Politologe über AfD-Erfolge: „Nirgends eine Entzauberung“
Der Politologe Gideon Botsch spricht über den tiefen Einschnitt, den die Landtagswahl in Thüringen bedeutet – und über die nötigen Lehren daraus.
taz: Mit der AfD hat im September 2024 erstmals seit der NS-Zeit eine extrem rechte Partei eine Landtagswahl gewonnen und sogar die kritische Schwelle zur Sperrminorität überschritten. Wie tief ist diese Zäsur und ist sie gar ein Kipppunkt?
Gideon Botsch: Ich habe immer gesagt: Richtig beunruhigend ist es ab der Sperrminorität. Solange die AfD in einem Korridor ist, in dem sie aus eigener Kraft keine Verfassungsänderungen verhindern kann, können wir von einer gewissen Isolation ausgehen. Thüringen ist ein gravierender Einschnitt. Auch in Sachsen ist das nur sehr knapp verhindert worden und in Brandenburg ist es ebenfalls eine Gefahr. Die Wähler haben sich von demokratischen Parteien abgewendet, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – zugunsten von Parteien, die das nicht tun. Und zwar in Thüringen zu 50 Prozent, wenn Sie das BSW dazu nehmen.
taz: Noch Anfang 2023 sagten Sie, die Radikalität der AfD sorge dafür, dass die Partei politisch isoliert bleibe. Nun ist sie ebenso radikal und trotzdem in einigen Gegenden komplett normalisiert – auf kommunaler Ebene hat sie Bürgermeisterwahlen gewonnen und stellt einen Landrat. Auch auf Landesebene ist sie spätestens mit Thüringen ein Machtfaktor. Wie konnte das passieren?
Botsch: Wir haben drei Ebenen, auf denen wir die Erfolge analysieren müssen. Eine Ebene sind langfristige Elemente der politischen Kultur: die Bildung eines Milieus, auf dem die AfD aufsatteln kann, und die Verfestigung von rassistischen Einstellungen. Die zweite Ebene ist die Partei selbst: Wie ist der Akteur aufgestellt, wie politikfähig ist er? Wie viele Mitglieder und Sachverstand hat er? Die AfD ist geschickt darin, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Ansonsten ist sie ganz objektiv betrachtet eine brachial schlechte Partei. In der AfD werden Sie nicht etwas, weil Sie etwas können. Sie werden etwas, wenn Sie den richtigen Ton treffen und eine Stimmungslage ansprechen. Erfolg hat, wer möglichst radikal hetzt. Die dritte Ebene sind die Gelegenheitsstrukturen – besonders hier sind der AfD in den letzten anderthalb Jahren viele Möglichkeiten gebaut worden. Im Moment gelingt es der Partei, ihr Potential voll auszuschöpfen.
taz: Die demokratischen Parteien sind recht schnell zur Tagesordnung übergegangen. Ist das eine angemessene Reaktion?
Botsch: Die Uneinigkeit im Angesicht einer demokratiefeindlichen Bedrohung einerseits und die immer deutlichere Übernahme von AfD-Positionen andererseits – in der Hoffnung, damit Wähler zurückzugewinnen – hat in den vergangenen anderthalb Jahren diesen Erfolg der AfD erst ermöglicht.
taz: Wie könnte man gegensteuern?
Der Politikwissenschaftler hat sich vor allem als Rechtsextremismus-Forscher verdient gemacht und ist außerplanmäßiger Professor. Er leitet im Moses Mendelssohn Zentrum die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus (EJGF) an der Uni Potsdam, arbeitete zuvor unter anderem in der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannseekonferenz“. In einem Gutachten zu Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ kam er 2010 zu dem Schluss, dass Teile von Sarrazins Äußerungen „rassistisch, elitär und herabwürdigend“ seien.
Botsch: Indem man sich bei bestimmten demokratischen Grundlagen einig ist. Das ist bedauerlicherweise aufgegeben worden, insbesondere durch die Union. Aber leider nicht nur dort, wie Sie an der aktuellen Debatte um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen sehen. Die AfD hat immer gesagt: „Die AfD wirkt“. Über lange Zeit konnten wir sagen: Nein, das tut sie nicht. Aber seit immer mehr demokratische Parteien hoffen, mit Übernahme von AfD-Politik die AfD klein halten zu wollen, muss man ihr da leider recht geben.
taz: Hinzu kommt eine medial negativ geframte Debatte um Flucht und Asyl, die vielfach von Fakten entkoppelt ist. Welche Rolle spielen hier Medien?
Botsch: Die Union entschied sich im Frühjahr 2023 dazu, der AfD mit einem scharf rechtspopulistischen Kurs zu begegnen. Die CDU hat mit den Grünen einen potentiell künftigen demokratischen Koalitionspartner zum Hauptgegner erklärt und versucht seitdem, diesen in der politischen Landschaft möglichst weit einzudämmen, wenn nicht zu beseitigen. Aber auch die aktuelle mediale Debatte trägt dazu bei – und die Art, wie über bestimmte Problemlagen und politisch-gesellschaftliche Handlungsfelder in der Migrationspolitik berichtet wird. Es ist geradezu absurd, was hier gerade passiert.
taz: Welche Fehler wurden langfristig gemacht?
Botsch: Mich besorgt seit langer Zeit der De-Facto-Rückzug der demokratischen Parteien aus der Fläche, die dort im Unterschied zur AfD nicht präsent sind – übrigens nicht nur in Ostdeutschland. Wir sehen im Grunde die Entfremdung eines Teils der Gesellschaft von der demokratisch-politischen Kultur der Bundesrepublik. Das schreitet seit bestimmt 20 Jahren voran. Natürlich gibt es Versuche, dem entgegenzusteuern, die ich nicht kleinreden will. Trotzdem ist diese Entfremdung feststellbar und sie drückt sich keineswegs nur in den Wahlergebnissen der AfD aus, sondern auch etwa in den Projektionen vieler Wähler*innen auf die Phantompartei BSW und Sahra Wagenknecht, die als Politikerin nun wirklich nicht für politische Leistungen berühmt ist.
taz: Wie ließe sich die Präsenz in der Fläche denn erhöhen?
Botsch: Was ich mit großer Neugier beobachte, ist eine Abkehr von landesweit vertretenen Parteien zugunsten von lokal verorteten Initiativen, Wählerlisten und Bürgerbündnissen. Das ist durchaus ambivalent: Da gibt es alle möglichen regressiven und autoritären Potentiale, aber es werden auch viele Menschen aktiv, die sich in erster Linie etwas für ihren Ort versprechen. Ihre Agenda setzt an Problemen an, aber sie wissen: Wenn man in der Kommune etwas erreichen will, sind die politischen Parteien nicht mehr Bündnispartner, sondern ein Hinderungsgrund, weil die Leute diese nicht wählen. Diese Menschen wollen politisch etwas leisten, aber ausdrücklich nicht in der AfD. Darin sehe ich auch ein demokratisierendes Potential.
taz: Wie lässt sich das nutzen?
Botsch: Die Parteien wären gut beraten, diese Entwicklung aufmerksam zu beobachten und mit den dort aktiven Menschen in Kontakt zu treten – nicht mit der Absicht, sie zu dominieren und zu Parteifußvolk zu machen, sondern mit der Absicht, sie als potentielle Bündnispartner zu sehen, ihnen zuzuhören und ihnen Angebote „auf Augenhöhe“ zu machen. Denn beim derzeitigen Zustand sind wichtige kommunale Interessen in der Landes-, Bundes- und Europapolitik nicht hinreichend repräsentiert.
taz: Aber steckt in dieser Entwicklung nicht letztlich auch jene Politikverdrossenheit, die AfD und BSW nutzen?
Botsch: Darin steckt viel Parteienverdrossenheit. Und auch ein autoritäres Potential: Wir wollen einen Macher als Bürgermeister. Besonders der Typus des „unpolitischen Bürgermeisters“ ist durchaus ambivalent. Aber diese Listen bleiben ein ernstzunehmendes Potential, das aus dem Bedürfnis nach positiven Entwicklungen heraus wächst – und nicht wie bei der AfD mit dem erklärten Ziel, die Politik in diesem Land lahm zu legen, um die Grundlage dafür zu schaffen, die Macht zu übernehmen.
taz: Höcke nennt die errungene Sperrminorität eine „Gestaltungsminorität“.
Botsch: Gestaltung wird hier negativ ausformuliert. Die AfD gibt überhaupt keine Hinweise darauf, was sie tun will – außer millionenfach abschieben. Es gibt keinen Hinweis, wie sie dieses Land verantwortlich führen und gestalten will – übrigens vom BSW auch nicht. Wer sich davon eine bessere Politik erwartet, sollte wissen, dass das ein ungedeckter Scheck ist. Die AfD hat sich nicht darauf vorbereitet, die Macht zu übernehmen oder ein Ministerium zu leiten. Sie hat weder Schattenkabinett noch Expertise. Die AfD ist keine Gestaltungs-, sondern eine Blockademacht. Was sich die Wähler davon erhofft haben, ist für mich ein großes Rätsel.
taz: Zuletzt wurden dennoch wieder Stimmen laut, die sagten: Lasst die AfD regieren, die werden sich dann schon durch ihre Inkompetenz entzaubern. Wie sehen Sie das?
Botsch: Die Empirie ist hier sehr deutlich: Die These von der Entzauberung ist nirgends eingetreten. In Großbritannien gab es keinen urwüchsigen Sieg über die Tories, der aus Entzauberung resultierte. Trotz ihrer klugen Strategie hat Labour vor allem deswegen gewonnen, weil die Tories nach Rechtsaußen verloren haben. Rechtspopulistische Akteure an der Macht versuchen, sich eine dauernde Mehrheit zu sichern – auch durch Manipulationen. Das britische Beispiel, aber auch Trump und Bolsonaro, sind nur bedingt mit den Verhältnissen in Kontinentaleuropa vergleichbar. Ich halte die These von der Entzauberung für sehr gefährlich.
taz: Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz forderte zuletzt, dass die Union keinesfalls ihre transatlantischen Grundsätze über Bord werfen sollte, wie es Wagenknecht als Preis für eine Zusammenarbeit in Thüringen fordert. Dann solle doch lieber die AfD mit dem BSW zusammen regieren und sehen, wie sie und Thüringen damit zurecht kommen. Wie sehen Sie das?
Botsch: Mit Blick auf das BSW kann ich das gut verstehen. Polenz will eben nicht die Grundlagen unserer Politik in Frage stellen. Die Union wäre gut beraten, die Partei von Ordnung, Ruhe, Stabilität, Bündnistreue und der festen Einbindung in die transatlantische Wertegemeinschaft zu sein statt Stimmungslagen und Populisten hinterherzulaufen. Sonst könnte der CDU das drohen, was anderen westeuropäischen Mitte-Rechts-Parteien passiert ist: Dass sie tatsächlich bedeutungslos wird oder ganz verschwindet.
taz: Dann lieber riskieren, dass AfD und BSW zusammen regieren? Das wäre doch das Gegenteil von staatspolitischer Verantwortung!
Botsch: Wer soll denn im BSW regieren? Selbst wenn sich das BSW an einer Regierung beteiligt: Meinen Sie wirklich, dass da regiert wird? Gibt es da irgendein Zentrum der Willensbildung? Irgendeine Vermittlung in die Gesellschaft hinein, außer, dass man einen handverlesenen Kreis von Kumpels von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht zusammengetrommelt hat?
taz: BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf gilt in Thüringen als pragmatisch-verantwortungsvoll und war in Eisenach immerhin Oberbürgermeisterin. Und ist es nicht wohlfeil mit Blick auf Betroffene in Thüringen, einen AfD-Ministerpräsidenten zu riskieren?
Botsch: Es bleibt ein tiefes Dilemma. Thüringen wird gerade unregierbar gemacht. Das allein ist das Interesse der AfD. Aber bei der Rede von einem mitregierenden BSW gucke ich als Politikwissenschaftler etwas irritiert. Wagenknecht hat keinen Geheimplan dafür. Sie hat eine Reihe von wirksamen Talkshowphrasen, aber keinen substantiellen Kern, wie man über das Bedienen von Stimmungen und kulturellen Verwerfungen hinaus dieses Land gestalten will. Weder das Bundesland noch die europäische Politik.
taz: Aber ist nicht alles besser als noch mehr Spielraum für die AfD?
Botsch: Die AfD ist ohnehin im Moment der Profiteur. Die Partei sitzt vor einer perfekten Situation: Wenn ich AfD-Politiker wäre, würde ich mir eine Minderheitenregierung wünschen, an der ich nicht beteiligt bin, und dann könnte man Schlitten fahren mit dieser Regierung. Und ich vermute, so ähnlich wird es kommen. Es wird eine instabile Form einer Regierung mit sich gegenseitig behindernden Kräften geben. Das macht regieren immer schwerer. Im Grunde haben die Wähler der AfD und nun auch des BSW in Thüringen das herbeigeführt, über das sie immer schimpfen: Dass dieses Land unregierbar ist. Auch die Ampelkoalition im Bund ist ja eine Folge der erstarkten AfD. Es ist ein Teufelskreis.
taz: Im Zusammenhang mit der Landtagswahl wurden immer wieder historische Vergleiche zum NSDAP-Mustergau Thüringen gezogen. Inwiefern halten Sie solche historischen Analogien für angebracht? Kann man daraus lernen oder versperrt es vielmehr die Klarsicht auf die aktuelle Situation?
Botsch: Wir haben andere Verhältnisse: Geschichte wiederholt sich nicht – auch nicht als Farce. Aber natürlich ist die thüringische AfD sehr dicht am Neonationalsozialismus dran, wenn nicht gar nazifiziert. Höcke und sein Vorfeld kennen die historischen Vorbilder und hoffen, eine ähnliche Situation zu erzeugen. Sie wollen von Thüringen aus ein Sprungbrett für die Machtergreifung im nationalen Rahmen schaffen. Die NS-Nähe der Positionen der Höcke-AfD in Thüringen sollte uns nicht entgehen. Höcke verwendet permanent Zitate aus dem Nationalsozialismus.
taz: Wie sieht es in Brandenburg aus?
Botsch: Nicht viel anders. Schauen Sie sich mal an, wer so ganz normale Teilnehmer der AfD-„Sommerfeste“ in Brandenburg sind: Gruppen von teils sehr jungen Männer, die im Auftreten wirklich den Neonazismus der 2000er oder der 90er kopieren oder offen NS-Symbole als Tattoos oder T-Shirts tragen. Sie schauen nicht zu als kleine, neugierige Gruppen am Rand, sondern sind Kern der Veranstaltung. Zitationen des NS sind im Erscheinungsbild sehr deutlich. Das ist ein Teil der Klientel. Das ist normal geworden in der AfD.
taz: Mit Blick auf die Migrationsdebatte scheint es hierzulande gerade nur in eine Richtung zu gehen. Gibt es aus Ihrer Sicht keine Hinweise darauf, wie sich Mitte-links weiter normalisieren statt marginalisieren kann?
Botsch: Das, was ich für die Flächenländer für die zentrale Aufgabe halte, ist der Gang zurück an die Basis. Das gilt leider nicht erst seit gestern. Mich besorgt schon lange, wie wenig präsent die Parteien etwa in Brandenburg außerhalb von Potsdam sind. Sie orientieren sich auf Potsdam, Berlin und Brüssel. Wir müssen jetzt überlegen: Was ist los in Zossen, Lübben und der Uckermark? Das ist kein Generalrezept, um aus der Misere rauszukommen, aber ein Anfang.
Leser*innenkommentare
mlevi
die immer deutlichere Übernahme von AfD-Positionen andererseits – in der Hoffnung, damit Wähler zurückzugewinnen – hat in den vergangenen anderthalb Jahren diesen Erfolg der AfD erst ermöglicht.
Das hört man immer wieder. Aber wie wird es belegt? Durch die Wahlerfolge der Afd? Nun man könnte genauso gut sagen, die wären sonst noch höher.
Ich zumindest weiß nicht, was von beidem stimmt.
Also geh ich von mir aus. Ich halte eine Begrenzung der Zahl von Flüchtlingen, die in D. leben dürfen, für richtig aus vielen Gründen. Will die hier gar nicht alle aufzählen. Je nachdem, wie groß ich das Problem im Gegensatz zu anderen (z.B. Klima, Ukraine-Krieg etc) sehe, suche ich mir eine Partei, die da Lösungen verspricht. Und nehme hin, dass sie in anderen Feldern eine Politik verfolgt, die ich für falsch halte. Für mich ausgeschlossen, da Afd oder BSW zu wählen. Für andere offensichtlich nicht. Also geh ich gar nicht wählen oder freue mich, dass andere Parteien, dieses Problem jetzt auch angehe und wähle die...
Stoersender
Herr Botsch argumentiert innerhalb des Mainstreams, der (i) die rechtsphilosophische Wahlrepublik in ihrer institutionellen Grundstruktur nicht mehr hinterfragt und (ii) deren undemokratischen Anomalien weitestgehend ignoriert. Dabei verfällt er in das Muster, die Parteien in 'demokratische' und 'undemokratische' Parteien einzuteilen, wobei die einen nicht nur undemokratisch seien, sondern auch populistisch, inhaltsleer, usw. Dabei lässt sich die Diagnose solcher Unterschiede bei neutraler Betrachtung kaum halten.
Wahlen sind kein Instrument demokratischer Willensbildung. Sie sind die Bestätigung, dass die Wählenden der Herrschaft einer (aus-)gewählten Elite zustimmen. Im Wahlkampf versprechen PolitikerInnen stets das Beste für das Land und die Menschen, und jedem gerechterweise das Seine/Ihre zukommen zu lassen. Nach Wahlen bedienen sie sich ihrer Herrschaftsmacht als unabhängige MandatsträgerInnen und argumentieren u.a. mit der Notwendigkeit zu Kompromissen, Sachzwängen usw.
In Zeiten multipler Krisen reicht es AfD und BSW zum Vorteil, dass sie keinen Amtsmalus haben. Wohlfeile Warnungen vor konkurrierenden Parteien, schrecken WählerInnen nicht. Im Gegenteil.
Lindenberg
Langes Interview, dass sich an der AFD und dem Thema Migration abarbeitet. aber wenig dazu zu sagen hat, dass es in der BRD strukturelle Probleme zuhauf gibt: Minimale Renten bei einem großen Teil der Bevölkerung trotz jahrzehntelanger Arbeit. Berufspolitiker, die sehr hohe Einkommen haben und viel zu hohe Renten beziehen. Beamte, die nicht in die Sozialversicherung einzahlen.
Riesiger Vermögenszuwachs bei wenigen.
Fast 20 Prozent der Menschen dagegen im Niedriglohnsektor, der aber in der Realität aufgrund Inflation, Preissteigerung und höheren Energiekosten nicht ausreichend ist.
Dazu gefährliche, überlastetete Krankenhäuser (aktuelle RTL-Reportage zu Charite), Subarbeiterstrukturen noch und noch im Bau, Sicherheits- und Reinigungsgewerbe und nicht zu vergessen die riesige Wohnungsnot.
Dazu unzureichende Versorgung der Schulen mit Lehrern. Der Lehrermangel war absehbar, aber alle Kultusministerien machten die Augen zu und sparten und bildeteten nicht genug Lehrer aus. Keiner übernimmt hierfür Verantwortung.
Eine zugrund gerichtete Bahn und Infrastuktur. Kurz: vielleicht sprechen wir zuerst einmal über das Staatsversagen, das vor allem CDU, SPD, und FDP zu verantworten haben.
Libuzzi
Ja, die CDU/CSU ist im Moment das zweite Problem neben der AfD. In ihr haben die nahezu reaktionären Kreise die Macht übernommen und tun alles, um aucn nur die geringste Aussicht auf eine gesellschaftliche und ökonomische/ökologische Transformation zu zerstören. Deswegen wird ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem alles, was auch nur nach grün oder links riecht, auf der Abschussliste steht.
Da kommt die AfD und ihre Kilentel gerade recht. Die versucht man, vor seinen Karren zu spannen. 1932ff. ging das mächtig in die Hose. Das wäre m.E. eine Lehre, die Herr Merz und Herr Linnemann aus der Geschichte ziehen könnten.
DiMa
"Hinzu kommt eine medial negativ geframte Debatte um Flucht und Asyl, die vielfach von Fakten entkoppelt ist."
In dieser Aussage liegt das ganze Grundproblem.
Flucht und Migration sind nicht "negativ geframt", sondern bringen jede Menge Probleme mit sich. Diese sind letzten Endes fast immer finanzieller Natur und spätestens dann betrifft es jeden von uns.
Es kann zwar sein, dass Migranten irgendwann einmal gewichtige Jobs übernehmen, im Hier und Jetzt braucht es Wohnungen, Unterhalt, Ärzte, Schulen, Verwaltung, Integrationsleistungen, usw. Das kostet alles sehr viel Geld (und im Übrigen auch Platz). Das soll eine "Entkopplung von Fakten" sein?
Gurkenbrille
@DiMa Ich kann Ihnen nur zustimmen. 👍🏻
121314
@DiMa www.bertelsmann-st...hen-staatshaushalt
"Ausländer haben den Sozialstaat 2012 um 22 Milliarden Euro entlastet – 3.300 Euro pro Kopf. Noch stärker profitieren könnte Deutschland, wenn es mehr in Bildung investiert und auf qualifizierte Zuwanderung setzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung" - und hier sind noch nicht mal all die Menschen mit Migrationshintergrund betrachtet, die vermutlich noch besser integriert sind als Menschen ohne dt. Staatsbürgerschaft. Integration lohnt sich wirtschaftlich und wer gute Angebote bekommt, sich mit der Gesellschaft hier zu identifizieren, ist auch nicht anfällig für Extremisten. Die widerum profitieren von den aktuellen Debatten neben der AfD am meisten.
nutzer
da kann man noch lange diskutieren, wie und weshalb die afd so mächtig geworden ist und was man jetzt alles für Koalitionen zustande bringen müsste...ja kann ja alles sein, nur ist das alles sehr dünnes Eis, auch dass sich jetzt auf die Schnelle Politik ändern könnte, die die Menschen wieder überzeugt (damit meine ich nicht die Hetze gegen Migranten, die grad von allen praktiziert wird) ist rein illusorisch. Das Kind ist im Brunnen.
Die NPD wurde nicht verboten, weil sie nicht ausreichend mächtig war, um dieses Land zu gefährden, die afd ist es aber...
Ohne Verbot wird es zu einer Regierungsbeteiligung kommen, was dann passiert, da kann man nur hoffen.
Samvim
"Was sich die Wähler davon erhofft haben, ist für mich ein großes Rätsel." - Der Wähler hat sich genau das erhofft was jetzt gerade passiert: Dass bestimmte real existierende Probleme wie bspw. im Bereich der Migation nicht mehr ignoriert oder gar negiert, sondern Lösungen gesucht werden. Leider sind die bisher angebotenen Lösungen nicht besonders Einfallsreich, egal woher sie stammen. Und ein weiteres Problem kommt hinzu: Der Afd-Wähler stellt fest, dass das Wählen der Afd scheinbar wirklich etwas verändert. Keine schöne Situation
Jens Barth
Auf die Frage, wie man gegensteuern könnte hat Herr Botsch keine Antwort.
Außerdem bezeichnet er die Wähler der AfD und des BSW als Nichtdemokraten.
Meint er im Ernst, so die Probleme zu lösen?
P.S. Herr Botsch spricht von demokratischen Parteien, die Verantwortung übernehmen. Wen meint er? Und wie definiert er als Politologe den Begriff “demokratische
Partei”?
White_Chocobo
@Jens Barth Dann hast du offenbar ein anderes Interview als ich gelesen, denn ich lese dort diverse Vorschläge. Und ja, die Wähler:innen von AfD und BSW sind (!) nicht-demkoraktisch eingestellt, denn sie laufen autoritären-zentralistischen (Wagenknecht) bis faschistischen (AfD) Lagern hinterher, die kaum ein Interesse daran haben, ein Mehr an Demokratie zu sczhaffen. Wagenknecht zentriert alles auf sich, liebäugelt mit Putin/Russland, verbreitet in Teilen an Fake News grenzende Inhalte; Höcke versucht Leute, die ihm nicht passen oder politisch gefährlich werden einfach mal rauszukicken, verhindert Wahllisten, wechselt den Wahlkreis etc. Vom Demokratieabbau der AfD nach außen, also in die breite Landes- und Bundespolitik ganz zu schweigen.
Demokratische Partei wird wohl die sein, die solche Prozesse ernst nimmt und kein Interesse daran hat, z.B. Presse oder andere Verfahrensweisen abzubauen. Siehe z.B. BSW und die unerwünschte Presse bei Parteitagen etc.
Milky
"Die Empirie ist hier sehr deutlich: Die These von der Entzauberung ist nirgends eingetreten. In Großbritannien gab es keinen urwüchsigen Sieg über die Tories, der aus Entzauberung resultierte."
- Wieso müssen die Tories denn auch "entzaubert" werden? Sie sind eine Traditionspartei, die nicht zum ersten Mal regiert hat.
"Sonst könnte der CDU das drohen, was anderen westeuropäischen Mitte-Rechts-Parteien passiert ist: Dass sie tatsächlich bedeutungslos wird oder ganz verschwindet."
- sieht eher so aus, als würde der SPD ein solches Schicksal zeitnah drohen...
"... Phantompartei BSW und Sahra Wagenknecht, die als Politikerin nun wirklich nicht für politische Leistungen berühmt ist."
- Kommt drauf an, wie man "politische Leistung" definieren will. Eine Parteineugründung, die aus dem Stand ins Europaparlament und 2 Landtage einzieht, ist schon etwas mehr als gar nichts. Im Bund haben die Linken ja nie regiert. Wagenknecht war aber immer in der Öffentlichkeit sehr präsent, etwa mit vielen Publikationen. Auch das ist mehr als gar nichts.
Farang
"Die AfD ist keine Gestaltungs-, sondern eine Blockademacht. Was sich die Wähler davon erhofft haben, ist für mich ein großes Rätsel."
Herr Botsch beantwortet sich diese Frage doch ein paar Zeilen vorher schon selbst: "Die AfD (...) will (...) millionenfach abschieben."
Was sich die Leute sonst noch so von der AfD erhoffen: keine Radwege mehr für Peru, Kippung des Asylrechts, Bevorzugung von Deutschen bei Job/Wohnung/Behörden/Versorgung, Kürzung bis Einstellung jeglicher Entwicklungshilfe, Verbilligung von fossilen Ressourcen, innere Sicherheit, Wirtschaft vor Umwelt, Auto vor ÖPNV, etc...
Das ist doch nun wirklich hinreichend bekannt 🤷♂️
Frauke Z
Wenn er gleichermaßen über AfD, BSW und unpolitische Bürgermeister herzieht, klingt das auch nach: "Ich will das Parteiensystem von vor 20 Jahren zurück - da war für mich noch alles in Ordnung."
Vielleicht sollte er weniger darüber nachdenken, was die AfD tut (wo ich ihm übrigens weitestgehend folgen kann), sondern was die anderen Parteien so machen und ob sie ausreichend Verantwortung für das Land übernommen haben.
Grauton
@Frauke Z Die Parteien können nur so viel Verantwortung übenehmen, wie Ihre Mitglieder, bzw. die Bürger die diese Parteien und dieses Land bevölkern.
Die Parteine, das sind auch ein stückweit wir alle.
Frauke Z
@Grauton Nein.
Parteien, die Regierungsmitglieder in Bund und Ländern stellen, haben Verantwortung übernommen und müssen diese auch wahrnehmen.
Wenn eine Oppositionspartei stark wird, dann liegt es eigentlich immer daran, dass viele es anders wollen, als aktuelle Regierungen agieren.
Doch das scheint ja langsam, aber sicher anzukommen.