Vor Nationalratswahl in Österreich: Kein Untergang trotz Hochwasser

Die Klimaschäden in Österreich sind enorm. Doch in Umfragen zur Wahl liegt die rechtsradikale FPÖ, für die die Klimakrise „Hysterie“ ist, vorn.

Am Straßenrand einer österreichischen Landstraße steht ein Wahlkampfschild der FPÖ

Eher uninspiriert: Wahlkampfschild der FPÖ auf dem österreichischen Land Foto: IMAGO/JOERAN STEINSIEK

Wien taz | Anderthalb Wochen nach dem Rekordhochwasser in Teilen Österreichs (und anderen Regionen in Mittel- und Osteuropa) wird erst das volle Ausmaß der Schäden sichtbar. Noch immer sind drei Bezirke in Niederösterreich Katastrophengebiet, 84 Straßen bleiben gesperrt. Einen Betrag „in dreistelliger Millionenhöhe“ wird allein die Reparatur der Eisenbahn-Weststrecke kosten, sagte eine ÖBB-Sprecherin. Die Verbindung zwischen Wien und Salzburg ist die meistbefahrene in Österreich und auch für den Fernverkehr nach Deutschland von großer Bedeutung. Die Arbeiten werden laut ÖBB Monate dauern.

Die Folgen des Hochwassers sind immens und dennoch nimmt die Lage kaum Einfluss auf den Wahlkampf für die Nationalratswahl am kommenden Sonntag. Die Themen Klimawandel, Renaturierung und Bodenversiegelung – alles inhaltliche Streitpunkte der schwarz-grünen Bundesregierung – schafften es zwar kurzzeitig wieder auf die Titelseite. Aber zum alles bestimmenden Thema wurden sie nicht. Viele Österreicher scheinen sich angesichts außergewöhnlich stabiler Umfragedaten offenbar damit abzufinden, dass die rechtsradikale FPÖ deutlich dazugewinnt.

Die Fäden in der Hand hat die einst als Mitte-Partei konservative, aber nun ebenfalls nach rechts gerückte ÖVP, ohne die wohl keine Mehrheit zustande kommen kann. Die ÖVP ist seit durchgehend 37 Jahren in Regierungsverantwortung.

Zur allgemeinen Verdrossenheit trugen die mehr als 70 Wahldebatten und TV-Duelle im ORF und anderen Sendern bei. Neues war in den Sendungen nur selten zu erfahren, zugunsten der Zuspitzung blieb man auch journalistisch meist an der Oberfläche. Das Hochwasser spielte in den Debatten zwar auch eine Rolle, aber keine herausragende.

Alle Spitzenkandidaten versuchten Flut zu nutzen

Nach dem Sieg der FPÖ bei der Europawahl im Juni steht sie auch vor einem Erfolg im österreichischen Nationalrat. Aktuell geht ihr Hauptthema Migration zwar etwas unter, aber die FPÖ liegt stabil bei etwa 27 Prozent. Zwei, drei Prozentpunkte dahinter liegt die ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer, der vor allem auf Stabilität setzt. Deutlich abgeschlagen bei rund 21 Prozent landet in den Umfragen die SPÖ, die auch unter Andreas Babler kaum dazugewann. Die Gründe: Grabenkämpfe in der SPÖ und ein linkspopulistischer Kurs. Babler fordert nämlich ein früheres Renteneintrittsalter und eine Viertagewoche.

Das Hochwasser und die dramatische Lage in Österreich versuchten fast alle Spitzenkandidaten für sich zu nutzen. Kanzler Nehammer zeigte sich in Krisensitzungen, Babler wurde als Bürgermeister und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr helfend in Uniform gesichtet. Von Kickl existieren eher uninspirierte Bilder vom heimatlichen Schreibtisch aus. Ob und wie sich die Hochwasserkatastrophe auf die Wahl auswirkt, ist noch schwer abschätzbar. Zuletzt zeichnete sich ein leichtes Aufholen der Kanzlerpartei ÖVP ab. Ob und inwieweit die mitregierenden Grünen profitieren, ist noch unklar. Offensiv sind sie aber nicht auf das Thema aufgesprungen.

Eine Partei wie die FPÖ, die den Klimawandel als „Hysterie“ abtut, tut sich damit naturgemäß schwerer. Das gleiche Problem hat auch die ÖVP, die noch vor Kurzem einen „Verbrennergipfel“ abhielt und Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen kriminalisierte. Dass sie trotzdem leicht in den Umfragen gewinnt, könnte am „Kanzlerbonus“ und dem besonnenen Ton seiner Kampagne („Stabilität für Österreich“) liegen.

Keine Hemmung vor Koalition mit FPÖ

Und wohl auch an seiner Ankündigung, keinesfalls mit dem seiner Ansicht nach „radikalisierten“ Parteichef Kickl koalieren zu wollen. Eine Koalition mit der FPÖ hingegen schließt er, anders als etwa die SPÖ, nicht aus. Mit dieser Doppelstrategie sendet Nehammer Signale in beide ÖVP-Lager: Jene, die eine Regierung mit der FPÖ als beste Option sehen sowie jene, die keinesfalls mit ihr zusammenarbeiten wollen.

Nehammers leichtes Aufholen liegt möglicherweise auch an den üppigen staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Hochwasseropfer, die er medienwirksam bekanntgab. Die Botschaft bleibt dieselbe wie noch in der Coronapandemie: Wir lassen euch nicht im Stich. Auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass die neue Regierung – egal in welcher Konstellation – um ein neues Sparpaket wohl nicht herumkommen wird.

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