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Angriff auf KultursenatorRadikalisierung vor der Haustür

Die Anti-Israel-Szene wird immer übergriffiger. Zuletzt sprühte man „Genocide Joe Chialo“ ans Haus des Kultursenators. Radikalisierung, die nur konsequent ist.

Wurde schon zum zweiten Mal angegriffen: Berlins Kultursenator Joe Chialo Foto: Britta Pedersen/dpa

E s ist schwer zu begreifen, wie es so weit kommen konnte. Dass Grenzen fast ein Jahr nach dem 7. Oktober auch hier in Deutschland immer und immer wieder überschritten werden und die Radikalisierung einer propalästinensischen Szene, die ihren Israelhass offen vor sich herträgt, voranschreitet.

Schon zum zweiten Mal wurde der Berliner Kultursenator Joe Chialo angegriffen. Diesmal hatten die Täter die Fassade seines Wohnhauses mit blutroter Farbe beschmiert und „Genocide Joe Chialo“ darauf gesprüht. Ein abscheulicher Eingriff in die Privatsphäre des CDU-Politikers, der nicht nur ihn, sondern auch seine Familie in Angst versetzen soll. Noch sind die Täter nicht ermittelt. Doch die Handschrift, die diese Attacke trägt, legt nahe, dass sie im antiisraelischen Milieu zu finden sind.

Erst wenige Tage zuvor war Chialo bei der Eröffnung eines Kunstzentrums von einer in Kefijes gehüllten Menschenmenge bedrängt worden. In Chialos Richtung flog ein Mikrofonständer. Er blieb unverletzt, konnte den Ort aber nur mit Polizeischutz verlassen.

Die Angriffe sollen einschüchtern

Die Message solcher Angriffe ist klar: Wer sich nicht dem Druck der Szene beugt, sich nicht erpressen lässt, und in ihren Augen „auf der falschen Seite steht“, also sich zu Israel bekennt, wird zum Angriffsziel gemacht und soll sich nicht mehr sicher fühlen dürfen. Diese Taten, sie sollen einschüchtern, nicht nur Politiker wie Chialo und seine Familie, sondern alle, die sich gegen den aggressiven Antisemitismus aussprechen und die einen autoritär geführten Diskurs über Israel und den Krieg in Gaza ablehnen.

Es zeigt sich einmal mehr, wie radikal Teile der israelfeindlichen Szene geworden sind, wie sie bewusst Grenzen überschreiten, und Gewalt als legitimes Mittel ihres politischen Protests erachten. Auf ihren Demonstrationen gehören Gewaltaufrufe gegen Juden und Israel sowie Angriffe gegen Jour­na­lis­t:in­nen mittlerweile zum festen Repertoire. Erst im Juli war Bild-Reporter Iman Sefati nach einer Demonstration vor seinem Wohnhaus mit einem Messer bedroht worden.

Bei genauerer Betrachtung ist diese Radikalisierung nicht überraschend, sondern nur konsequent. Wer zu Gewalt aufruft, wird auch nicht davor zurückschrecken, diese irgendwann selbst anzuwenden. Wem es nur um die eigenen aggressiven Gefühle geht, der wird bald selbst zur Barriere, hinter der traurigerweise die wichtigen politischen Anliegen verschwinden.

Es gibt auch echten Mut

Die Schreihälse der Palästinasolidarität verstehen sich als Unterdrückte, die gegen die Mächtigen protestieren. In dieser Weltsicht kann auch eine Attacke gegen einen Politiker oder einen Journalisten zu einer mutigen Tat umgedeutet werden. Doch mutig ist keiner dieser selbsternannten Freiheitskämpfer.

Mutig hingegen ist für mich Hamza Howidy, Aktivist und Flüchtling aus Gaza. Howidy, heute in Deutschland, kennt die Brutalität der Hamas-Terroristen. Weil er gegen die schlechten Lebensbedingungen in Gaza demonstrierte, ein Produkt der Hamas-Herrschaft, wurde er von diesen Herrschern gefoltert. Howidy spricht öffentlich darüber, dass er lange den in Gaza propagierten Judenhass glaubte. Er ist einer, der glaubhaft gemacht hat, dass er diese Ansichten abgelegt und reflektiert hat.

Howidy ist Aktivist und setzt sich für Zivilisten in Gaza ein. Er vergisst dabei nicht, dass die Forderung nach einem Waffenstillstand auch die nach der Freilassung der israelischen Geiseln beinhalten muss. Howidy kritisiert die israelische Regierung hart – die Terroristen der Hamas klammert er aber nicht aus. In Deutschland sieht sich Howidy im Visier von Islamisten. In seiner Asylbewerberunterkunft und auf der Straße. Und trotzdem verstummt er nicht. Das ist Mut.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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8 Kommentare

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  • Liebe Frau Zingher, vielen Dank für Ihren pointierten Beitrag, den ich sehr gut finde.

    Inzwischen hat die Radikalierung den nächsten Level erreicht. In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag erfolgte ein Brandanschlag auf die Neuköllner Programmkneipe Bajszel.

  • Selbsternannte Linke, die das tun, was früher Faschos taten. Peinlich, widerwärtig, ekelig.

  • Im Untertitel "konsequent" zu schreiben finde ich krass, weil das eine positive Konnotation gibt.

    Selbstentlarvung fände ich besser.

  • Siehe hier ab 22:40:

    www.3sat.de/kultur...4-09-2024-100.html

    Gewalt ist selbstredend nicht gerechtfertig, aber ein Kultursenator, der Kulturzentren das Geld streicht aus leicht durchschaubaren Gründen, ist so eine Sache. Freiheit von Kunst und Wissenschaft sind aber in Deutschland ja auch schon auf der Kippe. Daher kam der Gegenwind gegen ihn.

    • @Jalella:

      Nein, daher kam der Gegenwind nicht - zumindest nicht nur. Herr Chialo ist das einzige nicht-weisse Senatsmitglied. Das ist schon der zweite Angriff und zwar nur auf ihn.



      Das ist seit Jahrhunderten so, die Antisemiten-Soldateska fühlt sich nur Minderheiten gegenüber stark.

  • Das ist mal einer der wenigen Artikel in der TAZ dem man unumwunden zu 100% zustimmen kann.

  • Die Israelhasser haben sich zum Kern ihrer Ideologie vor gearbeitet. Dem Antisemitismus.

    Für mich kam das am deutlichsten bei dem Anschlag auf das Mahnmal in der Rosenstraße zum Ausdruck.

    Das hat so rein gar nichts mit dem Nahen Osten zu tun, es erinnert an die Aktion nicht-jüdischer Ehefrauen, die gegen die Verhaftung ihrer jüdischen Männer protestierten.

    Die Aktion gegen Chialo zeigt den stumpfen Hass auf jeden, der nicht so denkt wie diese Aktivisten.

    Wer mit alledem nicht einverstanden ist, sollte sich an der Demonstration

    "Gegen die antisemitische Internationale"

    beteiligen. Die startet am Samstag den 5. Oktober vor der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6 um 14 Uhr.

    Weitere Infos hier:

    antifaberlin.org/

  • Bevor hier gleich wieder der erwartbare Protest gegen die absolut berechtigten Vorwürfe gegenüber der hier adressierten Gruppen losgeht, möchte ich mich für diesen wichtigen Beitrag bedanken.

    Zwar bin ich regelmäßig fassungslos über den Inhalt anderer Artikel zum Thema Nah-Ost-Konflikt und was teilweise schon für unkritische Interviews mit höchst umstrittenen Personen und Thesen hier veröffentlicht wurden. (Grüße gehen insbesondere raus an Herrn Bax und Frau Neumann)

    Dennoch muss man zumindest Teilen der Taz Redaktion und Autorinnen und Autoren lassen, dass sie es sehr wohl vermögen, wie in Artikeln wie diesem, die Dinge treffend beim Namen zu nennen. Wegen solchen Stimmen komme ich trotz phasenweiser Wut und Fassungslosigkeit dennoch immer wieder zurück und lese gerne Taz.