Übergangsstadium wird verlängert: Südsudan verschiebt Wahlen
Der südsudanesische Präsident Salva Kiir verschafft sich erneut mehr Zeit für die Wahlvorbereitungen. Unzählige Krisen lähmen das Land.
Diese Entscheidung kommt nicht überraschend. Südsudans Regierung verschleppt seit Jahren sämtliche Vorbereitungen, um einen solchen Wahlprozess anzugehen. Zwei Mal wurden die Wahlen bereits auf sämtlichen Ebenen vertagt. Die letzte Volksabstimmung fand 2011 statt, als die Südsudanesen in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit vom nördlichen Nachbarland Sudan abstimmten. Seitdem befindet sich das Land verfassungsrechtlich im Übergangstadium, das ständig verlängert wird.
Kurz bevor die ersten südsudanesischen Wahlen in diesem jüngsten Land der Welt 2015 hätten stattfinden sollen, wurde die Übergangsverfassung geändert und die Amtszeit des Präsidenten und des Parlaments bis 2018 verlängert. Dann kam der Bürgerkrieg und die Wahlen wurden erneut auf 2021 verschoben. Im Friedensvertrag von 2018 zwischen den rivalisierenden Parteien wurde Salva Kiir als Präsident und dessen Gegenspieler Riek Machar als Vizepräsident eingesetzt, um quasi die Macht zu teilen.
Mit diesem Friedensvertrag wurde 2018 der Bürgerkrieg, der fast eine halbe Million Tote forderte und eine Flüchtlings- und Hungerkatastrophe zur Folge hatte, offiziell beendet. Eine Übergangsphase wurde eingeleitet, in welcher das Land stabilisiert werden sollte, bevor eine permanente Verfassung und Neuwahlen stattfinden könnten. Ursprünglich angedacht war die Abstimmung für 2023, sie wurden aber auf 2024 verschoben – und jetzt auf 2026.
Krieg im Nachbarland Sudan verschlimmert Krise
Südsudan ist bis heute gebeutelt von unzähligen Krisen, die die Regierung lahmlegen. Die Übergangsregierung macht kaum Anstalten, die notwendigen Schritte wie Volkszählung oder die Registrierung politischer Parteien durchzuziehen. Der Ausbruch des Krieges im nördlichen Nachbarland Sudan macht die Lage nun für die Südsudanesen noch schlimmer. Rund eine halbe Million südsudanesische Flüchtlinge, die in Sudan Schutz gefunden hatten, kamen innerhalb des vergangenen Jahres zurück in ihre Heimat Südsudan. Sie leben dort meist in Vertriebenenlagern.
Schätzungsweise neun Millionen Menschen – rund 73 Prozent der Bevölkerung des Landes – sind nach UN-Angaben in diesem Jahr auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Dürreperioden gefolgt von extremen Überschwemmungen wie in diesen Tagen, seitdem nun die Regenzeit wieder einsetzt, verschlechtern die humanitäre Lage gravierend. Weite Landstriche sind derzeit durch Fluten nicht zugänglich. Hinzu kommt eine Wirtschaftskrise, die zur Folge hat, dass seit fast einem Jahr keine Gehälter mehr für Staatsbedienstete ausbezahlt wurden.
Grund dafür war die Zerstörung der Ölpipeline, die von Südsudans Ölfeldern via Sudan führt und durch den Krieg im Sudan zerstört wurde. Rohöl ist die wichtigste Einkommensquelle für den Staatshaushalt. Seitdem die Ölexporte im Februar unterbrochen wurden, ist das Land finanziell quasi lahmgelegt.
Große Sorge vor Gewalt bei Wahlen
In einer kürzlich durchgeführten, repräsentativen Umfrage unter Südsudanesen, die in einer Studie der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung vom Juni dieses Jahres analysiert wurde, befürchten 57 Prozent der Befragten, dass das Risiko von Gewalt im Zuge der Wahlen „sehr hoch“ sei. 38 Prozent befürchten sogar, dass Wahlen zu einem weiteren Bürgerkrieg führen könnten.
Während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates im März warnte Jean-Pierre Lacroix, UN-Unter-Generalsekretär für Friedenseinsätze, dass ein Missmanagement der Wahlen im Südsudan ein enormes „Gewaltpotenzial mit katastrophalen Folgen für ein bereits fragiles Land und die gesamte Region“ haben könne.
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