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AfD verliert Sperrminorität in SachsenWelche Rolle der eine Sitz spielt

Die Sitzverteilung im sächsischen Landtag musste neu berechnet werden. Nun kann die AfD einige Entscheidungen nicht mehr blockieren.

Nach der Wahl in Sachsen: die Zahl der Sitze wird korrigiert Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Berlin taz | Ein recht ungewöhnlicher Vorgang hat große Auswirkungen auf die Politik in Sachsen. Das in der Nacht veröffentlichte vorläufige Wahlergebnis war falsch – zumindest was die Sitzverteilung angeht. Grund war nach Angaben des Landeswahlleiters ein Softwarefehler. Am Montag wurde das Ergebnis korrigiert. Demnach erhalten AfD und CDU je einen Sitz weniger, SPD und Grüne je einen Sitz mehr als ursprünglich angegeben.

Das hat Folgen für die Politik der nächsten fünf Jahre, denn die rechtsextreme AfD verliert nun die sogenannte Sperrminorität im neuen Landtag. In deutschen Parlamenten können grundlegende Entscheidungen nur mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Diese hätte die AfD blockieren können, wenn sie wie ursprünglich berechnet 41 der 120 Landtagssitze bekommen hätte. Nun bleiben sie – zumindest rechnerisch – möglich.

Allerdings müssten sich dafür alle anderen Parteien einig sein – von der CDU über BSW, SPD, Grünen und Linken bis hin zu dem einen Abgeordneten der Freien Wähler, der seinen Wahlkreis Leipzig Land direkt gewinnen konnte.

Um welche Entscheidungen geht es?

Zweidrittelmehrheiten sind zum Beispiel für alle Änderungen der Landesverfassung notwendig und auch für die Wahl von Rich­te­r*in­nen für das Landesverfassungsgericht. Die werden laut Landesverfassung vom Landtag mit zwei Dritteln seiner Mitglieder auf die Dauer von neun Jahren gewählt. Die AfD hätte in Sachsen also die Neubesetzung blockieren oder auch auf eigene Kan­di­da­t*in­nen pochen können.

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Auch für die Wahl des Rechnungshofpräsidenten, für die Abberufung von Ausschussvorsitzenden sowie für die möglicherweise notwendig werdende Auflösung des Landtags wäre eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. All das bleibt durch der Neuberechnung nun zumindest auf dem Papier auch ohne Stimmen der AfD möglich.

Beeinflusst die neue Sitzzahl die Regierungsbildung?

Auf die Regierungsbildung in Sachsen hat die Neuberechnung der Sitze keine Auswirkung. Die bisher regierende Koalition aus CDU, SPD und Grünen hätte nun insgesamt 58 statt zuvor 57 Sitze. Um weiter regieren zu können, bräuchte sie aber 61 der 120 Abgeordneten im kommenden Landtag.

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Eine stabile Mehrheit kommt nun nur zustande, wenn sich CDU und BSW zusammentun und dann ein Dreierbündnis mit einer weiteren Partei eingehen. Rechnerisch möglich wäre das mit der SPD, aber auch mit den Grünen oder sogar der Linkspartei. Was davon politisch passen soll, steht aber auf einem anderen Papier.

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20 Kommentare

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  • "Ein recht ungewöhnlicher Vorgang hat große Auswirkungen auf die Politik in Sachsen. ... Grund war nach Angaben des Landeswahlleiters ein Softwarefehler."

    Hoffentlich hält das einer Überprüfung, sofern diese vorgenommen wird, stand.

    Das kann meiner Meinung nach als "Wahlpanne" bezeichnet werden, zu Gunsten der SPD und Grünen. Ich gönne den beiden Parteien den zusätzlichen Sitz, hätte es aber besser gefunden, wenn es hierzu keines Softwarefehlers bedurft hätte.

    • @*Sabine*:

      Das Wahlverfahren ist ja bekannt und transparent, das wendet man mal an und entdeckt, dass der Algorithmus da fehlerhaft umgesetzt ist. Das könnten Sie und ich auch.



      Es hat keines Softwarefehlers bedurft, die Wählerinnen und Wähler waren es ganz allein. M.E. zum Glück, siehe Steinbeis' Artikel.

  • "Nun kann die AfD einige Entscheidungen nicht mehr blockieren."



    Ähm, das konnte die AfD auch vorher nicht ...







    Hintergrund: Ein Wahlergebnis ist erst dann gültig, wenn der Landeswahlleiter das _endgültige_ Wahlergebnis verkündet. Bis dahin sind alle Angaben vorläufig und ohne Gewähr. Erst wenn das endgültige Wahlergebnis feststeht, kann sich der neue Landtag konstituieren, und erst ab dann hätte die AfD eine Sperrminorität besessen, wenn sie mehr als 1/3 der Sitze erreicht haben würde.

  • Nur als kleine Info:



    Matthias Berger Von den FW verzichtet auf sein Direktmandat da die FW keine Fraktion bilden können. Somit nur 119 Sitze besetzt und die jetzt 40 der AfD reichen wieder für die sperrminorität aus.

    • @Peter Pan:

      Na wer weiß, vielleicht findet sich ein weiterer Softwarefehler... :D

    • @Peter Pan:

      Weiß der, was er tut?



      Er ist derzeit OB von Grimma, das gibt man nicht leicht auf.



      Für Sachsen und seine Wählers müsste er es dennoch in diesem Falle.

  • Der Artikel ist nicht vollständig.



    Folgende Möglichkeiten hat eine Partei mit einem Drittel der Sitze:

    1) Verhinderung von Verfassungsänderungen: Eine Fraktion, die ein Drittel der Sitze hält, kann jede Verfassungsänderung blockieren.

    2) Einbringung eines konstruktiven Misstrauensvotums: Eine Fraktion mit einem Drittel der Sitze kann eine Diskussion und Abstimmung über eine solche Maßnahme erzwingen.

    3) Blockade bestimmter Abstimmungen: Für bestimmte Entscheidungen, wie zum Beispiel die Auflösung des Landtags, ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Eine Fraktion mit einem Drittel der Sitze könnte diese verhindern.

    4) Anrufung des Verfassungsgerichts: Eine Fraktion mit mindestens einem Drittel der Sitze kann das Thüringer Verfassungsgericht anrufen, um Gesetze oder andere Maßnahmen überprüfen zu lassen.

    5) Einbringen von Gesetzesinitiativen: Auch mit einem Drittel der Sitze kann eine Fraktion Gesetze vorschlagen, obwohl die Annahme von der Mehrheit des Landtags abhängt.

    • Gereon Asmuth , Autor des Artikels, Ressortleiter taz-Regie
      @Andere Meinung:

      Nein, eine Fraktion, die wie jetzt die AfD genau ein Drittel der Sitze hat, kann Abstimmungen, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, nicht blockieren, weil die anderen ja genau über zwei Drittel der Sitze verfügen. Zur Blockade bräuchte die AfD mindestens einen Sitz mehr als ein Drittel der Sitze. Das hätte sie mit 41 Sitzen - wie es nach der falschen Berechnung angegeben wurde - gehabt.

  • Meine Güte, war das notwendig? das wird mit Sicherheit ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Jetzt stellt sich die AfD wieder als Opfer einer weiteren Verschwörung gegen sie dar. Das impliziert natürlich dass Furcht und die Bereitschaft zu faulen Tricks bei den anderen Parteien vorherrscht weil ihnen die Argumente ausgegangen sind. Dazu kommt natürlich noch dass der FW-Abgeordnete anscheinend mit der AfD sympathisiert und evtl mit ihr stimmen wird, das Ganze also unnötig sein könnte. Irgendwie kommt es mir so vor als ob die CDU und die anderen Parteien kaum lernfähig sind.

    • @Gerald Müller:

      Was für ein unsinniger Kommentar. Soll man, weil die AfD sich immer und überall in einer selbstzuschriebenen Opferrolle suhlt, ein inkorrektes (vorläufiges!) Wahlergebnis nicht korrigieren? Die Spitze gegen die CDU ist doppelt sinnlos, denn die verliert durch die Korrektur ja selbst einen Sitz.

    • @Gerald Müller:

      Was war wo nötig? Die Berechngsweise der Sitze stand vorher fest und dritten ist aufgefallen, dass die Verteilung nicht gestimmt hat.



      Die AFD wird immer jammern.

      • @Genosse Luzifer:

        Verwunderlich bleibt aber schon, daß trotz des vorher bekannten Verfahrens die Prognosesysteme der beiden großen Fernsehsender ebenfalls mit demselben Fehler gerechnet haben.

        • @Axel Berger:

          Genauer: haben sollen. Ich besitze keine Glotze und habe es aus zweiter Hand. Das muß nicht stimmen.

  • Vielleicht auch Tatikt der AFD: jetzt müssen sich gegen die AFD Parteien zu einer Koalition zusammentun, die eigentlich so garkeine Lust aufeinander haben, was , wie auch schon auf Bundesebene, nur zu Chaos und damit zu noch mehr Frustration in der Bevölkerung führen wird, was wiederum die Umfragewerte der AFD erhöhen wird.....einzige Möglichkeit , die anderen Parteien MÜSSEN sich zusammenraufen und Einigkeit signalisieren. Ich sehe aktuell nicht, dass das passieren wird

    • @PartyChampignons:

      Das steht exakt so im Playbook: CDU in schwierige Linkskoalition zwingen und bei der nachfolgenden Wahl dann profitieren.



      Die spielen sehr erfolgreich auf Zeit.

  • Daraus wird doch jetzt sicher fünf Jahre lang ein Mythos der Rechtsrauner gebrüht.

    Lesenswert wie erschreckend sind die aktuellen "Blätter für deutsche und internationale Politik" und Steinbeis' Artikel hierzu, was eine Drittelmandatsstärke ausrichten könnte.

  • Im Übrigen bin ich dafür, dass man ein AfD-Parteiverbot einleiten sollte,



    damit die Bundesrepublik Zeit gewinnt.



    Zeit dafür, in der die Menschen im Osten weiter verstärkt die bundesrepublikanischen Werte wie Demokratie, Menschenwürde, Freiheit, usw. internalisieren.

    Noch hat der Bundesadler seine Küken im Osten nicht verloren.

    • @Miles Parker:

      "Im Übrigen bin ich dafür, dass man ein AfD-Parteiverbot einleiten sollte, ..."

      Ich schließe mich an. Dieses Hick-Hack sollte aufhören, damit nach dem Verbot alle Parteien wieder vernünftig arbeiten können oder soll das jetzt noch Jahre so weitergehen? Mir ist nicht bekannt, wie lange der Zeitraum vor einer Bundestagswahl liegen muss.

    • @Miles Parker:

      Das klang jetzt sehr begluckend.



      Zwei Drittel der Wählenden haben auch dort _nicht rechtsrabiat gewählt.

      Und hohes Ross West ist weder angemessen noch zielführend.

    • @Miles Parker:

      Es gibt in der Zivilgesellschaft in Sachsen, Thüringen und anderswo genug engagierte Menschen, die oft genug deutlich gemacht haben, dass Rechtsextremismus konsequent bekämpft werden muss, und dass resourcen- und umweltschonendes Wirtschaften sowie soziale Absicherung unheimlich wichtige, zukunftssichernde, Themen sind, die dringend angegangen werden müssen.