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Chaos an der Universität GöttingenUni will Präsidenten wegbeamen

Schon wieder Personalquerelen: Der Senat will Metin Tolan loswerden, der mit Vorlesungen über die Physik in „Star Trek“ bekannt wurde.

War vor drei Jahren zum Göttinger Uni-Präsidenten gewählt worden: Metin Tolan Foto: Swen Pförtner/dpa

Hannover taz | Jetzt schweigt man erst einmal erschrocken. Vor fünf Tagen machte das Göttinger Tageblatt öffentlich, dass im Senat der altehrwürdigen Georg-August-Universität Göttingen Abwahlpläne gegen den amtierenden Uni-Präsidenten Metin Tolan geschmiedet werden. Sogar Probeabstimmungen soll es schon gegeben haben. Hauptgrund soll das Scheitern der Uni-Anträge bei der Exzellenzinitiative im Februar sein. In einem internen Papier ist außerdem die Rede von einer „tiefen Vertrauens- und Führungskrise“; kritisiert wird Tolans „unklare Zukunftsstrategie“.

Offiziell sagt man so etwas aber natürlich nicht: „Der Senat der Universität Göttingen führt seine Diskussionen in den Sitzungen der Hochschule und beteiligt sich im Grundsatz nicht an öffentlichen Diskussion“, erklärt Senatssprecher Ramin Yahyapour auf taz-Anfrage. Ähnlich äußert sich der Universitätssprecher.

Indes: Diverse interne Papiere haben nun eben schon ihren Weg in verschiedene Zeitungsredaktionen gefunden. Denn gleichzeitig formiert sich natürlich auch ein Gegenlager. Das Göttinger Tageblatt zitiert ebenfalls aus einem Brief, der eigentlich an Senat und Präsidium gerichtet war.

Darin warnen rund 30 Professoren und Professorinnen, darunter Tolans Amtsvorgänger Reinhard Jahn und der geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Holger Stark. Sie warnen davor, „die Handlungsfähigkeit des Präsidiums auf unabsehbare Zeit zu lähmen“.

Auch der zuständige Minister schaltet sich ein

Eine ganz ähnliche Formulierung verwendet Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) im Interview mit der Zeitung. Darin spricht er Tolan sein Vertrauen aus, warnt vor lähmenden Personaldebatten und lässt sich sogar darauf ein, Worst-Case-Szenarien zu debattieren. Schlimmstenfalls könnte sich das Land ja genötigt sehen, vorübergehend einen Staatskommissar einzusetzen – das war jüngst an der Hannoverschen Musikhochschule nötig geworden, nachdem es dort endlose juristische Querelen um das Besetzungverfahren der Präsidentenstelle gegeben hatte.

Er hoffe allerdings, dass dies nicht notwendig wird, sagte Mohrs. Immerhin habe die Autonomie der Hochschulen Verfassungsrang.

Dabei galt der Physik-Professor Metin Tolan bei seinem Amtsantritt noch als Kommunikationsgenie und der Kandidat, der die Uni Göttingen wieder auf Erfolgskurs bringen sollte. Tolan hatte mit populärwissenschaftlichen Büchern zur Physik von „Star Trek“, im Fußballspiel und bei „James Bond“ Furore gemacht.

Er verficht gleichzeitig die Auffassung, dass sich Spitzenforschung und gute Lehre nicht ausschließen müssen, sondern gegenseitig befruchten sollten. Das war ein Punkt, den viele Studierende an der Fixierung auf den Exzellenzstatus immer wieder kritisiert hatten: Dass ihre Lehre dabei unter die Räder kommt.

Bei der Exzellenzinitiative gescheitert

Dass Göttingen im Februar nun mit gleich fünf Anträgen auf Exzellenzcluster schon in der Vorrunde scheiterte, war allerdings ein harter Schlag ins Kontor. Es gibt nun nur noch einen laufenden Exzellenzcluster in Göttingen – das reicht nicht, um den Status als Exzellenz-Uni zurückzuerobern, den man 2012 verloren hatte. Daran hängt nicht nur Renommee, sondern auch sehr viel Fördergeld.

Die Uni Göttingen mit ihren rund 30.000 Studenten befindet sich also in einer schwierigen Lage – darin sind sich alle Lager einig. Es ist allerdings auch nicht das erste Mal, dass dies in Grabenkämpfe um Personalien mündet – und zwar sowohl in Tolans Amtszeit als auch davor.

Im April 2023 sorgte die Posse um den Rücktritt des Vizepräsidenten Norbert Lossau für Schlagzeilen. Der war für Digitalisierung und Infrastrukturen zuständig und ging – widerwillig – im Streit mit Tolan. Schon damals wurde dem Präsidenten eine katastrophale interne Kommunikation vorgeworfen, sodass erste Abwahlpläne geschmiedet worden sein sollen.

Aber auch bevor Tolan ins Amt kam, hatte sich die Universität schon mit einem grandios gescheiterten Besetzungsverfahren blamiert: Auch Ulrike Beisiegel, von 2011 bis 2019 erste Präsidentin der Georgia Augusta, hatte ihren Hut genommen, nachdem Göttingen zum zweiten Mal mit der Bewerbung in der Exzellenzinitiative des Bundes gescheitert war.

Ihr Nachfolger hätte der Lüneburger Universitätspräsident Sascha Spoun werden sollen – jedenfalls, wenn es nach der Findungskommission gegangen wäre. Dort hatte Spoun allerdings erst als Berater und dann als einzig übrig gebliebener Kandidat gedient. Das seltsame und intransparente Verfahren sorgte für Aufruhr in der Professorenschaft und führte dazu, dass Spoun letztlich in Lüneburg blieb. Der Biologe Reinhard Jahn übernahm vorübergehend, bis Metin Tolan 2021 das Amt antrat.

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8 Kommentare

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  • Wieso wird hier ein Artikel über eine Uni Personalie zur kommentarbattle über Exzellenz oder Nichtzexzellenz? Wichtig ist doch vor allem der Befund das für immer mehr Studies die stabile Lehre in den FHs attraktiver wird als die Suche nach Dozenten in den Universitäten die ihrer betreungsleistung nachkommen.Die leidet vor allem unter der Zeit die für antragsschreiberei drauf geht!

  • Exzellenz, würde doch voraussetzen, dass es eine "richtige" Richtung gibt, in die es zu forschen lohnt und zu forschen gilt.



    Die Menge an Publikationen sagt rein gar nichts aus über die Exzellenz des präsentierten Wissens (allerdings auch nicht das Gegenteil!) Deutsche Unis waren gut, weil es viele gab, weil es verschiedene Denkrichtung bzw. Forschungsrichtungen gab, von denen vorher niemand wußte welche einmal der Durchbruch sein werden.



    Der Versuch durch Festlegung auf definierte Kriterien zu bestimmen, wo Exzellenz zustande kommen soll, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn Wissenschaftler sich die eigene Zukunft durch (wissenschaftlich) mediale Präsenz, sichern müssen, geht es eben in diese Richtung, nicht zwangsläufig in die Richtung der Forschung.



    Keine Uni, aber wo es gut läuft, wo es um die Weltspitze geht, sind die Max-Planck-Institute, klar da wird vorher schon ausgesiebt, wer dort hineinkommt, Vit B tut da auch was zur Sache (ist teils auch der Grund für den Erfolg), wichtiger aber, die Freiheit (auch die finanzielle), die es dort in der Forschung gibt, spiegelt sich auch in den Ergebnissen.

  • Solange auch weiterhin nicht eine solide Lehre und Forschung an jeder Uni gesichert ist OHNE Drittmittel und OHNE Exzellenz wird das nie wieder etwas werden mit Weltklasseforschung in D.

    Ich bekam dies bei Drittmittelförderantraegen zur Genüge mit: die bestvernetzten Forscher erhalten noch mehr (gemäss wer viel hat, dem wird mehr gegeben). Die Direktverantwortlichen von Amtsseite scheuen jedes wirklliche Risiko und folgenden schönsten aktuellsten Buzz words und wer viel veröffentlicht hat (wirkliche Qualität ist damit nicht garantiert), erhält den Zuschlag: Nepotismus, Tausend Regelnwerk und Vitamin B, das sind die Hemmer.



    Wenn Ivy League-Universitäten besser sind, dann vlt aus einem solchen Grund, weil dort Freiheit fern von Drittlmittel als "Luxus" durch viel Geld möglich ist.



    Dies hat aber nichts mit der Absenz "zerstörischerisch neoliberaler Ideologie" zu tun. Olli P. vermischt hier ungerechfertigt Aspekte. Tomas Zerolo hat vollkommen recht: man kann nicht reines Leistungsdenken auf Wissenschaft anwenden, was u.a. in Ermangelung wirklich objektiver Kritierien im Review der Publikationen scheitert, spätestens aber an den verfilzten Srtukturen in der Wissenschaft und Politik.

  • Dieseer Exzellenzscheiss ist nur die Expansion der zerstörerischen neoliberalen Ideologie auf den universitären Bereich.

    Eine Frage der Zeit, bis es anfängt einzustürzen, wie kürzlich eine gewisse Brücke...

    • @tomás zerolo:

      Genau, die Ivy League-Universitäten sowie die renommierten Colleges in Cambridge und Oxford, die Sorbonne in Paris und viele andere sind allesamt schon längst eingestürzt, und kein Wissenschaftler von Rang und Namen will dorthin, denn "die zerstörischerisch neoliberale Ideologie" (was immer das auch sein soll, aber irgendein hohles Schlagwort musste ja wohl aus der Mottenkiste gezerrt werden) hat ja nichts als "Exzellenzscheiss" hervorgebracht, und den will ja keiner.

      Tatsache ist doch vielmehr, dass deutsche Universitäten früher einmal Weltruf genossen, aber davon hat Deutschland sich lange verabschiedet, genau so wie von vielen anderen Dingen, die dieses Land erfolgreich und wohlhabend gemacht haben. Inzwischen ist Deutschland in allem, was es lernt, lehrt und tut, allerhöchstens noch unteres Mittelmaß und weiter auf dem absteigenden Ast.



      Wir brauchen dringend viel mehr Exzellenz, nicht immer weniger!

      • @Olli P.:

        Die Finanzierung der Ivy-League-Unis hängt keineswegs von irgendeiner Exzellenzinitiative ab. Viele an diesen Unis Forschende wurden an europäischen (auch deutschen) Universitäten ausgebildet. Neoliberalismus ist kein hohles Schlagwort, sondern ein Lable für das letzte toxische Abbauprodukt der eins stolzen Disziplin der ökonomischen Wissenschaften.

      • @Olli P.:

        Die Frage ist doch das Exzellenz und exzellente Lehre sich nicht ausschließen dürfen. Es braucht ein Gleichgewicht zwischen beiden! Exzellente Lehrer die Leute erkennen und fördern fair beurteilen und Gute Forscher die den Horizont erweitern! Die "exzellent Cluster sind häufig nur Worthülsen die ergebnisse sind mau und mager. Man muss einfach sagen der Kaiser ist nackt, denn ich habe von den LEhrern im Studium mehr profitiert, als von den Forschern, die Koryphäen in ihren Fächern waren und auch mich inspiriert haben zu forschen, aber je weiter ich kam so bin ich meinen Lehrern dankbar für die Basics und den Forschern, die uns zeigten wie man neue Probleme identifiziert und sie löst. Danke ihnen dafür. Wir brauchen mehr Excellence in der Lehre

      • @Olli P.:

        Es braucht keine Exzellenzcluster, sondern vernünftige Lehre und gute Kommunikation. Das zeigt der Artikel doch eindrucksvoll. Exzellenz ist eine reine Ideologie zum Geldmachen durch Wissen im Kapitalismus nach dem Motte: Wer viel hat, dem wird mehr gegeben, und wer wenig hat, dem wird auch das genommen. Genau das ist der falsche Weg und er führt wie man sieht in den Ruin, menschlich und wissenschaftlich.



        Die von Ihnen hochgelobten Leuchttürme, die das Exzellenzsystem geschaffen haben und von ihm profitieren, stehen übrigens weltweit immer schlechter da und verlieren ihr (mit Exzellenz-Geld eingekauftes, also herbeigetrickstes) Renomee rasant.