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Niederländische AsylpolitikSchlechtes Beispiel

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Niederlande wollen künftig aus dem EU-Asylrecht aussteigen. Das ist keine gute Idee, aber nicht so krass wie Merz' Plan, das EU-Asylrecht sofort zu ignorieren.

Asylsuchende in Ter Apel Niederlande, müssen beinahe wegen Überfüllung draußen schlafen Foto: Jaspar Moulijn/imago

D ie Niederlande wollen sich nicht mehr an der EU-Asylpolitik beteiligen, das EU-Asylrecht soll nicht mehr in den Niederlanden gelten. Einen entsprechenden Brief hat die rechtsextremistische Den Haager Asylministerin Marjolein Faber jetzt an die EU-Kommission geschrieben.

Das ist natürlich kein Vorbild für Deutschland, denn das EU-Asylrecht ist fortschrittlich. Es garantiert jedem Flüchtling ein Asylverfahren und legt Mindeststandards für die Asylanerkennung, das Asylverfahren und die Versorgung der Asylsuchenden fest. Bürgerkriegsflüchtlinge erhalten subsidiären Schutz.

Davon will sich die neue, rechtsextremistisch geführte Regierung in Den Haag freimachen. Sie strebt für die Niederlande einen Status an wie Dänemark. Dort gilt das EU-Asylrecht tatsächlich nicht. Diesen Sonderstatus erhielt Dänemark, nachdem 1993 eine Volksabstimmung zum Maastrichter Vertrag der EU gescheitert war. Alle EU-Staaten mussten damals diesem dänischen Sonderstatus zustimmen. Dass nun auch alle EU-Staaten einen niederländischen Sonderstatus beschließen, ist dagegen unwahrscheinlich. Bis auf Weiteres müssen die Niederlande also das EU-Asylrecht anwenden.

So gesehen ist der niederländische Schritt weniger radikal als der Plan von CDU-Chef Friedrich Merz zur Zurückweisung aller Asylsuchenden an der Grenze. Merz wollte das EU-Recht unter Berufung auf eine Notlage sofort nicht mehr anwenden. Eine Zustimmung der anderen EU-Staaten wollte Merz nicht einholen.

Die Niederlande sind aber vermutlich kein Beispiel, wie man sich trotz rechter Rhetorik an EU-Recht hält. Denn auch die niederländische Regierung plant eine Notlage. Dort geht es zwar vor allem um Ausnahmen vom niederländischen Recht; die Regierung will in Asylfragen ohne das Parlament agieren. Vermutlich werden dabei dann aber auch viele Maßnahmen beschlossen, die inakzeptabel sind und gegen EU-Recht verstoßen. Der Europäische Gerichtshof wird das dann hoffentlich schnell beanstanden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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8 Kommentare

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  • Ernsthaft? Eine Volksabstimmung wurde respektiert, In der EU? Heftig, das muss ich notieren.

  • Ja, das muss man alles kritisch begleiten - ist aber schwierig. Das Migrationsthema ist so groß, dass es die EU auch sprengen kann - dann erübrigt sich alles EU-Recht und was der EuGH dazu meint. Es wird auch dadurch noch schwieriger, dass es nicht das einzige Problem ist, das eine Größenordnung hat, die die EU auch zerlegen kann. Schwierig.

  • Ampel und Union haben es verbockt.

  • Es ist Zeit, die EU als gescheitert zu erklären. Es macht mittlerweile doch jeder was er will. Voran mit Ungarn!

  • Das Asylrecht war ein humanistischer Meilenstein eingeführt allerdings unter ganz anderen Fallzahlen als heute. Um seine Akzeptanz in der Bevölkerung steht es europaweit nicht gut. Um es zu erhalten muss es deshalb wieder auf den Kreis beschränkt werden, für den es ursprünglich auch gedacht war. Individuell politisch Verfolgte wie Politiker, Gewerkschaftler usw. sollen hier weiterhin über Asyl Schutz finden können. Deutschlands Versuch allerdings, seinen Mindestlohnsektor über die Schiene Asyl mit konstantem Nachschub an willigen Arbeitskräften zu versorgen und dabei alle europäischen Partner vor gesellschaftliche Zerreißproben zu stellen, muss dringend sofort beendet werden. Migration und Asyl müssen deshalb endlich dauerhaft getrennt werden. Das Generationenprojekt EU steht aktuell sonst am Scheideweg. Außer unserer Regierung scheint es ja sonst nur noch Rechtsextremisten zu geben.

    • @Šarru-kīnu:

      Diese Ablehnung von Schutzbedürftigen ist nichts neues.

      "Das Boot ist voll" war Mal auf Juden bezogen.

      GB, die Schweiz, die USA haben die Schotten dicht gemacht und die Flüchtlinge teilweise direkt zurück und damit in den Tod geschickt.

      Eben genau aus dieser grauenhaften Mitschuld am millionenfachem Mord ist ja die Idee des Asyls entstanden.

      Damit war Fremdenhass und Angst aber nicht aus der Welt geschafft.

      Und so wiederholt sich die Geschichte in neuer Facette.

      Natürlich gibt es gesellschaftliche Belastungsgrenzen.

      Sie vergessen aber zu erwähnen, dass die EU bereits ALLES tut was möglich ist um die Zahl der Ankommenden zu reduzieren.

      Die Selbstschussanlagen auf Türkischen Grenze sind die EU aussen aussen Grenze.

      Und wer Menschen in die Wüste schickt und verdursten lässt, kann auch EU Partner sein.

      Selbst Milizen werden ausgerüstet mit EU Geld.

      Dadurch werden die Fluchtrouten immer gefährlicher und tödlicher.

      DAS ist der Kern der EU Asylpolitik.

      Nur was wenn der "Damm" einmal bricht, wenn die ganzen Klimaflüchtlinge noch dazu kommen?

      Das ist doch nur eine Frage der Zeit.

      • @sociajizzm:

        Eine Lehre aus 45 sollte aber auch sein keine Nazis wieder an die Macht zu lassen und genau das machen wir gerade.



        Ich rufe auch nicht das Boot ist voll. Meinetwegen können wir eine legale Migration in größerem Ausmaß haben als jetzt. Ob es an den EU Grenzen wirklich Abschreckung braucht, wird sich erst nach der nächsten Bundestagswahl erweisen, wenn Deutschland unter neuer Regierung seine Sozialgesetzgebung anpassen wird. Alle skandinavischen Länder, die mit uns vergleichbar eine solche Kehrtwende bereits gemacht haben, hatten sofort eine Reduzierung der Antragszahlen um 80%. Die gesamte Fluchtbewegung der letzten 10 Jahre ging ja zu 84% in 4 EU Länder. 2 davon haben jetzt bereits rechte Regierungen (Italien und Schweden) und bei Deutschland und Frankreich ist das nur noch eine Frage der Zeit. Das mag für sie egoistisch klingen, aber ich hätte lieber eine intakte EU als sehenden Auges in ein bürgerkriegsähnliches Szenario abzugleiten wie jüngst in England zu besichtigen.

    • @Šarru-kīnu:

      So sehe ich es auch. Es ist viel Schund passiert mit einer guten Idee. Das ist traurig besonders da es die falschen Leute erwischt welche darunter leiden.



      Deutschlands Niedriglohn Sektor steigt, auch weil Firmen welche früher gut bezahlt haben dazu rüber gehen billiger ein stellen zu wollen.



      Einige Firmen wandern in teure Städte ab sind aber nicht bereit aber dann auch mehr zu zahlen. Das sind auch jene die dann schreien es fehlen Fachkräfte.



      Leider alles selbst erlebt.