Pilotprojekte für Lkw nicht erfolgreich: Das Ende der Oberleitung für Laster
Pilotstrecken für Hybrid-Lkws mit E-Antrieb werden zurückgebaut. Die Technik ist teuer und findet auch deshalb kaum Akzeptanz.
Berlin taz | Die Oberleitung für Lkws ist in Deutschland auf dem Rückzug. Die Teststrecke an der Bundesstraße 462 im badischen Murgtal soll im kommenden Jahr nach Ablauf der Förderung abgebaut werden – der Bund stellt kein zusätzliches Geld mehr bereit. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bedauerte das Ende.
Das Murgtal war für das Pilotprojekt ausgewählt worden, weil dort jährlich 510.000 Tonnen Papier von drei Herstellern in ein Logistikzentrum im Rheintal gebracht werden müssen. So wurden in jeder Fahrtrichtung der Bundesstraße zwei Abschnitte mit Oberleitungen (2,6 Kilometer und 750 Meter lang) elektrifiziert mit dem Ziel, dass hier die Hybrid-Lkws mit Strom fahren und zugleich ihre Batterie nachladen können.
Die baden-württembergische Landesregierung hatte große Erwartungen in die Technik gesetzt: Zur Eröffnung der Strecke 2021 war das Verkehrsministerium zuversichtlich, Oberleitungen könnten helfen, „den Straßengüterverkehr klimafreundlicher und nachhaltiger zu gestalten“. Doch das 28-Millionen-Euro teure Projekt – genannt: eWayBW – brachte vor allem Probleme. Mal war es das Streusalz, das den Oberleitungen zusetzte, dann kam Kritik auf, weil der Fahrdraht das Landen von Rettungshubschraubern bei Unfällen behindert. Zudem lähmte die geringe Bereitschaft der Lkw-Hersteller zur Kooperation das Projekt.
Entsprechend schlecht war die Akzeptanz vor Ort, wie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung im Rahmen einer Begleitstudie herausfand: Die Technik habe – auch aufgrund der Kosten – bei unterschiedlichsten Akteuren „viele Vorbehalte auf lokaler Seite“ hervorgerufen. Kritiker, wie der baden-württembergische FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung, die das Steuergeld beim Ausbau der Bahn besser aufgehoben sahen, sehen sich nun bestätigt.
Realisierung in weiter Ferne
Damit scheint das Thema in Deutschland erst einmal durch zu sein. Zumal auch für eine weiteren Teststrecke, auf der A1 in Schleswig-Holstein, bereits im Sommer der Rückbau des Fahrdrahts besiegelt wurde. Ein drittes Projekt auf der A5 in Hessen ist bis Mitte 2025 finanziert.
Noch im Sommer 2023 hatten mehrere Forschungsinstitute, darunter das Öko-Institut, „Handlungserfordernisse für eine erfolgreiche Gestaltung des Markthochlaufs von Oberleitungs-Lkw“ definiert. Die Institute schrieben, es sollte „perspektivisch der Aufbau eines europäischen Kernnetzes angestrebt“ und dessen „Umsetzung in der EU-Gesetzgebung verankert und europäisch koordiniert“ werden. Das scheint ferner denn je.
Leser*innenkommentare
Vigoleis
Ich hatte von Anfang an gestaunt, dass es überhaupt Pilotprojekte dafür gab. Aus meiner Sicht ist das eine technologische Todgeburt gewesen, ähnlich wie der Transrapid (für D) oder der Cargolifter.
Man sollte nur Technologien verfolgen und finanzieren, die bereits in das vorhandene System passen.
Allein die Einführung von E-Autos zeigt, wie aufwendig und teuer die Bereitstellung der Infrastruktur (genügend und schnelle Ladesäulen) ist, bis die Masse der Autobesitzer bereit ist, auf die neue Technik umzustellen.
Keine Sonne
In Schleswig-Holstein gab/gibt es ein ähnliches Projekt mit den gleichen Problemen.
vieldenker
Es wird wohl mehr Sinn machen, das Geld in den Aufbau des integrativen multimodalen Verkehrs zu stecken und damit die unsinnigen Fernverkehrsfahrten der LKWs durch den Ausbau einer wirklich mal leistungsfähigen Güterbahn mit automatisierten Übergabestationen zu reduzieren. Für den Rest würden Batteriefahrzeuge auf jeden Fall reichen.
Carsten S.
Früher hatten Fabriken Gleisanschlüsse...
Die Bahn wurde besser und moderner *hust*.
Kein weiterer Kommentar.
Mopsfidel
Wieso nennt keiner der Beteiligten den wahren Grund? Die Idee war totaler Quatsch!
Ein Elektrofahrzeug während der Fahrt zu laden, ist nur in den allerwenigsten Fällen notwendig. Man kann sich damit zwar eine extra große Batterie ersparen, man läuft damit dann aber auch immer Gefahr, die Ladestrecke nicht passend beziehungsweise rechtzeitig zu erreichen.
Die hauptsächlich beteiligte Spedition kann ihre E-LKW während der Pause laden, vor allem aber nachts auf dem Werkshof. Und so ergeht es eigentlich allen Logistikern oder auch Handwerkern.
Straßen mit Oberleitungen auszubauen, ist extrem aufwendig, teuer und macht die Bewegung der Fahrzeuge sehr unflexibel - zum Beispiel beim schnellen Ausweichen oder Überholen. Batterien mit größerer Reichweite sind dabei die eindeutig bessere Wahl. Das haben auch die LKW-Hersteller erkannt und sich erst gar nicht mit dem Thema 'Oberleitung' beschäftigt.
Dass nun einige in den Amtsstuben verschnupft reagieren angesichts der fehlenden Akzeptanz, zeigt welch verbissener Kampf manchmal um Fördergelder geführt wird.
Herma Huhn
@Mopsfidel So grundsätzlich ist die Idee gar kein Quatsch. Sie konnte nur in dem begrenzten Rahmen des Pilotprojektes unmöglich funktionieren.
Eine lokale Spedition, bei der die LKW am Abend alle wieder auf dem Hof stehen, kann das Zeug wirklich nicht brauchen. Aber der Transit-Fahrer, der möglichst von 8 bis 20 Uhr auf der Autobahn sein will, schon.
Überholen ist überhaupt kein Problem, denn man ist nicht, wie ein Schienenfahrzeug an die Spur gebunden, sondern hat durchaus auch noch eine Batterie, die einem das Abkoppeln erlaubt.
Aber natürlich passt die dazu notwendige Investition in keiner Weise in die aktuelle Förderung von Billig-Spediteuren, sekundengenauer Warenlieferung, weil man keine Lager mehr will, und vieles Mehr, was in Europa in dem Bereich falsch läuft.
Aber die schon existierenden Oberleitungen zu fördern wäre vielleicht wirklich effektiver.
Jörg Schubert
@Herma Huhn Es ist eigentlich ganz einfach: Diese Technik wurde von massiv fallenden Batteriekosten überrannt.
Fernlaster mit 500km Reichweite gehen noch dieses Jahr in Serie und Ladesäulen kosten deutlich weniger als Oberleitungen. So ist die Idee gestorben. Nur gut, dass es jetzt passiert und nicht nach den ersten 1000 Kilometern Autobahn-Ausbau...
Nisse
@Herma Huhn Zum Glück darf der Transitfahrer nicht von 8 bis 20 Uhr auf der Autobahn fahren, sondern muss nach 4,5 Stunden 45 Minuten Pause machen, die er gut zum Laden nutzen könnte.
Troll Eulenspiegel
Das Geld für Oberleitungen hätte man für O-Busse, Züge oder Straßenbahnen verwenden können.
Nein, es musste Logistik sein.