Chaos an der Universität Göttingen: Uni will Präsidenten wegbeamen
Schon wieder Personalquerelen: Der Senat will Metin Tolan loswerden, der mit Vorlesungen über die Physik in „Star Trek“ bekannt wurde.
Offiziell sagt man so etwas aber natürlich nicht: „Der Senat der Universität Göttingen führt seine Diskussionen in den Sitzungen der Hochschule und beteiligt sich im Grundsatz nicht an öffentlichen Diskussion“, erklärt Senatssprecher Ramin Yahyapour auf taz-Anfrage. Ähnlich äußert sich der Universitätssprecher.
Indes: Diverse interne Papiere haben nun eben schon ihren Weg in verschiedene Zeitungsredaktionen gefunden. Denn gleichzeitig formiert sich natürlich auch ein Gegenlager. Das Göttinger Tageblatt zitiert ebenfalls aus einem Brief, der eigentlich an Senat und Präsidium gerichtet war.
Darin warnen rund 30 Professoren und Professorinnen, darunter Tolans Amtsvorgänger Reinhard Jahn und der geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Holger Stark. Sie warnen davor, „die Handlungsfähigkeit des Präsidiums auf unabsehbare Zeit zu lähmen“.
Auch der zuständige Minister schaltet sich ein
Eine ganz ähnliche Formulierung verwendet Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) im Interview mit der Zeitung. Darin spricht er Tolan sein Vertrauen aus, warnt vor lähmenden Personaldebatten und lässt sich sogar darauf ein, Worst-Case-Szenarien zu debattieren. Schlimmstenfalls könnte sich das Land ja genötigt sehen, vorübergehend einen Staatskommissar einzusetzen – das war jüngst an der Hannoverschen Musikhochschule nötig geworden, nachdem es dort endlose juristische Querelen um das Besetzungverfahren der Präsidentenstelle gegeben hatte.
Er hoffe allerdings, dass dies nicht notwendig wird, sagte Mohrs. Immerhin habe die Autonomie der Hochschulen Verfassungsrang.
Dabei galt der Physik-Professor Metin Tolan bei seinem Amtsantritt noch als Kommunikationsgenie und der Kandidat, der die Uni Göttingen wieder auf Erfolgskurs bringen sollte. Tolan hatte mit populärwissenschaftlichen Büchern zur Physik von „Star Trek“, im Fußballspiel und bei „James Bond“ Furore gemacht.
Er verficht gleichzeitig die Auffassung, dass sich Spitzenforschung und gute Lehre nicht ausschließen müssen, sondern gegenseitig befruchten sollten. Das war ein Punkt, den viele Studierende an der Fixierung auf den Exzellenzstatus immer wieder kritisiert hatten: Dass ihre Lehre dabei unter die Räder kommt.
Bei der Exzellenzinitiative gescheitert
Dass Göttingen im Februar nun mit gleich fünf Anträgen auf Exzellenzcluster schon in der Vorrunde scheiterte, war allerdings ein harter Schlag ins Kontor. Es gibt nun nur noch einen laufenden Exzellenzcluster in Göttingen – das reicht nicht, um den Status als Exzellenz-Uni zurückzuerobern, den man 2012 verloren hatte. Daran hängt nicht nur Renommee, sondern auch sehr viel Fördergeld.
Die Uni Göttingen mit ihren rund 30.000 Studenten befindet sich also in einer schwierigen Lage – darin sind sich alle Lager einig. Es ist allerdings auch nicht das erste Mal, dass dies in Grabenkämpfe um Personalien mündet – und zwar sowohl in Tolans Amtszeit als auch davor.
Im April 2023 sorgte die Posse um den Rücktritt des Vizepräsidenten Norbert Lossau für Schlagzeilen. Der war für Digitalisierung und Infrastrukturen zuständig und ging – widerwillig – im Streit mit Tolan. Schon damals wurde dem Präsidenten eine katastrophale interne Kommunikation vorgeworfen, sodass erste Abwahlpläne geschmiedet worden sein sollen.
Aber auch bevor Tolan ins Amt kam, hatte sich die Universität schon mit einem grandios gescheiterten Besetzungsverfahren blamiert: Auch Ulrike Beisiegel, von 2011 bis 2019 erste Präsidentin der Georgia Augusta, hatte ihren Hut genommen, nachdem Göttingen zum zweiten Mal mit der Bewerbung in der Exzellenzinitiative des Bundes gescheitert war.
Ihr Nachfolger hätte der Lüneburger Universitätspräsident Sascha Spoun werden sollen – jedenfalls, wenn es nach der Findungskommission gegangen wäre. Dort hatte Spoun allerdings erst als Berater und dann als einzig übrig gebliebener Kandidat gedient. Das seltsame und intransparente Verfahren sorgte für Aufruhr in der Professorenschaft und führte dazu, dass Spoun letztlich in Lüneburg blieb. Der Biologe Reinhard Jahn übernahm vorübergehend, bis Metin Tolan 2021 das Amt antrat.
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