EU-Kommission für qualmfreie Zonen: Warum Rauchen unsolidarisch ist
Die EU-Kommission fordert mehr rauchfreie Bereiche – richtig so, findet unser Autor. Denn rauchen heißt vor allem, andere zu gefährden.
#x201E;Wo soll man denn überhaupt noch rauchen?“, fragte eine Redakteurin aufgebracht, die nicht mal selbst Raucherin ist. Die Empörung war auf der Morgenkonferenz der taz groß, nachdem die Europäische Kommission am Dienstag mehr rauchfreie Zonen an öffentlichen Orten gefordert hatte.
Einige schlugen vor, dass der rauchende Kollege, der sich per Zoom zugeschaltet hatte, einen Kommentar gegen das Vorhaben schreiben soll. Alle schienen sich einig zu sein: Rauchen sei gleich Freiheit, eine gefährdete. Fast könnte man meinen, dass hier eine marginalisierte Minderheit noch weiter schikaniert und diskriminiert wird. Wird jemand bitte an die armen verfolgten Rauchenden denken?
Doch der Vorstoß der Kommission ist zweifelsohne der richtige. Die Gründe liegen auf der Hand. „Jedes Jahr verlieren in der EU 700.000 Menschen ihr Leben aufgrund von Tabakkonsum, darunter Zehntausende aufgrund von Passivrauchen“, so die scheidende Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides in Straßburg.
Zigaretten sind verantwortlich für jede vierte Krebserkrankung in Europa. Wir hätten die Pflicht, „unsere Bürger, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor der Belastung durch schädlichen Rauch und Emissionen zu schützen“, sagte sie weiter.
Die Europäische Kommission empfiehlt nun EU-Mitgliederstaaten, Nichtraucherzonen auf bestimmte Außenbereiche auszudehnen, an denen Kinder und Jugendliche besonders gefährdet sind – Schwimmbäder, Spielplätze, Bahnhöfe und Bushaltestellen. Auch E-Zigaretten, die gefährliche Aerosole produzieren können, sind davon betroffen.
So sollen einerseits Menschen vor Passivrauchen geschützt werden, andererseits soll Tabakkonsum weiter entnormalisiert werden. Das Ziel: Bis 2040 sollen weniger als 5 Prozent der Bevölkerung in der EU rauchen. Damit soll Krebs bekämpft werden und eine rauchfreie Generation entstehen. Gut so. Heute sind es noch 20 Prozent.
Kranke Minderheit
Raucher*innen sind tatsächlich eine Minderheit – eine gefährliche. Aber auch eine kranke. Dass ihre Sucht im linken Spektrum so oft verteidigt, verharmlost, ermöglicht wird, ist heuchlerisch. Rauchen ist zutiefst unsolidarisch, ja, unlinks. Auch andere zahlen dafür den Preis.
Es ist eine individualistische Praxis, die das eigene Vergnügen über das kollektive Gemeinwohl stellt. Zigaretten sind schwelende Stäbe des Neoliberalismus, die von Deregulierung leben und „Big Tobacco“ noch reicher machen. Raucher*innen brauchen Hilfe, nicht Raucherzonen.
Unter den Folgen leiden nicht nur Passivraucher*innen hierzulande. Neun der zehn größten Tabakanbauer sind Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden weltweit 3,2 Millionen Hektar fruchtbarer Flächen für Tabakanbau verwendet – was die Ernährungssicherheit in manchen Ländern gefährdet. Besonders in Kenia, Malawi und Sambia wird immer mehr Tabak angebaut. Das führt zu Abholzung, Wasserverschmutzung und Bodenverschlechterung.
Die Ernte auf Tabakfeldern ist zudem gesundheitsschädlich: Jeden Tag können Arbeiter*innen so viel Nikotin wie in 50 Zigaretten aufnehmen, berichtet die WHO. Jede*r vierte von ihnen leidet an der sogenannten Green Tobacco Sickness – einer Nikotinvergiftung, die zu Übelkeit, Schwindel und Schwankung des Blutdrucks und der Herzfrequenz führen kann.
Das Schicksal der Tabakarbeiter*innen scheint aber die rauchenden Linken nicht sonderlich zu stören. In alternativen Räumen gehört eine Kippe nach wie vor oft „einfach dazu“ – in Punkbars, Technokellern, Hausprojekten oder autonomen Zentren. Ist das ein vermeintlich rebellischer Akt, ein Symbol der Anarchie vielleicht? „Rauch kaputt, was euch kaputt macht.“ Jedenfalls ein egoistischer.
Inklusiv sind solche Räume nicht mehr – weder für Jugendliche und Schwangere noch für Menschen mit Gesundheitsbeschwerden. Die befreite Gesellschaft kann nur eine rauchfreie sein.
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