größenwahn. Weltweit habe man 2.900 Pegida-Demos gezählt, die größte im australischen Sydney. Goethes „Stirb und werde“ zu kennen kann man ihm nicht zutrauen, aber in diesem Sinn hielt er eine Überraschung bereit. „Wir werden bald zurück sein, mit neuen Formaten, an denen wir hart gearbeitet haben, um die politische Landschaft zu verändern!“ Alles Weitere überließ er der Fantasie, soweit vorhanden.

Gastredner hielten dazu immerhin Herrmann Hesses „Stufen“-Gedicht bereit, dessen berühmteste Zeile lautet „und jedem Anfang wohnt ein Zauber innen“. So der brandenburgische AfD-Fraktionschef im Landtag Hans-Christoph Berndt mit einer fanatischen Rede. „Hier steht die Zukunft“, behauptete er. „Pegida ist ein Teil des AfD-Wahlerfolgs“, bedankte er sich eifrig.

Auch Österreichs Identitären-Gründer Martin Sellner griff Hesse auf. Mit ihm sandte das Who's who des deutschsprachigen Rechtsextremismus akustische Grußbotschaften, meist emotionalen Inhalts. Götz Kubitschek vom Schnellrodaer Antaios-Verlag, Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin, der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke.

Peinlich geriet der Auftritt der früheren Ost-SPD-Mitgründerin Angelika Barbe, die als Mitarbeiterin der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung dem damaligen Direktor Frank Richter schon das Leben schwermachte, bevor sie endgültig nach rechts abdriftete. Richter zeigte sich jetzt wenig glücklich über das Pegida-Ende. Denn deren Hass und Menschenverachtung sei längst in die Mitte der Gesellschaft und der Parlamente vorgedrungen. Ähnlich äußerte sich auf der Gegendemo die junge SPD-Landtagsabgeordnete Sophie Koch. Sie bedankte sich sarkastisch aber bei Pegida für den Mobilisierungseffekt, den die Bewegung bei Demokraten und Humanisten ausgelöst habe.

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1 Kommentar

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  • Danke für diesen Artikel und die feine Ironie.