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Politikwissenschaftlerin über AfD-Umgang„Als eigennützig enttarnen“

Ignorieren, angreifen, enttarnen – Heike Klüver hat untersucht, welche Botschaften gegen die rechtsextreme AfD funktionieren. Und welche nicht.

Besonders erfolgreich ist die Strategie, die AfD als eigennützig und undemokratisch zu enttarnen Foto: Stefan Boness/Ipon
Mitsuo Iwamoto
Interview von Mitsuo Iwamoto

taz: Frau Klüver, nach den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, bei denen die AfD jeweils um und über 30 Prozent gewinnen konnte, wirkt die Konkurrenz hilflos. Was läuft bei der Themensetzung und der Kommunikation der etablierten Parteien derzeit schief?

Heike Klüver: Aus der Forschung wissen wir, dass es eine Strategie gibt, die gegen die AfD nicht funktioniert: selber zu versuchen, genau so über Migration zu reden, wie die AfD es tut. Leider passiert genau das.

Simon Detel/Berlin University Alliance
Im Interview: Heike Klüver

ist Professorin und leitet den Lehrbereich „Politisches Verhalten im Vergleich“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. In der noch unveröffentlichten Studie „How to break populist parties’ appeal?“ untersuchte sie den Einfluss von rhetorischen Strategien auf den Grad der AfD-Unterstützung von 24.000 Deutschen.

taz: Ampel und Union versuchen durch politische Maßnahmen Glaubwürdigkeit bei dem Thema zurückzugewinnen. Warum sollte das nicht funktionieren?

Klüver: Dadurch, dass die etablierten Parteien das Thema Migration anheizen, erhöhen sie dessen Gewichtung im politischen Diskurs. Die Forschung zeigt, dass das dem Issue-Owner, in diesem Fall der AfD, hilft. Wenn Leute basierend auf dem Thema Migration wählen, wählen sie sehr wahrscheinlich die AfD.

taz: Heißt das, wir sind bei der jetzigen Themenlage der AfD hilflos ausgeliefert?

Klüver: Nein. Parteien, zivilgesellschaftliche Akteure und Medien können eigene Schwerpunkte setzen. Um zu untersuchen, wie dies gelingen kann, haben wir zwei groß angelegte Umfrage-Experimente durchgeführt. Das eine zur Frage, welche Themen in Wahlkämpfen gegen die AfD funktionieren, das andere zur Frage, wie Parteien sich gegenüber Rechtspopulisten auf Social Media aufstellen können.

taz: Schauen wir uns ihre erste Studie genauer an. Sie haben untersucht, mit welchen Themen zum Beispiel die Union gegen die AfD erfolgreich sein könnte. Was war Ihr Ergebnis?

Klüver: Unsere Hypothese war, dass sich Keil-Themen, also Themen, bei denen es unterschiedliche Positionierungen bei AfD und CDU gibt, besonders gut eignen. Dafür haben wir Positionen der Union aus dem Wahl-O-Maten für den Bundestagswahlkampf 2021 genommen, sie als Wahlplakate aufbereitet und 2.500 Menschen vorgelegt. Wir wollten messen, ob dies die Wahlbereitschaft für die AfD verändert.

taz: Und?

Klüver: Über alle Stu­di­en­teil­neh­me­r:in­nen hinweg war der Einfluss unserer fiktiven Kampagne gering. Aber bei einigen Teilnehmer:innen, denen die von uns identifizierten Keil-Themen wie EU-Mitgliedschaft, Maßnahmen gegen Fake-News und Investitionen in sozialen Wohnungsbau wichtig waren, konnte die Wahlbereitschaft für die AfD gesenkt werden. Statt auf das Migrationsthema aufzuspringen, würde ich daher raten, jene Themen zu betonen, die einen Keil in die AfD-Wählerschaft treiben, weil sie sich bei ihnen nicht einig sind.

taz: In einer noch unveröffentlichten Studie haben sie sich angeschaut, mit welchen rhetorischen Strategien Parteien in den sozialen Medien effektiv gegen die AfD kommunizieren können.

Klüver: Parteien nutzen online die verschiedensten Strategien. Manche ignorieren die AfD und betonen ihre eigenen Leistungen, andere greifen offensiv an und versuchen die AfD zu enttarnen. Um zu überprüfen, welche Strategie funktioniert, haben wir 170 reale Botschaften aus dem Netz genommen, Parteilogos entfernt und diese 24.000 Menschen vorgelegt. Besonders erfolgreich war die Strategie, die AfD als eigennützig und undemokratisch zu enttarnen.

taz: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Klüver: In einem Post, der sehr gut funktioniert hat, geht es darum, wie die AfD sich als Verfechter von Frauenrechten aufspielt. Dabei sei das eine Heuchelei, ausgerechnet von der Fraktion mit dem geringsten Frauenanteil im Bundestag. Die Widersprüchlichkeit der AfD aufzuzeigen, scheint Menschen zu überzeugen.

taz: In den USA findet Tim Walz, der Vize-Präsidentschaftskandidat der Demokraten, großen Anklang mit seiner Strategie, Donald Trump als „weird“, also seltsam oder schräg, zu bezeichnen. Könnte das in Deutschland erfolgreich sein?

Klüver: Das müsste man empirisch testen. Die AfD als „weird“ zu bezeichnen, wäre eine negative Kampagne. Aber wenn man sagen würde: „Die AfD ist weird, weil sie für eine neoliberale Wirtschaftspolitik kämpft, obwohl ein Großteil ihrer Wählerinnen und Wähler von mehr Sozialleistungen profitieren würde“, ginge dies in Richtung der Eigennutz-Enttarnungs-Strategie.

taz: Sie beschäftigen sich viel mit Fragen der Kommunikation. Aber ist der Erfolg der AfD nicht auch eine Reaktion auf die Politik der Bundesregierung und auf tatsächliche Herausforderungen bei der Migration?

Klüver: Der Aufstieg der AfD ist natürlich nicht nur auf schlechte Kommunikation zurückzuführen. Auch Faktoren wie die reale und wahrgenommene wirtschaftliche Ungleichheit spielen eine große Rolle und die Härten der Transformationspolitik. Trotzdem: etablierte Parteien müssen effektive Strategien finden, um mit der AfD umzugehen, das ist für unsere Demokratie essentiell.

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13 Kommentare

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  • Also ich weiß nicht ... Politik nach Strategien auszurichten heißt doch nichts anderes als: wie manipulieren ich die dummen Wähler am geschicktesten. Auf diese Weise steigert sich die Entfremdung von Wählern und Politik nur noch mehr. Ein Problem verschwindet nicht, nur weil ich es ignoriere und Strategien anwende um davon abzulenken. Wenn z.B. Migration ein Problem ist und das vor mir die AFD so benannt hat, dann muss ich, eben weil es ein Problem darstellt, Lösungen überlegen und anbieten. Die können durchaus anders ausfallen als wie es der AFD gefällt. Dem Wähler muss es gefallen, denn der ist der Souverän.

  • "Aber bei einigen Teilnehmer:innen, denen die von uns identifizierten Keil-Themen wie EU-Mitgliedschaft, Maßnahmen gegen Fake-News und Investitionen in sozialen Wohnungsbau wichtig waren, konnte die Wahlbereitschaft für die AfD gesenkt werden. Statt auf das Migrationsthema aufzuspringen, würde ich daher raten, jene Themen zu betonen, die einen Keil in die AfD-Wählerschaft treiben, weil sie sich bei ihnen nicht einig sind"

    Das denke ich auch. In vielen Bereichen macht die AfD eine Politik gegen die eigenen Wähler. Das muss man offensiv kommunizieren. Und nicht auf den rechtspopulistischen Zug aufspringen, so wie es Union, FDP und SPD derzeit tun...

    • @Cervo:

      Genau. Beispiel Rente: Laut AfD soll Rente nur bekommen, wer 45 Beitragsjahre voll hat, das schaffen mit 65 aber nur 60% der Männer und 50% der Frauen, und auch mit 70 bekommt 1/4 dann gar keine Rente mehr. Ich glaube nicht, dass man die fehlenden beitragsjahre mit 75 locker nachholen kann.



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    • @Cervo:

      Man könnte mal thematisieren, dass die AfD im Bund die Rente für alle zusammensteichen wird, die nicht 48 Beitragsjahre voll haben. Gerade die starke Alterskohorte 60+ der AfD wird dann mal bei sich selbst nachrechnen können, ob sie das noch so toll findet.

  • @PEERTUBA, @DTX

    Es ist ja --leider!-- nicht nur das Nachäffen (schlimm genug!); oft ist es auch ein "Voräffen": Seehofer hat einen auf Migrant*innenschreck gemacht, *bevor* Pegida auf die Strassen ging. Merz gibt andauernd Stichworte (Paschas, Zahnarzt) und *dann* mäht jemand Menschen in einer Shisha-Bar nieder.

    Es ist leider lännger so, dass sich die "etablierten" und "ganz-rechts" die Bälle hin und herwerfen.

    Teilweise teilen sie auch Personal (Gauland, u.v.a.), teilweise weiss mensch nicht, für welche Firma sie tätig sind (Maaßen u.a.).

    *Das* stärkt die Rechten.

  • „Die AfD als „weird“ zu bezeichnen, wäre eine negative Kampagne.“

    Na im Vergleich zum höchst effektiven „Nazi“- und „Machtergreifungs“-Geschrei ist doch „weird“ geradezu liebevoll. Es scheint auch deutlich besser zu funktionieren, weil es Trumps Untergangsfantasien den Wind aus den Segeln zu nehmen.

    Wenn man ständig die Gefährlichkeit der AfD betont, dann vermittelt man dem unzufriedenen Wähler, dass sich ganz viel ändern wird, wenn nur Höcke regiert. Die unsouveränen Reaktionen auf den Zirkus in Thüringen waren das beste Beispiel. Anstatt die AfD einfach auflaufen zu lassen und in Ruhe einen anderen Präsidenten zu wählen, springt man über jedes Stöckchen.

    Solange die AfD nur dazu dient, dass die demokratischen Parteien sich gegenseitig versichern können, auf der richtigen Seite zu stehen, wird sie nicht verschwinden.

    Das Problem ist, dass Politik in der Postmoderne nur noch als kommunikatives Handeln betrachtet wird. Und das löst keine Probleme. Nicht die „guten Probleme“ wie den Klimawandel und nicht die „bösen Probleme“ wie ungesteuerte Zuwanderung“. Die wichtigste Voraussetzung für das Verschwinden der Populisten ist, dass wieder Politik gemacht wird.

  • "Dadurch, dass die etablierten Parteien das Thema Migration anheizen, erhöhen sie dessen Gewichtung im politischen Diskurs."

    2013 ist die AfD noch knapp an der 5%-Hürde gescheitert. 2017, also nach der Flüchtlingskrise 2015/15, schaffte sie dann aber locker den Einzug in den Bundestags, als sie ihre Stimmen mehr als verdoppeln konnte. Das Thema Migration spielte in diesem Wahlkampf aber keine Rolle, auch die CDU unter Merkel hatte aus nachvollziebaren Gründen kein Interesse daran.

    Wenn Frau Klüber also meint, totschweigen sei die beste Strategie, übersieht sie nicht nur, dass es sich um ein Problem handelt, das in allen Einwanderungsländer existiert, sie ist auch realpolitisch schlicht widerlegt. Ich wundere mich, dass es nach wie vor Leute gibt, die ernsthaft glauben, man könne ein Thema, das offensichtlich in zahlreichen Ländern große Teile der Wählerschaft umtreibt, einfach durch Ignorieren aussitzen.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    „ Besonders erfolgreich war die Strategie, die AfD als eigennützig und undemokratisch zu enttarnen.“

    Entschuldigung, aber ich muss laut lachen. Genau das wird seit zig Jahren praktiziert.



    Das elektorale Ergebnis liegt vor.

    Mit solchen ähm… Studien… ist die letzte Aussage „ etablierte Parteien müssen effektive Strategien finden, um mit der AfD umzugehen, das ist für unsere Demokratie essentiell.“ in den Wind geschossen.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Ich habe nicht gesehen, dass unsere etablierten Parteien die AfD thematisch angegangen wären. Sie äffen die Politik der AfD - gerade in Sachen Ausländerhass und Rassismus - nach. Die CDU hat die AfD inzwsichen quasi rechts überholt.

      Und neoliberale Parteien, die der AfD vorwerfen, neoliberal zu sein, wirken halt auch nicht so gut. Solange man die soziale Schere weiter aufmacht und dabei die Wirtschaftspolitik der AfD macht, kann man da natürlich nicht punkten. Das hat die Gutste allerdings vergessen zu erwähnen: dass es sich nicht um Lippenbekenntnisse handeln darf wenn es helfen soll.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      " wird seit zig Jahren praktiziert. "

      Wo genau denn?

      Bisher haben die Vertreter der anderen Parteien die AfD entweder ignoriert, übergangen oder bewusst ausgegrenzt.

      Dass das eher Sympathien mit dem Underdog schürt, sollte eigentlich klar sein.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Man braucht keine Studien mehr, wenn die Reaktion darauf, daß Politiker etablierter Parteien die AfD nachäffen, bereits wiederholt und nachhaltig durch Wahlen aller Ebenen belegt wurde.

      Es ist ja nicht so, daß man hier für ein Markenprodukt zu viel bezahlen müßte oder es gar nicht erstehen könnte und deshalb zu Generika, Plagiaten o. ä. greifen müßte bzw. wollte. Das Kreuz auf dem Wahlzettel da oder woanders zu machen, kostet den Wähler gleichviel. Man hätte also mal überlegen können, weshalb die AfD mit Angst vor Fremden ausgerechnet da punktet, wo es am allerwenigsten von ihnen gibt. Und dann argumentativ gegenhalten. Beispielsweise wenn ein Ausländer als Sprachmittler arbeitet, die Pegidisten tönen, der würde ihnen die Arbeit wegnehmen, obwohl die nicht mal eine Speisekarte aus der Sprache desjenigen lesen könnten.

      Aber gut, die Mechanismen, mit denen die Truppe arbeitet, sind bekannt, die Plattformen auch. Was hat man mit diesen Informationen gemacht? Welche Strategien wurden daraus entwickelt? Kommt man jetzt ernsthaft mit Studien an, die belegen, was jeder wissen kann, der in den letzten acht Jahren nur regelmäßig Nachrichten und Wahlergebnisse verfolgt hat?

      • 6G
        611245 (Profil gelöscht)
        @dtx:

        Mein Reden. Die Mechanismen sind bekannt, die hier jetzt empfohlene Strategie hingegen ging allerdings eindeutig nach hinten los.

        Was nun sind denn die „effektiven Strategien“? Das hätte ich gerne von der Professionellen gehört.

  • „Aber bei einigen Teilnehmer:innen, denen die von uns identifizierten Keil-Themen wie EU-Mitgliedschaft, Maßnahmen gegen Fake-News und Investitionen in sozialen Wohnungsbau wichtig waren, konnte die Wahlbereitschaft für die AfD gesenkt werden.“

    Da wollte also jemand die AfD wählen und hat sich vom Gegenteil überzeugen lassen, weil die CDU gegen Fake-News vorgehen und in den sozialen Wohnungsbau investieren will? Klingt nicht plausibel.