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Steuervorschläge der SPDUmverteilung ist das Gebot der Stunde

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Weil die linken Parteien gegeneinander arbeiten anstatt miteinander, fällt der Verteilungswahlkampf wohl auch diesmal wieder aus. Nötig wäre er.

Wie wäre es mal mit „Klassenkampf“? Foto: Emmanuele Contini/imago

W ie schön, dass in einer Welt im Wandel wenigstens alte Reflexe zuverlässig funktionieren. Die SPD stellt ein Strategiepapier vor, in dem sie nebulös ankündigt, Normalverdienende zu entlasten und dafür Top­ver­die­ne­r:in­nen „etwas“ stärker zu belasten – und Friedrich Merz reagiert „entsetzt“. Dabei hat der CDU-Chef exakt die gleiche Idee vor einem Jahr selbst in den Raum geworfen, aber mittlerweile ist er ja Kanzlerkandidat und fordert „mehr Respekt für Besserverdienende“. Abgesehen davon kann man Merz nur begütigend auf die Schulter klopfen: „Reg dich wieder ab, es kommt alles nicht so wild.“

Die SPD hatte nämlich schon im Bundestagswahlkampf 2021 und in den Jahren zuvor angekündigt, Spit­zen­ver­die­ne­r:in­nen stärker zu belasten und droht ab und an damit, Vermögen von gestorbenen oder lebenden Mil­lio­nä­r:in­nen ein ganz klein bisschen mehr zu besteuern. Nur umgesetzt hat sie bislang nie etwas davon. Und leider spricht einiges dafür, dass es diesmal ähnlich läuft: Also fällt der Verteilungswahlkampf diesmal wieder aus? Nötig wäre er.

Denn da ist zum einen die Schwäche des im weitesten Sinne linken Lagers. Parteien, die Umverteilung von reich zu arm für geboten halten – das sind SPD, Grüne, Linke und BSW –, kämen laut Umfragen derzeit zusammen auf magere 39 Prozent. Dagegen sind jene, welche Topverdienende und Mil­lio­nä­r:in­nen zu Leis­tungs­trä­ge­r:in­nen und für schutzbedürftig erklären, nämlich Union, FDP und AfD, mit 52 Prozent derzeit in der Mehrheit. Das liegt vor allem an anderen Themen, wie der ressentimentgeladenen Migrationsdebatte.

Aber hinzu kommt: Die steuerpolitisch linken Parteien finden derzeit nicht zusammen. Die SPD will die Grünen auf Abstand halten, damit sie sich als dominante Kraft im linken Lager profilieren kann und ihre Wahlkampftaktik „Wir gegen die Merz-Union“ aufgeht. Linke und BSW sind Sinnbild einer gescheiterten Beziehung. Also fällt der Verteilungswahlkampf diesmal wieder aus? Nötig wäre er. Zum einen, um dem gesellschaftlichen Trend des Nach-unten-Tretens endlich wieder einen Kampf für Gerechtigkeit und Fairness entgegenzusetzen.

Wie wäre es mit ein bisschen Klassenkampf, anstatt permanent Ge­rin­ger­ver­die­ne­r:in­nen gegen Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen und Rent­ne­r:in­nen gegen Geflüchtete auszuspielen? Zum anderen, weil es objektiv eine riesige Vermögensungerechtigkeit in Deutschland gibt, gleichzeitig aber einen wachsenden Bedarf an öffentlicher Daseinsvorsorge. Bund, Länder und Kommunen ächzen unter steigenden Ausgaben für Pflege, Gesundheit und Rente und müssten viel mehr in Bildung, Nahverkehr und den Erhalt der Infrastruktur stecken.

Doch das Geld fehlt. Wirklich? Die 4.300 reichsten Haushalte besitzen laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung mindestens 1,4 Billionen Euro an Vermögen. Das entspricht dem Dreifachen dessen, was der Bundesfinanzminister jährlich zur Verfügung hat – von A wie Arbeitsmarkt bis Z wie Zivilschutz. Hinzu kommt: Der Reichtum der Superreichen ist zuletzt Jahr für Jahr gewachsen, gleichzeitig müssen sie weniger davon abgeben. Wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit erhoben hat, konnten Mul­ti­mil­lio­nä­r:in­nen ihre Steuer- und Abgabenbelastung seit 1996 mehr als halbieren und zahlen durchschnittlich 24 Prozent in die Gemeinwohlkasse.

Faire Besteuerung von Vermögen

Was unter anderem daran liegt, dass die Vermögensteuer ausgesetzt ist, es zahlreiche Schlupflöcher für Unternehmen gibt und die Erbschaftsteuer Ausnahmen für Betriebsvermögen im Millionenbereich erlaubt. Laut Oxfam hat die ausgesetzte Vermögensteuer Deutschland bislang über 380 Milliarden Euro gekostet.

Aktuell muss Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia beim Kauf von 150.000 Wohnungen dank eines legalen Steuertricks keinen einzigen Cent Grunderwerbsteuer bezahlen. Schön für die Aktionäre, blöd für das Land Berlin, dem bis zu 1 Milliarde Euro entgehen und das gerade alle Zuschüsse zu Klassenfahrten streicht. Es kämen also hübsche Summen zusammen, mit denen man nicht nur Klassenfahrten, Kitas und Unis finanzieren, sondern auch die Sozialkassen entlasten könnte.

Umverteilung ist das Gebot der Stunde, um dem Staat zu ermöglichen, seinen konsumtiven Aufgaben – für investive wären Kredite und damit eine Lockerung der Schuldenbremse sinnvoll – nachzukommen. Folglich müsste die SPD im Kampf für mehr Gerechtigkeit nicht nur eine Einkommensteuerreform fordern, sondern mutig für die Schließung von Steuerschlupflöchern sowie eine faire Besteuerung von Vermögen und Erbschaften streiten. Traut sie sich das? Oder heißt es am Ende wieder: Gut gebrüllt, SPD?

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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15 Kommentare

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  • "Parteien, die Umverteilung von reich zu arm für geboten halten – das sind SPD, Grüne, Linke und BSW"



    🤨 Welch eine These. Belege?



    Was das BSW will weiß eigentlich noch keiner außer Wagenknecht (und vllt Russland...). Umverteilen will Wagenknecht Flüchtlinge, DASS hört man regelmäßig von ihr.



    SPD und Grüne sind seit drei Jahren Regierungsparteien, sitzen seit der Wiedervereinigung nonstop in zahllosen Landesparlamenten, die SPD oft genug auch als stärkste Kraft, die GRÜNEN immerhin in Baden-Württemberg. Gibt es Umverteilung in den von ihnen geführten Ländern? Sind die sozialer als bspw Bayern, das unter ewig 'rechter' CSU-Hegemonie leidet? Nein? Oh 🫢



    Und die Linke saß sehr lange am Ruder in Thüringen, Brandenburg etc, in Berlin und Bremen gar unter R2G, quasi DEM 'feuchten linken Traum' - da MUSS es doch sozialer, besser umverteilt zugehen, oder? Was? Wieder nicht? Oje oje 😶



    Irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass das nur leere Phrasen sind mit dem Umverteilen, denn, ganz ehrlich, die politische Linke hatten lang und oft genug Zeit dafür es anzugehen 🤷‍♂️



    Heißt für mich: entweder sind sie unfähig oder es ist ihnen nicht ernst damit.

  • Wenn man den Artikel liest, koennte man meinen es gaebe noch keine Umverteilung. Ein Blick auf die Einkommensteuer:



    Die oberen 1 Prozent der Einkommenssteuerpflichtigen zahlen 23 Prozent des Einkommensteueraufkommens.



    Die oberen 5 Prozent zahlen 44 Prozent.



    Die oberen 10 Prozent zahlen 57 Prozent.



    Die oberen 50 Prozent zahlen 94 Prozent.



    Nachvollziehbarerweise sind diejenigen, die keine Steuern zahlen (zB Transferempfaenger), nicht mit aufgelistet. Ansonsten waere der Anteil jener, die die Hauptlast tragen noch geringer.

    In der EU ist Deutschland neben Belgien bei der Steuer- und Abgabenlast mit grossen Abstand Spritzenreiter.

    Die Frage die sich zwangslaeufig stellt ist, wo bleibt das ganze Geld? Offensichtlich nicht in der Bildung, der Infrastrukur, der Forschung, der Sicherheit oder dem Justizwesen.

    Wenn ich einen loechrigen Wassereimer habe, sollte man vielleicht in Erwaegung ziehen, die Loecher zu stopfen, statt zu versuchen immer mehr Wasser reinzuschuetten.

  • Zur Wahrheit gehört auch, dass der durchschnittliche Millionär in einem Jahr mehr Steuern zahlt als der Durchschnittsverdiener in seinem ganzen Leben (von den reinen Transferleistungsempfängern mal ganz abgesehen).

  • Steuern für Reiche hoch, und zwar die faktischen, nicht die formellen, Anhebung des Mindestlohns, jeder muss von einer Vollzeitarbeit leben können. Da wo es keine Tarifverträge gibt, die das regeln muss eben der Staat eine sinnvolle Untergrenze (mindestens 14 EUR) einziehen. Reform der Rente, alle müssen einzahlen, auch Beamte und Selbständige.



    Reform der Sozialsysteme, Entbürokratisierung, Vereinfachung, Abbau von sinnlosen und zu komplexen Regelungen. Es gibt jede Menge Themen für linke Parteien. Also endlich mal ran und kein lauwarmes Geeier a la SPD.

  • Also: Berlin streicht nicht alle Zuschüsse zu Klassenfahrten, denn die kommen für die Schüler vom Jobcenter oder ggf. vom Förderverein der Schule. Berlin darf zurzeit keine Verpflichtungen eingehen, welche später finanzielle Belastungen zur Folge haben. Es handelt sich um die Kosten für die Lehrer. Damit ist noch nicht gesagt, dass diese nicht doch noch übernommen werden. Sorgfalt sollte nicht zu kurz kommen. Trotzdem ist der Steuertrick ärgerlich.

  • Die Linke macht halt immer den gleichen Fehler. Der Kampf für die finanziellen Verbesserung der arbeitenden Masse, wird mit dem Kampf um höhere Steuern für Reiche verbunden. Erstens bedient das den neoliberale Glauben vom fehlenden Steuergeld und zweitens wird damit alles mit den altbekannten Märchen vom abwandernden Reichen und bankrotten Familienbetrieben easy abgeschmettert. Dann verbessert sich nichts für den Arbeiter und nächstes Jahr nimmt man wieder Anlauf und macht den gleichen Fehler.

  • Die SPD ist bestenfalls mattrosa, rot bestimmt nicht. Das BSW ist pseudo-links, die GRÜNEN haben keine Zeit für solche Sachen und die LINKE kommt hoffentlich !!! wieder zu Kräften. Das Dilemma ist, dass alle Parteien die Schwächsten der Gesellschaft mehr oder weniger ignorieren, aus dem simplen Grund, dass es meist Nicht-Wähler*innen sind. Da lohnt die Mühe nicht. Bei der Union, AfD und FDP ist selbst nur ein Blick auf diesen Teil unserer Volksgemeinschaft (der ja aus deren Perspektive ohnehin nur aus Drückebergern und Schmarotzern besteht) tabu.

  • Ja, da gibt es viel zu sagen über die soziale Situation in D und die Bewahrung der Besitzverhältnisse durch die Parteien. Über die nicht endenden Kampagnen der CDU/CSU gegen die Umverteilung der "Sozen" und die Fremden.



    Über die SPD, die ihren Frieden mit dem Status quo gemacht und nur noch für die direkte Klientel Politik gemacht hat. Die seit Schmidt am Kürzen ist und danach, bis heute, mit der Diffamierung und Diskriminierung von Armen die CDU rechts überholen will.

    Oder die Grünen, die sich aus dem gleichen Milieu wie die FDP rekrutieren und das gleiche Sozialverständnis aufweisen, alles für die Befindlichkeit der eigenen, potenziellen Wähler, der Rest interessiert nicht.

    Hier können wir auch die "Linke" verorten, die ihrerseits versucht hat, die Grünen an "Wokismus" zu übertreffen und sich nun wundert, warum sie niemand wählt.

    SPD, Grüne und auch Linke sind neoliberale Parteien, genau wie CDU/CSU und FDP, mit dem Unterschied, dass die CDU/CSU auch von den wirklich Reichen unterstützt wird und die FDP von denen, die glauben reich zu sein.

    Deutschland braucht sozialdemokratische Politik, noch gibt es keine Partei. Ob die BSW eine sein könnte, ist offen.

  • Umverteilung "Gebot der Stunde"? Ja, gar keine Frage! Und das wird im Kommentar auch veranschaulicht.



    Ganz am Anfang des Artikels mußte ich mich aber wundern: linke Parteien? In Deutschland? Die kenn ich freilich nicht. Denn die einzige die da noch war ist ja in Selbstauflösung.

    • @Ardaga:

      In zwei bis drei Jahrzehnten habe ich von der Linken nur Wahlplakate mit Inhalt gesehen, den diese nie ansatzweise durchgeboxt hat, selbst ein Versuch war nicht zu erkennen. Die Partei hat sich überflüssig gemacht und ihre Wähler nicht vertreten.

  • Ein Beispiel für Umverteilung ist nicht weit weg zu finden:

    taz.de/ZDF-Recherc...-im-Wald/!6039981/

  • Man spricht ja immer von Umverteilung, man könnte das vllt auch mal anders betrachten.



    Die Vermögen der meisten mit viel Geld sind wohl nicht im leeren Raum entstanden. Große Firmen profitieren im Vergleich zu einem normalbürger überproportional an einer guten und zuverlässigen Infrastruktur, sie profitiert von gut ausgebildeten Menschen und davon gibt es als zu wenig, sie profitieren auch von einem besseren Gesundheitssystem, da die Mitarbeiter weniger krank sind. Sie profitieren auch davon, dass es ein zuverlässiges Rechtssystem gibt und wahrscheinlich dürften manche von ihnen es auch schön finden sich frei zu bewegen können, nicht wie in anderen Ländern.



    Die und andere Bereiche wirken sich ja direkt aus auf den Profit von Unternehmen. Das alles kostet halt Geld und da muss halt jeder auch seinen Beitrag leisten.

  • Na, da wird mal wieder in die linke Trickkiste gegriffen. Natürlich muss über den Umgang mit Kapitalerträgen und Vermögen gesprochen werden, gleichzeitig muss aber auch eine globale Wettbewerbsfähig wiederhergestellt, Innovationskraft gestärkt und der Grundsätzliche Umgang mit immer expansiveren, rekordverdächtigen Sozial- und Transferausgaben gesprochen werden.

    Eine Linke muss hier auch liefern, mit Lösungen im Hier und Jetzt ohne als Geldverbrenner rüberzukommen.

    • @Andi S:

      Wenn ich das lese, dann liest es sich so, dass alles so weitergehen soll! Eine weltweit solidarische Verteilung der vorhandenen Ressourcen ist so aus meiner Sicht nicht ansatzweise nicht möglich!



      Ein weiter so zerstört die Lebensgrundlagen der Menschen weltweit, trägt zu Verteilungskämpfen/ -kriegen bei, spaltet die Zivilgesellschaften immer mehr!

  • Bei den Machtverhältnissen in dieser Gesellschaft ist die Besteuerung von Vermögen, ausser Arbeitsvermögen, nahezu ausgeschlossen. Der legale Steuertrick beim Grunderwerb ist übrigens eine 95 % Regel d.h. wenn ich nur 95 % erwerbe dann zahle ich keine Steuer. Wer sich das nur wieder ausgedacht hat...