Hurrikans in den USA: It’s the Klimawandel, stupid!
Die Erderwärmung macht zerstörerische Hurrikans wahrscheinlicher, sagen Wissenschaftler. Vor allem das wärmere Meerwasser ist verhängnisvoll.
Die Namen der Tropenstürme, die sich im Golf von Mexiko, der Karibik oder dem Nordatlantik bilden, werden vom National Hurricane Center der USA vergeben. Dafür gibt es sechs alphabetische Listen mit je 21 Vornamen, alle sechs Jahre ist die Reihenfolge also gleich. Nach „Milton“ ist in diesem Jahr „Nadine“ dran, dann folgen „Oscar“ und „Patty“ – falls die Hurrikan-Saison noch nicht zu Ende ist.
Für die Bildung solcher Wetterereignisse sind nämlich Oberflächentemperaturen oberhalb von 26 Grad notwendig – und zwar wenigstens bis in eine Tiefe von 50 Metern. Hurrikane beziehen ihre Energie durch die freiwerdende Wärme, die bei der Kondensation des Ozeanwassers freigesetzt wird. Normalerweise sank die Wassertemperatur bisher im Herbst stets unter 26 Grad.
Aber das war vor dem Klimawandel. Die Ozeanerwärmung hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt, wie eine Untersuchung des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus der EU zeigt. In manchen Atlantikregionen lag die Temperatur dieses Jahr 5 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. 2024 war das vierte Jahr in Folge mit einem Hitzerekord. Wärmeres Wasser hat heftigere Tropenstürme zur Folge. „Eine um 2 Grad gestiegene Wassertemperatur führt zu einer Windgeschwindigkeit, die um 80 Prozent höher liegt“, sagt ARD-Meteorologe Karsten Schwanke.
Immer unberechenbarer, aber immer wahrscheinlicher
Erst vor zwei Wochen hatte Hurrikan „Helene“ den Südosten der USA verwüstet, 230 Menschen verloren dabei ihr Leben. Er war nach „Katrina“ 2005 der folgenschwerste Sturm der letzten 50 Jahre in den USA. Eine Studie der Wissenschafts-Initiative „World Weather Attribution“ fand heraus, dass Hurrikan „Helene“ ohne die menschengemachte Klimaerhitzung 11 Prozent schwächer und der Regen um etwa 10 Prozent geringer ausgefallen wäre. Was nicht viel klingt, aber tatsächlich jene Wucht erzeugte, die für 230 Menschen tödlich war. Rechnerisch müsse mit der Heftigkeit solcher Stürmen nun alle 53 Jahre zu rechnen sein. Die Wahrscheinlichkeit für ein „Helene“-Ereignis lag vor dem Klimawandel nur bei „alle 130 Jahre“.
Verheerende Hurrikans gab es schon immer, wie „Matthew“ 2012 oder „Irma“ 2017, der mit 297 Kilometern pro Stunde einen Rekord aufstellte. Dennoch warnt die Wissenschaft, dass die Klimaerhitzung Hurrikane künftig stärker und noch unberechenbarer machen wird. Waren bislang hauptsächlich die Karibik und der Süden der USA leidgeplagt, raste Hurrikan „Sandy“ 2012 auf New York zu und türmte den Atlantik vor den Toren der Stadt vier Meter auf, das Bankenviertel in Manhattan stand unter Wasser. „Beryl“, der erste Tropensturm, der in diesem Jahr zum Hurrikan anwuchs, brach gleich einen Rekord: Er erreichte am 29. Juni Windgeschwindigkeiten von 260 Stundenkilometern, obwohl doch bislang die Saison der Hurrikans immer erst im Juli begann. Vorher war das Atlantikwasser immer zu kühl.
Auch Richtung Europa zog bereits ein Hurrikan, 2005 raste „Vince“ auf die Küsten Spaniens zu und überschwemmte etliche Gebiete. 2019 sorgte „Pablo“ für Verwunderung unter den Experten: Nie hatte sich ein Hurrikan so nah an Europa gebildet, „Pablo“ entstand Ende Oktober vor der Küste Spaniens und zog in der Kategorie 1 gegen Großbritannien und Frankreich, bevor er sich abschwächte.
Auch das Absterben der Korallenriffe erhöht das Risiko
Klimawissenschaftler warnen vor weiteren Effekten der Erderhitzung, die Hurrikanschäden verstärken. Durch den Anstieg des Meeresspiegels wird es noch schwerere Überschwemmungen geben, warnt beispielsweise Anders Levermann, Leiter der Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK. Zudem führe das Absterben der Korallenriffe in zu heißen Gewässern dazu, dass natürliche Schutzbarrieren vor den Küsten wegfallen und das aufgepeitschte Meer dann ungebremst an Land rasen kann.
Ob das wärmere Atlantikwasser auch die Zahl der Hurrikane ansteigen lässt, ist wissenschaftlich bislang noch nicht erwiesen. Allerdings gibt es einen Trend: So wurden die meisten bislang im Jahr 2020 registriert, gefolgt von den Jahren 2005, 2021 und 2023. Die Saison endet im November.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“